glicklichen Erfassung richtiger und zeltgemasser Principien, theils in
dem ginstigen Zeitpunkle, in welchem das Comité desselben seine
volle Thatigkeit entwickelte. Der Hauptzweck des Vereins, dem kunst-
sinnigen Publikum Wiens in fortlaufenden Monatsausstellungen gedie-
gene Kunslwerke des In- und Auslandes, und zwar in einer Zeit
vorzufthren, wo die vorherrschende Menge mittelmassiger Bilder in
den alljahrigen des alten Vereins, an Uebersattigung und Irreleitung
des Geschmackes, den Kunstsinn ganzlich erschlafft hatte; musste noth-
wendig einen frischen und zugleich nachhalligeren Anklang finden, um
so mehr als das Comité bereits in dem so kargen Zeitraume von kaum
drei Monaten den richtigen Takt und die redliche Absicht bewies, Mit-
gliedern und Theilnehmern des Vereins durch seine gewahlten Ankdufe
Hoffaung auf den Gewinn von Gemalden zu geben, die im Falle des
Behaltens einen nachhaltigen Kunstgenuss bieten, im Falle des Verkaufs
einen nicht nur illusorischen Werth behalten werden. Unserem Er-
messen nach wird aber auch nur der vorgesetzte und unverriickte Zweck,
wahrhafte Kunstwerke, wenn auch in beschrankter Zahl, auszustellen
und anzukaufen, dem neuen Vereine seine blihende Existenz weiter
férdern und erhalten.

In der erwiinschten, nach ernsten und bewegten Zeiten eingelre-
tenen Ruhe der Gemither musste der zuriickgedrangte Sinn far das
Schone, als ein nolthwendiges Element menschlicher Bildung und gei-
stigen Genusses, wieder neu erwachen. Dieser Sinn aber war, wie
der frihere leichte Sinn des Wieners im Allgemeinen, ein ernsterer
geworden; kein Wunder also, dass eine frische und fortdauernde An-
schauung von Kunstwerken auch da so viele giinstige und lernbegie-
rige Augen fand, wo nicht nur gefalliger Farbenkitzel und bestechen-
des Machwerk geboten ward. Es ist ein trauriges, aber natirliches
Erbtheil eben des redlich strebenden Kiinstlers, dass nur ein verglei-
chungsweise vollendetes Kunstwerk die Berechtigung zur Existenz als
ein solches habe. Dessenungeachtet haben nur zu oft falsch ver-
standene Nachgiebigkeit, Unkenntniss und wie die Ursachen alle heis-
sen mégen, die Ausstellungen mit einer Unzahl von Halbfertigem,
Unwahrem und Schilerhaftem tiberschwemmt. Hierdurch ward der
richtige Standpunkt des jungen Kiinstlers, des lernbegierigen Sammlers
und Kunstfreandes verrickt, Lauheit und bequeme Gewinnsucht erzeugt,
kinstlerischer Ehrgeiz und ernstes Streben abgestumpft, und durch ge-
tauschte Erwartungen die echte Liebe zur Kunst und zu wahren Kuns\-
werken zuriickgcedrangt. Das kunstsinnige Publikum Wiens hat auch
durch die regste und lebendigste Theilnahme an den Ausstellungen des
Vereins den erfreulichen Beweis geliefert, dass es nur der geniigenden
Anregung bediirfe, um den warmen und dauernden Sinn fir das Schéne
bei jedem Gebildeten frisch zu erwecken. Gleichzeitig eingetretene
Reformen bei der Umbildung der Akademie der Kiinste von Seite
der Regierung und eine gesteigerte Theilnahme far die Kunst in hé-
heren Kreisen erweckten das Vertrauen, dass sich dieselbe auch von
Seite. des Staates nicht mehr als verwaist zu betrachten habe. Solche
Ereignisse konnten wie natirlich auf das junge Institut nur krafligend
und auf dessen Leiter nur ermuthigend einwirken. Manner, deren an-_
erkannter gritndlicher und gediegener Kunstkenntniss nunmehr erst der
verdiente Einfluss 2u Theil ward, wirken kraftig und mit Einsicht im
Comité des Vereins und als Organe der ministeriellen Abtheilung des
Unterrichtsministeriums fir die Interessen der Kunst. Kleine Zwie-
spalte und Parteiungen, die noch in den verschiedenen Heerlagern der
Kinstler und Kunstfreunde, wie bei allen Reformen und Kampfen gegen
das Verbrauchte bestehen, wird hoffentlich der redliche Wille des Co-
mités und der sich immer mehr lauternde Geschmack von Kinstlern
und Laien zu gewtinschtem Ende fahren. Jeder Anforderung zu ge-
niigen, liegt ausser der Moglichkeit menschlicher Thatigkeit und Kraft;
dass die Mehrzahl jedoch der bisher ausgestellten Kunstwerke diesen
Namen im wahren Sinne des Wortes verdienen, wird jeder Vorur-
theilsfreie eingestehen miissen; und wir glauben, dass dieses so viel-
seilig ausgesprochene Urtheil eben so den Kiinstlern, als dem Vereine
zur Ehre gereiche, und beiden den hoffnungsvollen Blick in eine neue
Aera gestalte, die, wie fir das hartgepritfte Oesterreich tiberhaupt, so
auch fiir seine Kunst, eine goldene werden mége.

Die Ausstellung des November war vorziiglich durch unseres

 
	 

Schrotzberg’s und W.Schlesinger’s reizend aufgefasste und ge-
malte , Frauenbildnisse“ anziehend. Rottmann’s herrliche ,, Ansichte
der Insel Aegina“, aus des Grafen Brenner Sammlung, еше schéne
» Ansicht des Traunstein“ von Fischbach, aus friheren Jahren, sind
noch besonders hervorzuheben. Die Wiener Kunstler hatten noch wenig
Bedeutendes beigesteuert. Die ,Erbschleicher*, yon der Hand eines noch
jungen Kiinstler, L. Loffler, verriethen ein tiichtiges Streben und eine
bereits sehr ausgebildete Technik. Bekannte, anerkannle Namen, wie
Gauermann, Héger, Marko, Ranftl, fehlten nicht, wenn auch
in minder bedeutenden Schopfungen. Julius Hiibner’s bekannte
» Hannah mit Samuel vor Eli* vermochte Laien und Kenner nicht zu
erwérmen; mehr, wenn auch nicht durch die Tendenz des Gegen-
standes, doch durch die geistvolle Ausfihrung, C. Hiibner’s ,schle-
sische Leinweber “.

Sehr bedeutend, nicht nur durch die Menge guter, sondern durch
einige im hohen Grade hervorragende Gemalde, war die Ausstellung
des December, wo Achenbach’s imposantes und poetisches Land-
schaftsbild, der , Weenersee in Schweden“ (fir den Verein um nahe
1600 FI. C. M. angekauft), so wie A. Tiedemand’s , Norwegische
Sektirer“, um 2400 Fl. fir das gewahlle Cabinet des Herrn Conrad
Graf erworben, das ungetheilteste und warmste Interesse der Kunst-
freunde erregte. Unter vielem Vorziglichen erwahnen wir nur eines
poelisch gedachten und geistreich gemalien , rémischen Hirtenknaben“,
von v. Mayden in Rom, aus Graf Ugarte’s Cabinet, so wie eines
schénen Schelfhout derselben Sammlung; einer meisterhaft gemalten
»Gruppe von Schafen“ von Gauermann, Herrn Todesco gehdrig,
die sich an die besten Werke eines Potter und Du Jardin anreiht,
Amerling’s ,Wittwe“, im Besitze des Herrn v. Arthaber, unseres
zu frih verblithenen Danhauser’s , Weinkoster“, aus derselben
Sammlung, und Ch. Vennemann’s ,hollandische Kneipe“, so wie
einer reizenden ,,Landschaft* von Marko, einer poetisch gedachten
»Landschaft* von Raffalt und Gauermann’s ,, Kohlenmeiler“, beide
fir den Verein angekauft,

Die laufende Ausstellung des Januar enthalt ebenfalls viel des
Schénen und Anziehenden, wenn sie auch der des December nach-
steht. Von grosser Bedeutung sind: Lessing’s ,Huss auf dem Con-
cil zu Constanz“, Eigenthum des Herrn General-Consul Schletter zu
Leipzig, und nach unserem Dafarhalten dem Frankfurter Bilde dessel-
ben Gegenstandes vorzuziehen; so wie T. Gudin’s ,Strand von Sche-
veningen*, von Herrn Plach fir nahe an 3000 FI. erworben und,
wie man sagt, nachker in den Besitz des feinen und wahligen Samm-
lers, Herrn v. Arthaber, tbergegangen. Besonderer Erwahnung ver-
dienen noch 2wei Landschaftsbilder unseres talentvollen Hansch, de-~
ren eines ,der hohe GO“ fiir den Verein erworben wurde. Ferner
sind gute Bilder von Ranftl, Waldmiller, C. Meyer in Rom,
Marko, Weber in Dasseldorf und ein meisterhaft gemaltes und poe-
tisch erfundenes Bildchen von Tschaggeny in Brissel ausgestellt; es
hat ,,berittene Freibeuter in einem Hinterhalte“ zum Gegenstande und
wurde fir den Verein angekauft.

Die Ausstellang des December hat durch Vorfthrung der bisher
eingelaufenen Concurrenzblatter fir die Nietengeschenke, nebst einem
aufliegenden Wiinschebuche den Mitgliedern die Gelegenheit gegeben,
ricksichtlich derselben ihre Ansichten auszusprechen. Die Anzahl und
Bedeutung von Aquareilen, Handzeichnungen etc. war noch
nicht erheblich, doch verdienen Harrak’s dhnliche und fleissige Bild-
nisse, so wie Leopold Miller’s polychrome Lithographien hervor-
gehoben zu werden. Von den bisher noch karg erschienenen plasti-
schen Werken ist Rietschel’s meisterhaft entworfene ,,Statuette Les-
sing’s“ das Hervorragendste gewesen, Ferner gedenken wir Gas-—
sers ,Brunnenmodells*, fir die Londoner Ausstellung bestimmt, und
einer zierlichen und zart gedachten Gruppe von Madchen, welche um
einen todten Vogel trauern, von der Hand desselben talentvollen
	Kimnstlers.
Im Ganzen hat der Verein in der kurzen Zeit von kaum mehr als
	2% Monat tber 1500 Mitglieder und Theilnehmer erworben und um die
bedeutende Summe von mehr als 13,500 Fl. C.M. Kunstwerke  theils
selbst an sich gebracht, theils an Private verkauft. Ss.
	Verlag yon Rudolph und Theodor Oswald Weigel in Leipzig. — Druck von Gebr. Unger in Berlin