bewaldete Bergriicken, die weithin herrschend ins blihende
Land schauen; der Cisterzienser cinsame Waldthaler, die noch
immer nach so vielen Jahrhunderten den Charakter stiller Welt-
abgeschiedenheit an sich tragen und zur frommen Betrachtung
einluden.

Wir beginnen mit einer der Klosteranlagen des letzteren
Ordens, der bekanntlich als Gegensatz gegen die schon in Uep-
pigkeit ausgearteten Benediktiner gestiftet wurde und sich in
der ersten Halfle des 12. Jahrhunderts schnell tiber das nord-
westliche Deutschland verbreitete. Demgemass ist der Charakter
der Cisterzienser-Klosterkirche Marienthal ein héchst ein-
facher, um so mehr, da die Einfachheit des Styls, die wir als
diesen braunschweigischen Bauten eigenthiimlich bezeichnet ha-
ben, hier durch die Slrenge des Ordens noch potenzirt erscheint.
Eine Meile nérdlich yon Helmstadt in einem fruchtbaren Thale
des Lappwaldes gelegen, wurde das Kloster 1138 von Fried-
rich II., Grafen v. Sommerschenburg gegriindet; gegen 1146
war der Bau vollendet. Die Grundform der Kirche ist in so
fern die gewdhnliche der altsichsischen Basiliken, dass drei
Schiffe vorhanden sind, von denen das mittlere sich jenseits
des stark ausladenden Kreuzschiffes als Chorraum fortsetzt. Un-
gewé6hnlicher ist aber, dass die Altartribiine fehit, und der Chor
also unschén in einer geraden Linie abschliesst. Wir werden
diese Art der Chorbildung noch mehrmals antreffen und dann
darauf zurickkommen; hier nur so viel, dass sie in den braun-
schweig-hannoverschen Gegenden ausschliesslich von den Cister~
ziensern angewandt erscheint. Getriibt ist die bauliche Anlage
der sonst wohlerhaltenen Kirche in so fern, als die ehemaligen
Fortsetzungen der Seitenschiffe neben dem Chore entfernt sind;
man gewahrt indess nicht allein ihre Spuren, im Innern an den
vermauerten halbkreisférmigen Oeffnungen, im Aeussern an der
deutlich sichtbaren Dachlinie, sondern auch in Merians Topo~
graphie der Herzogthiimer Braunschweig-Liineburg (1654 ge-
druckt) sind sie auf der Abbildung genau angegeben. Die ganze
Kirche ist flach gedeckt, nur der quadratische Chorraum durch
ein rundbogiges Kreuzgewélbe ausgezeichnet, dessen schwer-
fallige, fussbreite, undetaillirte Gurten einerseits auf den Ka-
pitélen zweier Halbsdulen, andrerseits, nach dem Schiffe zu,
auf zwei konsolenartigen Kampfergesimsen ruhen. Diese Saulen-
kapitaéle sind der einzige Raum, welchen man der Skulptur aus-
zuschmiicken gestattel hat; alle ibrigen Theile der Kirche sind
kahl, б4е, einférmig, noch monotoner durch die gegenwirtige
Tiinche. Die viereckigen Pfeiler, in acht Paaren die Schiffe
irennend, wenngleich nicht gerade schwerfallig ihren Verhalt-
nissen nach, sind doch durch keine feinere Gliederung aus-
gezeichnet; wahrend ihre Basen sémmtlich durch den erhdéhten
Fussboden dem Auge entzogen sind, bemerkt man an der Pro-
filirung ihrer Kampfergesimse einige, obschon nur geringe Man-
nichfaltigkeit. Nicht minder schmucklos ist der Horizontalsims
tiber den Arkadenbogen. Die Lange der Kirche im Lichten be-
trigt 175 F. Rhl., die grésste Breite 72 F. — Das Aecussere
enispricht an schlichter Schmucklosigkeit dem Innern; selbst
der so allgemein verbreitete Rundbogenfries fehit. Auf der
Kreuzung des Langhauses mit dem Querschiff erhebt sich ein
nicht grosser Thurm von quadratischer Unterlage. Die West-
facade, einer Gewohnheit der Cisterzienser gemass ohne Thurm-
bau, bietet fiir diesen Mangel in einer verhaltnissmassig zier-
lichen und reichen Anordnung einigen Ersatz. Das hier be-
findliche Hauptportal, jederseits von drei Saéulen mit kubischem
Kapital cingefasst, in einigem Abstande daritber ein horizontaler
Rundbogentries, aus dem Lisenen niedergehen, macht eine gute
Wirkune. Das Material der Kirche besteht aus grossen, ‘sorg-
	faltig behauenen und ineinandergefigten Sandsteinquadern.
Von ahnlicher Einfachheit ist die alte Kirche in dem eine
	in Wiltonhouse in England folgende Angabe: Leda und der
Schwan, von Leonardo da Vinci. Leda steht aufrecht, und Ju-
piter umarmt ste zarilich in Gestalt eines Schwans. Er blickt
sie verliebt an und sie heftet ihre Augen mit Vergniigen auf
vier lachelnde Kinder, Kastor, Pollux, Helena und Klytimne-
stra, die eben aus Eierschalen hervorgekommen sind.“ Der
Katalog ist vom Jahre 1774, und es ist auffallond, dass weder
Passavant noch Waagen, welche beide die Sammlungen in
Wiltonhouse beschrieben, die Leda daselbst erwahnen. Dass
sie von dort weggekommen sei, lasst sich kaum denken, da
die Sammlung im Ganzen noch vorhanden ist. Man kann aber
eben so gut annehmen, dass entweder ihre Undchtheit lingst
erkannt und sie deshalb zur Seite gebracht ist, oder dass eng-
lische Priiderie sie den Augen der Besucher entzogen hat. Es
ware ibrigens auch méglich, dass sie sich in einem Zustande
befinde, der selbst tiichtige Kenner an ihr vorbeigehen liesse.
Wie dem aber auch sein mag, so viel ist gewiss, dass die
hannoversche Leda nicht einmal eine Copie der Leda zu Wil-
tonhouse sein kann. Die eine steht und die andere sitzt. Die
eine ist mit drei, die andere mit vier Kindern dargestellt. Die
Composition ist also eine ganz verschiedenartige.

Dies ist Alles, was ich tiber die Leda des Lionardo habe
auffinden kénnen, denn die Nachricht von Heller, nach welcher
sie sich noch in Wiltonhouse befinden miisste, ist nur dem
Richardson nachgeschrieben. Es geht daraus hervor, dass keine
Griinde vorhanden sind, die in Hannover befindliche Leda fir
die des Lionardo zu halten, es miisste denn aus der Behandlung
des Gemialdes dieser Schluss gezogen werden kiunen. Das
aber ist ein Punkt, uber den erst noch gewichtige Autoritaten
gehért werden miissen, und der immer bedenklich bleibt, wenn
alle aussern Anhaltspunkte fehlen. Wir kénnen es nur beklagen,
dass eine poetische Licenz, wie sie sich Hagen auf eine aller-
dings nicht zu rechtfertigende Weise erlaubt hat, in diesem
Faille falsche Hoffnungen erregt hat, die vielleicht fir einige
Personen sehr unangenehme Folgen haben kénnen.

Géllingen, am 14. Februar 1851. F. W. Unger.
	Studien zur Geschichte der mittelalterlichen Kanst in
Niedersachsen.
	Von W. Luibke.
if.
	Das braunschweigische Gebiet, eins der fruchtbarsten und
anmuthigsten zugleich in Nord - Deutschland , lockte schon frih
die geistlichen Hinterwaldler des Mittelalters zur Griindung von
zahlreichen Niederlassungen. Dic Klosteranlagen des rauheren,
aber auch wildromantischeren Harzes scheinen unter diesen die
frtiheren zu sein; doch finden wir auch in dem schon bezeich-
neten nordostlicheren Theile, der uns hier vorzugsweise be-
schaftigen soll, einige Spuren uralter Ansiedlungen.  ) Ein ge-
cigneteres Terrain konnte auch nicht gefunden werden. Der
Elm, einer der letzten Nachklange des Harzgebirges, begranzt
yon Osten nach Westen streifend mit seinen sanftansteigenden
bewaldeten Anhéhen.ein Gebiet, welches, wenige Quadratmeilen
umfassend, durch mannichfache Abwechselung von Wald und
Feld, von Berg und Thal, Aeckern und Wiesen sich aus-
zeichnet. Hier fand jeder von den verschiedenen Ménchsorden
Platzchen, wie er sie liebte: der Augustiner und Benediktiner
	1) Helmstadt, eine der i\testen Stiidte Sachsens, bewahrt noch Neste
seines alten Ludgeri- Klosters in einer jetzt als Salzmagazin benutzten Krypta.