Monotonie des Rundbogens zu unlerbrechen sucht. Derselben Regel folgend, erlaubt man sich am Aeusseren diese Neuerung noch nicht. Hier tritt die alte Dekorationsweise der Rundbogen- friese, der Wandpilaster, der rundbogigen Portale noch in voller Kraft hervor. Das Hauptportal in der Westfagade gehodrt mit zu den glanzendsten derartigen Erzeugnissen deutsch romani- scher Kunst. Vier Sdulen, die es jederscits einfassen, sind an ihren Schaften, Kapililen, so wie an den von ihnen aufsteigenden Rundbogenstaben mit einem aus Pflanzen- und Thierformen arabeskenartig componirten Ornamentwerk ganz und gar bedeckt, Diese Skulpturen sind von so feiner, edler Ausbildung, dass sie eine steinerne Filigran- Arbeit scheinen; leider hat die Un- gunst des Weltters den weichen Stein an viclen Stellen nur zu sehr schon angegriffen. Ueber dem Portale das Delieblte romanische Kreisrundfenster, das bekanntlich sogar in manche gothische Bauten sich verirrt hat. Das Material der Kirche sind trefflich bearbeitete, scharf incinandergefiigte Sandsteine. Die Westfacade bis zur Hihe des Daches ist alt; der schwerfallige viereckige Thurm gehért, wie auch das viel schlechter behan- delte Material anzeigt, einer spileren Zeit, da urspriinglich wahrscheinlich zwei Westthiirme beabsichligt wurden, Innere Lange der Kirche olinc Vorhalle 160 F., grésste Breile 74 F. — An diese Beispicle durchweg flachgedeckter Pfeiler - Basi- liken reihen wir eine Kirchenanlage, aus deren sehr veranderter Form wir nur noch den Zustand der déstlichen Theile als cinen urspriinglichen herauslesen kénnen, Es ist die Laurentius~ Kirche vor dem Helmstadt benachbarten Schéningen. Eben so verwischt wie ihre frihere bauliche Anlage, ist auch dic Geschichte ihrer ersten Stiftung. Nur so viel sagen uns dic Chroniken, dass das Kloster, ein Augustiner-Nonnenstift, von den Barbaren um’s Jahr 982 verwiistet worden sei. Doch miissen nach diesem Unfalle die Nonnen sich an ihrem alten Orte wieder zusammengefunden haben, denn Reinhard, der funfzehnte Bischof von Halberstadt, fand daselbst sehr entartele Nonnen, verlrieb dieselben und schuf das Kloster zu einem Sitze fir Monche um, die er 1121 aus dem benachbarten Augustiner- convent Hamersleben kommen liess. Auch fir dieses Kloster haben die Grinder eine vortreffliche Lage auszuwahlen gewusst; man erblickt es schon meilenweit mit seinen hohen Thurmzwil- lingen, auf einem waldigen Bergriicken thronend, und von den Schalléffaungen dieser Thiirme aus bietet sich dem Auge eine Fernsicht iber unzahlige Dérfer, Kloster und Stidte, die nach der einen Seite durch die grossartigen Linien des Brockens wiirdig begranzt wird. Dass die Kirche ehemals der allgemein- giltigen Form der dreischiffigen Basilika folgte, ist unzweifel~ Вай. Die spatere bauliche Umgestaltung, welche anstatt des dreischiffigen romanischen Langhauses cin einschiffiges gothi- sches aufgefihrt hat, verdeckt nicht alle Spuren der friheren Anordnung. Die ehemaligen Oeffnungen der Seitenschiffe sind an der Innenwand der Querfliigel sichtbar; in den dsilichen Wanden derselben sind ahnliche Bogendffnungen vermauert, die man beim ersten Anblick als seitliche Absiden ansprechen шосще. Combinirt man sie aber mit den zwei Bogenéffnungen, deren Linien man an jeder Chorseite deutlich gewahrt, so wird klar, dass hier friher Fortselzungen der Seitenschiffe bestanden, die durch eine freie Bogenstellung, wie in Kénigslutter, Pau- linzelle und — aller Wahrscheinlichkeit nach — im benach- barlen Hamersleben, mit dem Haupltchore zusammenhingen. Bei einem spdteren Umbau hat man diese Theile entfernt und durch den Unterbau zweier machliger Thirme ersetzt, der in sehr starken Mauern und rundbogigen Kreuzgewélben seine Festig- keit besitzt. Chor und Kreuzfliigel der Kirche sind in ahnlicher Weise tberwélbt; zugleich zeigt sich in Halbsaulchen, die mit den Pfeilern verbunden sind, ein Sinn fiir lebendigere Gliede - halbe Meile éstlich gelegenen Walbeck, ) gebaut nach 1011, die hier einzufiigen sein dirfte. Wenden wir uns nun ein wenig siidlich, so ist bald das alte, den Chroniken nach schon von Karl dem Grossen gegrtin- dete Helmstadt crreicht. An der Westseite der Stadt, ausser- halb der Ringmauern, erhebt sich cin Hiigel, der von der ihn krénenden Kirche den Namen des Marienberges fiihrt. Von hier aus geniesst man ein reizendes Panorama: dicht vor uns auf der einen Seile die Stadt mit ihren Wallen, Thirmen und Kir- chen; ringsum die anmuthig bewaldeten Héhen des Elm, wech- selnd mit reichen Kornfeldern und frischen Wiesen, und von einem nicht zwei Meilen entfernten Ausliufer der Hiigelkette winkt stolz mit ihren drei machtigen Thiirmen die Kénigin des Landes, die Abteikirche von Kénigslutter. Das Marienberg- Kloster verdankt sein Entstehen dem Abte Wolfram 2u Werden (an der Ruhr) und Helmstadt, der es 1181 als Augustiner-Non- nenkloster stiftete. Obwohl im Innern unmerklich feiner aus- gebildet, als Marienthal, obwohl in einzelnen Theilen sogar von brillanter Durchftihrung, ist im Ganzen und Grossen die Anlage dieser Kirche kaum weniger einfach. Flach gedeckt in allen ihren Theilen, den westlichen Thurmbau allein ausgenommen, hat sogar der spater gothisch umgebaule und polygon abge- schlossene Chorraum kein Gewdlbe, obgleich Gewélbtrager in der Form von Halbsaulen sich finden. Vielleicht ist das Ge- wolbe hier zerstért oder nicht ausgefiihrt worden. Die Quer- fligel haben die tiblichen Absiden. Das Langhaus wird von sechs Pfeilerpaaren gebildet, von denen nur einige cine Ver- zierung in der Form eines diinnen Ecksdulchens haben. Hier nun ist in der Anordnung eine Eigenthiimlichkeit: die beiden ersten Pfeilerpaare — vom Querschiff aus gerechnet — haben bedeutend geringeren Abstand, als die tbrigen; diese Anord- nung hatte zur nolhwendigen Folge, dass hier die Arkadenbogen, um den ibrigen im Halbkreise gespannten an Hohe gleich zu kommen, spilzbogig gebildet werden mussten. Eine etwa 4¥. hohe, je zwei dieser Pfeiler verbindende Mauer trennt das Mittelschiff hicr strenger von den Abseilen; dies und die Er- héhung des Bodens um zwei Stufen beweist, dass der so aus- gezeichnete Raum, wie dies oftmals geschah, mit in den Bereich und die Bestimmung des Chors gezogen wurde. Aber der Spitz~ bogen hat sich hier schon weiteres Terrain erobert: die vier grossen Bogen, welche bei der Kreuzung von Langhaus und Querfliigel entstehen, zeigen ihn in seiner gedriickten primitiven Bildung. Ebenso hat ihn die Vorhalle. Diese zerfallt, der Breite der drei Schiffe analog, in drei Theile und zeigt nicht allein grosseren Detailreichthum, sondern auch eine ПбПеге constructive Entwicklungsstufe. Halbsiulen, mit den Pfeilern verbunden, werden zu Gewidlbirigern, indem halbrunde Rippen eines spitzbogigen Kreuzgewélbes von ihren Kapilalsimsen auf- steigen. Auch die jetzt vermauerten Bogen, durch welche einst die seitlichen Theile der Vorhalle mit den Nebenschiffen commu- nicirten, weisen den Spitzbogen. Vermuthlich trug einst, den ahnlichen Anlagen andrer Nonnenkléster entsprechend, die Vor- halle eine Loge oder Empore. Kaum braucht bemerkt zu werden, dass dieser Westtheil spater entstanden ist, als der tibrige Bau; er diirfte dem Anfange des 13. Jahrh. angehéren. Das eigenthimliche Interesse bei dieser Kirche beruht also auf der Mischung, in welcher wir die Formen des Spitzbogens unter denen des Rundbogens erblicken, und zwar, die Vorhalle abgerechnet, in ahnlicher Weise wie bei einigen verwandten Anlagen des Mittelrheincs: so namlich, dass der Spitzbogen, noch ohne konstructive Bedeutung, lediglich als Ornament cr- scheint, als eine anziehende neue Form, mit welcher man die 1) Kugler, Kunstgesch. §. 474.