reich gegeben, wabrend gewéhnlich Vouet, N. Poussin und
Lebrun als die altesten Meister der franzésischen Schule an-
gesehen werden. Er hat hiezu die Archive in der Normandie,
besonders die Rechnungen des Cardinals von Amboise, ersten
Ministers Ludwig XU, und sonstige schriftliche Quellen durch-
forscht und die sparlichen Denkmale einem genauen Studium
unterworfen. Dieser erste Band handelt zwar eigentlich von
der Malerei, cnthilt aber ausserdem noch die Rechnungen tiber
die Bauten in den Kénigl. Schléssern und tiber die Grabdenk-
miler der Kénige zu St. Denys. Der zweite, der Sculptur ge-
widmete Band, wird zugleich die Goldschmiede, die Stempel-
schneider, die Kupferstecher in Betracht ziehen und ein Ver-
zeichniss der in den Kéniglichen Schléssern befindlichen Kunst-
werke geben. Der dritle fiir die Archileclur bestimmte Band,
	wird nicht blos von den vom franzésischen Hofe beschiftigten -
	Architecten, sondern auch von dem Bau des Schlosses Gaillon
durch den Cardinal von Amboise Auskunft ertheilen und zu-
gleich einen Auszug aus den Rechnungen tiber den Bau der
Calhedrale von Rouen, sowie tiber den der Kirchen St. Ouen
und St. Maclou ebendaselbst enthalten, Der vierte Band end-
  lich wird sich iiber verschiedene, zum Theil der bildenden
Kunst fremde Gegenstinde verbreiten, als tiber die Sitten, Ge-
brauche, Trachten, Hausrath des Hofes, ttber die Poeten, die
Bibliothekare, die Sprache, die Feste, die Comédianten, die
Musiker und Sonstiges am franzésischen Hofe. Einige Capitel,
als iiber die Tapeten in Hautelisse, tber die zerstérten oder
fir Frankreich verlorenen Denkmaler und eine Generaliibersicht
aller tber die Kunst noch vorhandenen Urkunden, gehéren da-
gegen auch hier dem Gebiete der Kunst an. Obgleich nun die-
ses Werk fiir jeden echten Freund der Kunst und ihrer Ge-
schichte einen reichen Schatz von neuen und wichtigen That-
sachen, eine feine und geistreiche Beleuchtung derselben dar-
bieten wird, so hat doch der Verfasser nur 134 Exemplare
davon abziehen lassen. Er ist namlich zu der auch von mir
durch eigne, traurige Erfahrung gewonnenen Ueberzeugung
gelangt, dass ungeachtet allen Aufhebens, welches in unseren
Tagen von den bildenden Kiinsten gemacht wird, dieselben unter
den Interessen des sogenannten gebildeten Publikums eine dus-
serst geringfigige Stelle einnehmen, und das ernste Interesse
fir dieselben sich nur auf einen sehr engen Kreis beschrankt,
welche diesen Schatz, bei den Anzeigen eincr in so manchen
Beziehungen hereinbrechenden Barbarei, als einen wiirdigen
Trost in ungliicklichen, einen edlen Genuss in gliicklichen Zeiten
zu bewahren suchen. Fiir solche hat der Verfasser sein Werk
bestimmt: ,, Accuedli* schliesst er, ,,par leur bienvaillance, il se
refugiera dans le sanectuaire de leurs études consciencieuses, &
Pabri des grands entrepreneurs de science archéologique. Ce
	noble asil fera sa reputation, il est tout mon ambition.“
(Forisezung folgt )
	Nekrolog.
	geriumt. Ob die Werke der franzosischen Bildhauer der zwetten
Halfle des funfzehnten Jahrhunderts, welche sie zu Dijon, Nan-
tes, Tours und Gaillon fiir die Herzége von Burgund, den Her-
zog Franz von der Betragne, den Konig Ludwig XI und den
Cardinal von Amboise ausgefiihrt, denen der gleichzeitigen Ita-
liener, einem Donatello, Luca della Robbia, Andrea
Verrocchio, B. Rossellini, den Majanos u.s.w. tiber-
legen sind, wie der Verf. behauptct, kann ich nicht beur-
theilen, da ich dieselben nicht kenne, indess kann ich einen
bescheidenen Zweifel dartiber nicht unterdriicken. — Die K6é-
nige von Frankreich begniigten sich aber nicht durch bedeu-
tende Auftrage an besonders begabte Kiinsller die Kunst zu
beschtitzen, sie wussten auch deren persénliche Stellang, welche
im Mittelalter eine sehr untergeordnete war, durch Ernennung
zu ihren Kammerdienern (Varlets de chambre) zu heben. Die
Konige waren es endlich, denen Frankreich dic ausserordent-
lichen Kunstschatze verdankt, welche die Sammlungen des Lou-
vre, der Nationalbibliothek und des Schlosses von Versailles
vereinigen. Der Verf. giebt demnachst den Plan seines Werks.
Dasselbe ist vornehmlich aus den archivalischen Untersuchungen
tiber die Palaiste des Louvre, der Tuilerien und Fontainebleau
erwachsen. Wenn der Verf. behauptet, dass Frankreich auch
im Miltelalter eine sehr bedeutende Kunst besessen, so spricht
er dadurch nur meine Ueberzeugung aus. Fir die Malerei
habe ich dieses schon vor 13 Jahren vermége des Studiums
der Miniaturen zu beweisen gesucht ). Fiir die Sculptur wird
dasselbe durch еше Reihe erst seitdem mehr beachteter Denk-
miler dargethan, deren Zahl, trotz der griindlichen Zerstd-
rungswuth der franzésischen Revolution von 1789, noch immer
héchst ansehnlich ist. Die Renaissance in Frankreich datirt der
Verf. von dem Tode Ludwig XI im Jahr 1483, und bemerkt,
dass der Verfall der miltelalterlichen Kunst in allen Zweigen,
Architectur, Sculptur, Malerei und Poesie eine neue Kunstform
nothwendig gemacht habe. Diesen Umstand, welcher sich be-:
sonders deutlich in Betreff der gothischen Architectur geltend
macht, pflegen die ausschliesslichen Bewunderer derselben,
welche in der Renaissance den Tod aller nationalen Kunst er-
blicken, ganz zu tibersehen. Fiir die Malerei war dieser Um-
schwung schon seit der Einfiihrung des Princips der Natur-
wahrheit (Realismus) durch die Briider van Eyck in der er-
sten Halfte des 15. Jahrhunderts angebahnt, und fand, wie auch
ich in dem angefihrten Werk schon bemerkt?), durch den
grossen Maler Jean Fouquet, etwa von 1450 an, Eingang.
Ja in seinen architectonischen Umgebungen findet man bereits
hdufig die Formen der Renaissance angewendet. Seit dem Feld-
zuge Carls VIII stellt sich allerdings eine besondere Vorliebe  
	fur die Nachahmung der Renaissance in der Form der italieni-
schen Kunst ein. Italienische Architecten, Bildhauer und Maler
werden nach Frankreich berufen. Desungeachtet macht ‘sich
die nationale Kunst daneben noch immer in sehr bedeutender
Weise geltend. Wenn der Verf. in der Architectur hiefiir den
Louvre anfithrt, so ist dieser wunderschéne Bau allerdings ein
schlagendes Beispiel, dasselbe aber kann ich nicht fir Cham-
bord gelten lassen, welches im Plan bizarr, in den Details sehr
plump ist. Fiir den Reichthum, den feinen Geschmack und die
meisterliche Ausfiihrung der Details méchte ich dafiir das Ké-
nigliche Schloss von Blois anfithren. Der Verf. hat sich nun
die Aufgabe gemacht, die rein franzidsische Kunst von der unter
italienischem Einfluss stehenden zu trennen, jede derselben nach
ihrem Werth zu beurtheilen und den Beweis zu fithren, dass
es auch im 16. Jahrhundert eine ausgezeichnele Kunst in Frank-
	4) Kunstwerke und Kdnstler in Paris. S. 332-- 398,
2) S. 369 ff,
	Da legen vor uns die mit grésster Sauberkeil ausgefiihrten
Probedrucke von Holzschnitlen, welche ganz das Ansehn von
Radirungen haben und in jedem Strich den Gedanken des Zeich-
ners unmittelbar zur Anschauung bringen. Wer diese Sachen
geschnitten hat, gleicht einem vollendeten austibenden Ton-
kiinstler, der zugleich die ganz verstandenen Werke des Ge-
nies mit Liebe und Fleiss und die Schépfungen seines Eigen-
sinnes mit volliger Ueberwindung der Schwierigkeiten zum Ge-
nuss zu bringen wusste. Otto Vogel besass diese ausgebil-
dete Virtuosiliét, welche die ncue Berliner Holzschneideschule
charaklerisirt, im hdchsten Maasse, und mit ihm, der uns plétz-