fahren wir auch die Entstehung des Beinamens Jannet, wel-
chen sein bisher in der Kunsigeschichte allein bekannter Sohn
Francois Clouet fihrt. Der Vorname seines Vaters Jean
	wird namlich in Jehannet erweilert und dann wieder zn Jannet  
	zusammengezogen, welcher Zuname dann dem Sohne _ blieb.
Nachdem der Verf. so das Geschichtliche tiber diesen Meister
zusammengestellt, bleibt es noch ibrig, seine Art und Werth
als Kiinstler durch noch vorhandene Werke festzustellen. Der
Verf. fihrt als Arbeiten von ihm zwei Bilder an. Das eine,
welches den Konig Franz I. zu Pferde in voller Riistung dar-
stellt, ist ein Miniaturgemalde in der Gallerie des Uffizii zu
Florenz, und dort irrig dem Hans Holbein beigemessen. Als
ich mich im Jahre 1841 in Italien aufhielt und dort mit gros-
ser Anstrengung das Material zu einem ahnlichen Buche, wie
liber die Sammlungen in England und Paris, ausarbeitete, wel-
ches indess wegen Mangel an Interesse an ernsten Forschungen
iber Kunst in Deutschland nicht hat zur Verdffentlichung ge-
langen konnen, habe ich zu jenem Bilde in Florenz bemerkt:
»Feinste Miniatur des Janet, so ich kenne, hdchst meisterlich!¢
Wenn ich damit natirlich den damals allein bekannten Francois
Clouet gemeint habe, so muss ich doch dem Verf. durchaus
beistimmen, wenn er es seinem Vater, dem Jean Clouet, bei-
misst, denn auch mir ist daran das Beslimmtere in den Umris-
sen, das Alterthiimlichere in der ganzen Kunstform, als an den
mir sonst bekannten Miniaturbildnissen des Frangois Clouet,
aufgefallen, welches der Verf. hervorhebt. Eine alte Copie die-
ses késtlichen Bildchens fihrt der Verf. in der Sammlung des
Herrn Sauvageot in Paris an. In dieser Form hat der Meister
viele, zum Theil sehr geschickte Nachahmer gefunden, wie ver-
schiedene hdchst vollendete und zierliche Miniaturbilder von
franzésischen Kénigen, Prinzen und anderen vornehmen Perso-
nen aus der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts beweisen, welche
ich in England, jener unerschépflichen Fondgrube merkwiir-
diger Kunstwerke aller Zeiten und Vélker, in den Handen
von Liebhabern angetroffen habe. Das andere Bild stellt den-
selben K6nig als halbe Figur in Lebensgrésse dar und hefindet
sich jetzt unter der Benennung: ,, Portrait du temps“ in dem
Saale der Kénige des Museums von Versailles. Der Verf. weist
aus den friheren Catalogen nach, dass es vordem schon unter
dem Namen Janet sich in Fontainebleau befunden hat, und nach
der Kritik, welche er davon giebt, weicht es entschieden von
den Bildern des Francois Clouet ab, und gehdért wohl sicher
dem Jean an ). Der blasse Ton des Fleisches, die sehr ins
Einzelne gehende, den Miniaturmaler verrathende Ausfihrung,
welche der Verf. als characteristisch hervorhebt, verbunden mit
meiner Kenntniss des obigen Bildchens in Florenz, lassen mich
diesem Kiinstler mit hoher Wahrscheinlichkeit drei andere, und
zwar weibliche Bildnisse beimessen. Das eine derselben, in
der reichen Sammlung des Schlosses Hamptoncourt befindlich,
stellt lebensgross in halber Figur Leonora, die Schwester Kai-
ser Carl V, vor, welche 1530 in zweiler Ehe mit Franz I ver~
mahlt wurde. Sie ist reich gekleidet und halt in der Linken
einen Brief ihres Bruders, des Konigs Philipp II von Spanien,
mit der Aufschrift im Spanischen: ,An die Kénigin, meine
	1) Denon hatte es irrig von der [land des Jan Mabuse gehalten.
Wenn der Verf. indessen meint, dass Mabuse lediglich als Nachahmer ita-
lienischer Manier bertihmt gewesen, so irrt er, denn dieser Maler war vor
seiner Reise nach Italien einer der besten Meister seiner Zeit in der Weise
der Schule der van Eyck, und so berdhmt, dass er in England Bildnisse
der Kinder Heinrich VIL, so wie die von Kénig Jacob von Schotland und
seiner Gemahlin in der Sammlung des Schlosses Hamptoncourt ausftibrte.
In dem Silberton und auch sonst zeigen diese allerdings eine gewisse Ver-
wandtschaft zu den Portraiten des Jean Courtois und machen das Urtheil
jenes beriihmten Kenners begreiflich.
	schwester“, Das Bild wird dort dem Janet, womil natirlich
Frangois Clouet gemeint ist, beigemessen, weicht aber von
ihm durch die gréssere Tiefe und Sattigung des Silbertons,
eine gréssere Weiche der Verschmelzung und eine gewissen~
haftere Ausfihrung der Einzelheiten ab, und stimmt in der
Behandlung nahe mit dem Bildchen in Florenz tiberein. Leider
ist der Kopf angegriffen. Fast dasselbe Bild, jedoch nur etwa
zwei Drittel lebensgross, aber besser erhalten, und von gros-
ser Feinheit ist im Besilz eines héchst gebildeten Kunstlreun-
des, des Regierungsraths von Minutoli zu Liegnitz in Schlesien.
Ein driltes Bildniss derselben Fiirstin, im Besitz des Hrn. Sel-
liéres zu Paris, halt der Verf. fiir eine alte Copie nach Jean
Clouct. Das dritte und bei weitem das schénste dieser Gemalde
ist aber ein Bildniss der Margaretha von Valois, Schwester
Franz 1, ebenfalls halbe Figur in Lebensgrésse, in der Royal-
Institution zu Liverpool]. Ihr Haar ist mit einem reichen Netz,
wortiber cin Hut von dunkelblauem Sammet, bekleidet. Von
derselben Farbe ist auch ihr Mieder, mit weiten, weissen Ober-,
rothen Unterarmeln. Die Linke ruht auf einem Tisch mit grii-
nem Teppich, auf der Rechten hilt sie einen griinen Papagei.
Dieses friher dem Lionardo da Vinci beigemessene Bild er-
schien mir wihrend meines Aufenthalts in Liverpool im Jahre
1835 bei dem Silberton, der feinen Modellirung, den mei-
sterlich gezeichneten Hinden ein Werk des Holbein aus der
Zeit, wie das noch bis heut in der Gallerie zu Dresden eben-
falls dem Lionardo beigemessene Bildniss des Thomas Mo-
relt, Goldschmied Heinrich VIII. Nachdem ich in den letzten
funfzehn Jahren durch ein eifrig fortgesetzles Studium mein
Auge fiir die Eigenthiimlichkeiten der Meister noch mehr ge-
scharft habe, fiel mir wahrend meines Besuchs von Liverpool
im Jahre 1850 die grosse Uebereinstimmung jenes Bildes mit
denen der Kénigin Leonore auf, und ich zweifle nach den yon
dem Verf. gegebenen historischen Nachrichten nicht mehr, dass
dieses schéne Bildniss ein besonders ausgezeichnetes Werk des
Jean Clouet ist ), welches allerdings in der Feinheit der
Modellirung auf einen gewissen Einfluss des Lionardo da Vinci
deutet, auf den auch der Verf. hinweist, sei es, dass Ja-
net sich am Hofe Franz I mit jenem grossen Kistler persén-
lich bertihrt hat, oder, was wahrscheinlicher, dass Bildnisse
desselben, wie die Monna Lisa, oder die sogenannte bclle fer-
ronniere, Welche er nothwendig zu Fontainebleau gesehen ha-
ben musste, auf ihn eingewirkt haben. Desungeachtet haben
die Bildnisse des Jean Clouet, im Vergleich mit der ganz freien,
ja ausgelassenen italienischen Kunst, wie sie von Meistern wie
Primaticcio und Rosso in Fontainebleau ausgetibt wurde, wie
der Verf. bemerkt, etwas Alterthtimliches und Gothisches. Die-
ses heweist fiir ihn, dass er nicht, wie die meisten franzdsi-
schen Kunstler seiner Zeit, sich von der beliebten Nachahmung
der italienischen Schule fortreissen liess, sondern sich mit Er-
folg bestrebte, den Character der nationalfranzésischen Schule
fesizuhalten. Dass aber auch der Kénig ihn ungeachtet seiner
Vorliebe fiir die italienische Kunst in solchen Ehren hielt, legt
auch ‘wieder ein sehr giinstiges Zeugniss fir den allgemeinen
Standpunkt dieses Herrn in Dingen der Kunst ab. Bei einer
Digression, welche der Verf. darauf zur Verherrlichung dieses
Kénigs als Beschitzer der Kiinste macht, ist das grosse Ver-
dienst desselben als solcher unter allen der Kunstgeschichte
nicht ganz Fremden so allgemein anerkannt, dass er nicht né-
thig gehabt hatle, den Lionardo da Vinei in den Armen
desselben slerben und in Betreff der beriihmten Bilder von Ra-
	1) In dem gedruckten Catalog aber jene Sammlung zu Liverpool wird
es jetzt dem Janet, d. h. dem Frangois Clouet, beigemessen, von dessen be-
  glaubigten Bildern es indess in jedem Betracht sehr abweicht.