Aufschwung zu geben versuchle, so wendet man sich heutzu- tage, wenn gleich nicht unter gleichen betribenden Verhalt- nissen und nicht mit jener entschiedenen Leidenschaft, doch unliugbar mit einem grossen und anerkennenswerthen Interesse den Kunstschépfungen des Mittelalters zu. Das Rekapiluliren und Wiéderankniipfen an das Fernliegende, das Streben nach Zusammenhang ist eben eine charakteristische Eigenschaft alles geistigen Bemtihens und Ringens. Mit der Conservation der Kunst des Alterthums ist man so ziemlich fertig, wenig- stens ist ein reicher Apparat von Mitteln entfaltet, das ctwa noch Verborgene an’s Licht zu ziehen, es in die Sammlungen einzureihn, nachzubilden, zu zeichnen elc., es waltet in Bezug darauf eine iberall und vollstandig organisirte Thatigkeil. Die tbrige Forscherkraft hat sich jetzt auf das Mittelalter geworfen und hier, wie friiher dort, erschallen die Klagen tiber so vie~ les Untergegangene und es verdoppell sich die Mthe, das noch Vorhandene zu erhalien. So kann es auch nicht fehlen, dass das Auge des Forschers und Kenners sich auf dem Gebiele der alten Formschneidekunst fleissig umthut, um nicht blos Nichts ununtersucht, sondern auch um Nichts unbekannt und ungenossen zu lassen von dem, was die Zeit uns aufbewahrt hat. Hier muss nun die bis zur Virtuosilaét gesteigerte Fertig- keit der heutigen Holzschneidekunst die Stelle verschen, welche der Gypsabguss bei den antiken Bildwerken vertrat. Nach dem Bediirfniss Sammlungen anzulegen, fiihlte man das Bediirfniss diese Sammlungen zu vervielfaltigen. Nicht jedes Museum konnte mit echtem Fund gefiillt werden und doch wollte jedes seinen vatikanischen Apoll und seine mediceische Venus haben. Aehn- lich verhalt es sich mit den alteren Werken des Formschnittes. Das Interesse daran, der Wunsch des Besitzes ist grésser, als der vorhandene Vorrath befriedigen kann. Und weil dieser ausserdem durch zahlreiche Privatsammlungen mehr zerstreut und der Anschauung unzuginglicher ist, so muss man es cinen sehr glicklichen Gedanken nennen, wenn ein Mann von der bewahrten Umsicht und Kennerschaft, wie sie der Herausgeber auf dem Gebiete der vervielfalligenden Kiinste besitzt, sich entschliesst, aus dem ganzen Reichthum des Vorhandenen, wel- cher vor seiner Kenntniss ausgebreitet liegt, eine Auswahl der schonsten und seltensten Blatter zusammenzustellen und somit Vielen eine betriedigende Sammlung darzubieten, Andern die ihrige durch treue Nachbildungen zu erganzen und zu vervoll- standigen. Und noch ein Gutes vermag solche Mustersammlung zu leisten. Es ist doch Manches in der Technik der alten tichtigen Formschneider, das von den heutigen Mannern des Fachs nur mit Nultzen angeschaut und studirt werden kam. Sahen wir doch hier in Kaulbach’s Atelier immer die Werke Albrecht Direr’s aufgeschlagen, an dessen einfachem kriftigem Schnitt sich der bertihmte und originale Zeichner schéner Ge- stalten gern erbaule und dessen Stil ihm so wirdig der Nach- ahmung schien. — Ohne auf die vor langerer Zeit mit so viclem ЕШег behandelten Streitfragen tiber die unmittelbare Betheili- gung grosser Meister an dem Formschnittwesen an diesem Orte zuriickzukommen, so viel steht fest, dass es geschchen. Wer diesen Streit verfolgt hat, dem wird durch diese Sammlung zum Theil héchst seltener Blatter Gelegenhcit gegeben, seine gewon- nene Ueberzeugung zu befestigen oder nach dem Richtigen zu modificiren. Weigel wiinscht, und wir mit ihm, »dass dieses Unternehmen die Forscherlust auf diesem Gebiete krafligen moge, damit das Material gewonnen werde, tiber jene eigen- hindigen Formschnitte , diese Malerradirungen der Plaslik, einen Peintre ~ Tailleur hervorgehen zu sehen.* Betrachten wir nun das erste, eben erschicnenc Heft. Das~ selbe enthalt fiinf Blatter, drei aus der deutschen Schule, von Hans Burgkmair, Lucas Cranach dem dltern und Incu— Clouet beigemessen werden. Wenn der Verf. die Mehrzahl der- selben zu schwach fiir ihn findet, so kann ich ihm darin nur beistimmen, wenn er aber die Ueberzeugung ausspricht, dass Janet dergleichen niemals als Studien oder auch als Portraite nach dem Leben, sondern immer nur nach seinen Gemalden ausgefiihrt habe, so kann ich mich dem nicht anschliessen, bin vielmehr der Ueberzeugung, dass er, gleich dem Diirer und Holbein, vielfach dergleichen auch nach dem Leben ausgefthrt hat, ja dass die in ahnlicher Weise behandelten Zeichnungen des um etwas 4lteren Holbein ihm hdéchst wahrscheinlich fiir die gewihlte Manier zum Vorbilde gedient haben. Zu diesen echten Zeichnungen des Janct sind 88 im Castle Howard zu rechnen, welche die namhaflesten Persénlichkeiten der Héfe Heinrich I, Franz Il und Carl IX in sehr lebendiger und geist- reicher Art vorstellen, so wie einzelne in verschiedenen Samm- lungen Europas, die in der Regel dem Hans Holbein beigemes- sen werden. Bei einem Vergleich, welchen der Verf. zwischen den Bildnissen des letzten und der beiden Janets anstellt, trilt er dem grossen Holbein offenbar zu nahe, wenn er von dessen Bildnissen im Allgemeinen behauptet, dass sie geschwollene Nasen und tiber die Maassen verkleinerte Augen haben. Ве!- des findet sich nur an Bildern aus seiner friiheren Zeit vor, nicht aber an Bildnissen seiner reifen Epoche, wie das des Astronomen Kratzer im Louvre, des Kaufmanns Gysi in der ké- nigl. Galerie zu Berlin, und des Thomas Morett in der Galerie zu Dresden. Gegen den feinen Geschmack, die grosse Eleganz, welche ich mit dem Verf. in den Bildnissen der Janets finde, hatte er billig die kraftigere und warmere Farbung in den Bildnissen Holbeins geltend machen miissen. Sehr richlig sind die nun folgenden Bemerkungen tiber die grosse Zahl von haufig sehr geschickten alten Copien nach Bildern der Janets, welche in und ausserhalb Frankreich jetzt fir Originale gelten. Was na- mentlich ein Bildniss der Diana von Poiliers in der Sammlung des Lord Spencer in Altorp anlangt, welches Dibdin und Passsavant fiir ein Werk des Janet geben, so habe ich in meiner Beschrei- bung der dortigen Kunstwerke die Erwahnung desselben absicht- lich unterdriickt, indem es mir als ein sehr mittelmassiges, je- nes stets von mir sehr hochgeschatzten Meisters nicht wirdiges Machwerk erschienen ist. Dagegen besitzt der Minister Baron von Werther zu Berlin ein Brustbild von der Catharina von Medicis, welches wegen der Eleganz der Auffassung und der fleissigen Modellirung im Silberton, mir zu den seltnen, echten Bildern des Francois Clouet zu gehdren scheint. (Schluss folgt.) HWolzschnittwerk. Holzschnitte bertihmter Meister. Eine Auswahl von schinen, charakteristischen und seltenen Original- Formschnitten, oder Blittern, welche von den Erfindern, Malern und ZLeichnern eigenhindig geschnitten worden. In treuen Copicen von bewtihrten Kiinstlern unserer Zeit und als Bildwerk zur Geschichte der Holzschneidehunst, herausgegeben von Rudolph Weigel. KErstes Hof, in 3 Blittern auf chin. Papier, auf Cartons aufgelegt nebst Text. In einer Mappe. Fol. Preis: 3 Thir. Leip- sig, Rudolph Weigel. 1851. Gleichwie man um die Mitte des vorigen Jahrhunderts mit aller Macht tiber das Mittelalter hinaus zuriickgriff in das klas- sische Alterthum, und durch ein von Winkelmann eingeleitetes gedankenvolles Studium der Antike der damals in mancher Be- zichung fast kranken Kunst eine neue Belebung und einen neuen