vor 1830 in der Literatur wie in der Kunst in Umlauf gesetzten Ideen. Die Wiedereinfiihrung des christlichen Mittelalters und der Sage in das Gebiet der Kunst, die Berechtigung des Indi- viduellen, die Herrschaft der Phantasie, die Ebenbiirtigkeit aller Gegenstande und Vorwiirfe der malerischen Darstellung — oder wie man sonst das Wesen der Romantik bezeichnen oder um- schreiben will, — dieses Alles verdankt sein Dasein denselben Anschauungen, denselben Modifikationen des 6ffentlichen Be- wusstseins, aus denen auch jene so bedeutungsvolle Revolution von 1830 hervorgegangen. Anders verhalt es sich mit der letzten politischen Umge- staltung der Dinge. Aus keinem innern Bediirfniss hervorge- gangen, isi sie eine krankhafte Zuckung vielmehr als eine regel- massige Entwicklung des Staatskérpers. Dem aussern Anschein nach grindlicher und durchgreifender steht sie an Charakter, an Bedeutsamkeit und an Wirkung weit hinter der Julirevolution aurick, Was ist die Republik und ihre Regierung im Grunde anderes, als die noch verwirrte und nach Klarheit ringende Fortfiihrung des seit Juli 1830 eingefiihrten Prinzips? Welche neuen verniinftigen, brauchbaren Ideen sehen wir, als geistige Eroberung anf die Dauer in die Welt eingefiihrt, oder befolgt im Rathe derer, die uns beherrschen? Und wie auf dem Ge~ biete des Staates, so ist es auch in der Kunst. Auch sie be- schrankt sich mit wenigen Ausnahmen darauf, auf der ета] eingeschlagenen Bahn fortzuschreiten. Und was bliebe ihr auch anderes tibrig? Wie kénnten wir, ehe nicht aus dem Schooss der kommenden Jahrhunderte neue gesellschaftliche Formen, und eine neve Weltanschauung hervorgegangen, wie kénnten wir von der Kunst erwarten, dass sie uns plotzlich Niedagewe- senes vor die Augen stelle, wenn schon seit einer Reihe von Jahren Alles Erdenkliche der kiinstlerischen Darstellung zum Gegenstande gedient, wenn die endlose Mannigfalligkeit der besondern Anschauung, — man wire versucht zu sagen: des subjektiven Geliistens, schon langst der unbeschrankten Will- kihr Thiir und Thor gedffnet haben? Demgemiss finden wir auch, wenn wir einen prifenden Blick auf die Ausstellung des Jahres 1849 werfen, welche die Kunst in den ehrwiirdigen Sitz des franzésischen Kénigthums, den Palast der Tuilerien eingefiihrt hatte, dem Inhalte nach zwischen dieser und den frithern Ausstellungen keinen wesent- lichen Unterschied; nur wie sich nicht anders erwarten liess — eine bedeutende Anzahl! von Darstellungen aus der Februar- revolution und besonders aus den grasslichen Tagen des Juni 1848, so wie die Bildnisse der damaligen Machthaber machten sich bemerklich. Belreten wir nun den Salon von 1850, der so eben er- dffnet ist, so finden wir dort cine auffallend geringe Zahl von Darstellungen aus den Zeitereignissen; dagegen, was bezeich- nend ist, mehrere Gemalde, und zwar gerade die nach Umfang und Gehalt bedeutendsten der ganzen Ausstellung, den wich- tigsten und beziehungsreichsten Momenten der ersten Revolution, dem grossen Vorbild und Ideal des jungen, umwéalzungslister- nen Geschlechtes, entnommen; ja selbst bis auf den ,,Barrika- dentag“ des 16. Jahrhunderts (9. Mai 1588) geht eines der we- niger bedeutenden Bilder zuriick. Doch diirfen wir nicht unter- lassen zu bemerken, dass gerade in Anbetracht ihres Umfangs anzunehmen ist, es seien diese Darstellungen aus der franzd- sischen Revolution schon in den Jabren 1848 oder doch 1849 beschlossen und entworfen worden. Da sich nun aber, bei einer Anzahl von 3200 Nummern (wovon mehrere drei- und vierfach zahlen) aus der Abtheilung der Malerei, die Zahl der Bilder, denen eine politische Absicht oder Bedeutung beigelegt werden kann, mit Einschluss der Bildnisse des Kaisers Маро- leon und seines Neffen im Ganzen nicht iiber fiinf und zwan- zig belauit, so lasst sich aus dieser gewiss auffallend geringen Zahl wohl schliessen, wie lebhaft und allgemein nach so kurzer Zeit schon bei den Kinstlern die Ueberzeugung geworden ist, dass eine unmittelbare Betheiligung an den Zeitereignissen und das Hereinziehen der Politik in den Kreis der kiinstlerischen Darstellung keineswegs erspriesslich sein, vielmehr auf die Schépfungskraft nur stérend und lahmend wirken kann. Eine andere Thatsache aber geht, wenn wir auf Gehalt und Werth der seit 2 Jahren ausgestellten Bilder sehen, leider nur zu deullich aus Allem hervor. Aus dem geistigen Reich der Ideen und der Vorstellungen holt der Kinstler seine Stoffe, von oben kommt ihm die Begeisterung, aber wann von aussen der Zufluss, die Aufmunterung, die Unterstiitzung fehlte, dann stocken auch die innern Quellen der Schépfungskraft. Unter der Regierung des Konigs L. Philipp war durch grosse Unter- nehmungen aller Art, besonders durch die Errichtung des histo- rischen Museums von Versailles, der kinstlerischen Wirksamkeit so reicher Stoff dargeboten und ein so weiles Feld erdffnet, dass alle Krafte in der angestrengtesten Thatigkeit erhalten wurden. Dieses Alles hérte nun mit Einem Schlage auf, und dass die Unterstiitzung, die die Republik den Kiinsten ange- deihen liess, fir das Verlorene nicht auf die Dauer entschadi- gen konnie, ist oben schon angedeutet worden und zudem leicht begreiflich. Sei es nun diese plotzlich versiegte Quelle, die so lange reichlich geflossen; sei es das mit einemmale verstummte Wort des Beifalls, der nun erloschene aufmunternde und he- lohnende Blick des kéniglichen Herrn, der so Manchem eine Ge- wohnheit und ein Bediirfniss geworden war; sei es ein innerer, verhaltener Unmuth, eine halbunbewusste Widersetzlichkeit, ein nicht zu bemeisternder Trotz; sei es das gewaltsame Heraus- reissen aus gewohnten, liebgewordenen Verhalinissen , aus lang- und tiefgezogenen Geleisen des Wirkens; sei es endlich die Muthlosigkeit und das Verzweifeln an der Zukunft, das sich vieler Gemiither bemachtigt hat; sei es die eine oder die an- dre dieser Ursachen, seien es mehrere oder alle zugleich: so viel steht fest, dass die Ausstellungen der letzten Jahre und besonders die von 1850 uns simmtliche 4lteren Meister, mit wenigen Ausnahmen, in entschiedenem Richschritt, zum Theil in tberraschender und héchst betriibender Schwache zeigen. — An diese Beobachtung schliesst sich eine andere an: Trotz einem nicht ganz unbedeutenden Nachwuchs von jungen Talenten ist namlich die Nachahmung der schon zur Anerken- nung gelangten Meister, besonders der jiimgeren, die in den letzten Jahren erst in Aufnahme gekommen sind, bei weitem haufiger als die freie und selbstandige Entwickelung einer ktinst~ lerischen Eigenthimlichkeit. Endlich sehen wir je mehr und mehr, — die Klage an sich ist schon alt, — eine spielende Behandlung, eine gewandte und geistreiche Ausfihrung, eine erstaunliche Fertigkeit der Hand an die Stelle bedeulsamer Vorwirfe, durchdachter Compositionen, erhebender kiinstleri- scher Gedanken, schéner und wirdiger Formen treten. (Fortsetzung folgt.) EAumnstiiteratur. La renaissance des arts & la cour de France par le Comte de Laborde. Tome premier, peinture. Paris срез Г. Potier. 1850. XLVITII und 563 Seiten. Von G. К. Waagen. (Schluss.) In dem zunachst folgenden Abschnitt (S. 151 — 260) giebt der Verf. urkundliche Nachrichten von solchen Malern, welche im Laufe des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts im form- {2 *