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	  befindet sich nur ein Kenotaph), gehdrt zu den bedeutenderen
dieser interessanten Bauanlagen.

Bruck an der Muhr in Steiermark besitzt an einer Seite
des Marktes eine reizende Arkadenreihe in zwei Geschossen
tibereinander. Bedeutender aber stellt sich ein anderer Bau
dieses Gebirgslandes, die ehemalige Domkirche zu Sekkau in
Obersteiermark, eine miachtige Quaderbasilika, aus der Milte
des 12. Jahrhunderts, mit norddeutschen Kirchen jener Zeit eng-
verwandt, namentlich mit Paulinzelle, Hamersleben und S. Go-
dehard in Hildesheim; die Gewilbe sind erst spater, im Anfange
des 16. Jahrhunderts, eingezogen; ein prachtiges Grabmonument
aus dem Ende desselben Jahrhunderts umschliesst die Gebeine
des Erzherzogs Carl und anderer Glieder des ésterreichischen
Hauses. Viele kleinere Kirchen der Umgegend zeigen den spat-
gothischen Styl in sehr liebenswiirdig phantastischer Ausbildung,
namenilich jene zu S. Магееп.

Schloss Wolfsburg im Lavant-Thale, einst der Sitz der
Vice~Dome von Bamberg, auf hoher Platte, im Angesichte der
Karnthner Alpen gelegen, wird gegenwirtig zerstért, um einer
kleinlichen Nachahmung von Windsor-Castle Platz zu machen,
die wieder, der schlechten Zeitumstinde wegen, ins Stocken
gerathen ist. Die benachbarte Domkirche zu S. Andra in La-
vant dirfte die jaimmerlichste der 53 Cathedralen sein, welche
Deutschland (mit den incorporirten Slavenlandern) noch aus dem
Mittelalter erhalten hat. Desto voraiiglicher ist die Kirche des
benachbarten Klosters S. Paul, das, im 11. Jahrhundert ge-
stiftet, einen ausgezeichneten Bau der Bliithezeit des romani-
schen Styls, vom Ende des 12. Jahrhunderts, zeigt, dessen Struk-
tur und reichgeschmiickten Kapiltale als Fortsetzung der einfa-
cheren Anlage von Sekkau gelten kinnen. Auch der Dom von
Gurk, obschon eine Stiftung des 11. Jahrh., gehdrt in seiner
erhaltenen Architektur erst dem Ende des 12. Jahrh. an. Von
weissem krystallinischem Marmor erbaut, der nur durch Eisen-
oxyd am Aeusseren einen braungelblichen Ton angenommen
hat, ist er, neben den beiden vorgenannten Kirchen, unter die
ausgezeichneteren Bauwerke jener an sich schon so reichen
Periode in Deutschland zu rechnen. Die Kirche selbst eine ein-
fache Pfeilerbasilika. Unter dem hoheu Chor befindet sich je-
doch eine Krypta mit hundert Sadulen, welche vielleicht von
keiner anderen, weder in Deutschland, noch im tibrigen christ-
lichen Occidente iibertroffen wird. Nicht minder ausgezeichnet
ist das reichgegliederte Portal innerhalb einer Vorhalle, deren
Wande und Gewdélbe mit alien Wandmalercien ganz bedeckt
sind, die nur noch durch die Wandmalereien des ehemaligen
Nonnenchors, oberhalb dieser Vorhalle, tibertroffen werden,
welche sich daselbst an den Seitenwanden und zweien Kuppel-
gewélben befinden. Sie gehéren schlechthin zu dem Bedeu-
tendsten, was wir der Art besitzen, und schliessen sich zu-
nichst den bertihmlen Wandmalereien des Doms in Braun-
schweig an.“

Die genannten drei Basiliken, welche fir die Zukunft eine
nicht unbedeutende Stelle unter den alteren Monumenten Deutsch~
lands einnehmen werden, waren bisher noch so gut wie vdllig
unbekannt. Selbst in Wien war es dem Referenten nicht ge~
lungen, nahere Nachrichten tiber das Vorhandensein Alterer
Bauwerke in Steiermark und Karnthen bei denjenigen Mannern
einzuziehen, bei denen vorzugsweise eine solche Kenntniss vor-
auszusetzen war. Beilaiufig mége noch bemerkt werden, dass
in dem so verdienstvollen Sprunnerschen Atlas falschlicherweise
Sekkau bei Leibnitz in Untersteiermark als Sitz des Bischofes
hezeichnet ist, anslatt des in Obersteiermark belegenen; jenes
Sekkau oder Sekkauberg war nur der gewéhnliche Wohnsitz
	der Bischofe.
Hierauf legte der als Gast anwesende Herr Gruner aus
	dergabe der Formbildungen anerkannt werden. Von dem an-
stossenden Schlosse daselbst fehlt es: selbst nach dem Erschei-
nen des Puttrich’schen Werkes, noch immer an geniigenden
Darstellungen, was um so mehr zu bedauern ist, da dasselbe,
nichst dem Marienburger Schlosse, wohl als die bedeutendste
Fiirstenwohnung anzuerkennen sein dirfte, welche Deutschland
aus dem Mittelalter besitzt. Wie herrlich mtissten diese Riume
sich darstellen, wenn sie von den Hin- und Anbauten der
Porzellanfabrik befreit, ihrer urspriinglichen Bestimmung zu-
riickgegeben wiirden! Solche Hoffnungen darf man wohl von
einem Konigshause erwarten, dessen prasumtiver Thronerbe
selbstthitig an der Spitze des verdienstvollen Alterthums- Ver-
eins steht.

Unter den Bauwerken der Lausitz wurden besonders die
grossartigen Ruinen des Klosters auf dem Oybin bei Zittau
und die vielen und reichen Monumente von Gérlitz hervor-
gehoben, namentlich die finfschiffige S. Peter-Paulskirche da-
selbst, deren drei mittlere gleich hohe Schiffe zu den héchsten
Aniagen der Art mit iiberaus schlanken Zwischenpfeilern gehd-
ren, denen sich die drei gleich hohen Schiffe der Pfarrkirche
gu Sorau sehr nahe anschliessen. Auch die leichten Verhalt-
nisse der drei gleich hohen Schiffe des Doms zu Bautzen
wurden hervorgehoben.

„т Schlesien frappirt der Unterschied des Materials. Wah-
rend der Steinbau in dem stidwestlichen Striche lings des Ge-
birges herrscht, gehért der gréssere ebene Theil des Landes
dem Gebiete des norddeutscheu Ziegelbaues an. In beiden fin-
det man hochaufstrebende Verhaltnisse, namentlich in den vielen
und schénen Kirchen Breslaus, welche durchgehend dem Zie-
gelbau angehéren.

Olmiitz, die ehemalige weliliche und jetzt noch geistliche
Hauptstadt Maihrens, bewahrt, unter der Menge moderner Bau-
werke, noch das nur kleine Schiff seines Domes in frihgothi-
scher Bauweise, wahrend der moderne Chor ein einziges Ton-
nengewélbe von 60 Fuss Spannung bildet und daher zu den
bedeutendsten Bauwerken der Art in Deutschland gehért. Die
Mauritz-Kirche ist ein eleganter spatgothischer Bau.

Wien besitzt neben dem mit Recht beriihmten S. Stephan
noch eine Reihenfolge beachtenswerther Kirchen des Mittelal-
ters, unter denen, ausser Maria Stiegen, welche sich auch
eines verdienten Rufs erfreut, besonders die Michaeler Kirche
als eine ausgezeichnete spdtromanische Uebergangs ~ Architektur
hervorzuheben ist, die Minoritenkirche durch die Weite ihrer
drei gleich hohen Schiffe, die Augustiner Hofkirche durch de-
ren schlanken Verhiltnisse u. s.w. Auch die Umgebung Wiens
enthalt zu Kloster Neuburg, Heiligenkreuz, Tuln u. s. w. viele
héchst merkwirdige Architekturen, namentlich auch der rund~
bogigen und altgothischen Baukunst, von denen nur Einzelnes
durch wiirdige Publikationen im weiteren Kreise bekannt ge-
worden ist; denn leider ist das schéne Werk von Ernst und
Oescher tiber die alten Bauwerke Niederdsterreichs durch des
Letzteren friihzeitigen Tod in Stillstand gekommen. Dagegen
wird die Vorsorge mit Freuden begriisst, welche nunmehr die
kaiserliche Regierung, in Nachfolge der preussischen, durch
Errichtung einer besonderen Behérde zur Conservation der Kunst~
denkmaler, den letzteren kinftig wird angedeihen lassen.

Recht bedeutend sind die alten Bauwerke in Neustadt an
der Wien. Die Pfarrkirche, welche mehrere Jahrhunderte hin-
durch selbst den Rang einer Cathedrale genoss, zeigt in ihren
Haupttheilen einen spitzbogig rumanischen Gewélbbau mit zwei
Thiirmen, deren in Stein vollendete Spitzen zu den vollende-  
teren in Deutschland gehéren. Auch die tiber der gewélbten
Durchfahrt des Schlosses gelegene spatgothische Schlosskapelle,
in welcher die Gebeine des Kaisers Max ruhen (in Inspruck