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	Zeitung
fiir bildende Kunst und Bankunst.
	Organ

der deutschen Kunstvereine.
	Unter Mitwirkung von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfur’ — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Minchen — Hitelberger v. Edelberg, in Wien
	redigirt von Dr. F.. Eggers in Berlin.
	J 14, Sonnabend, den 5. April. 1851.
	 

 

   
	Die Fortbildung der Baukunst und die Preisaufgabe der
Wiinchner Akademie.
	Drei Punkte stellen sich, nach unserer Ansicht, als die
Ausgangspunkle fir die kimstlerische Fortbildung der Archi-
tektur dar. Ihre gegenwarlige Bedeutung in Betracht zu neh-
men, ist gewiss nicht ohne Interesse. Diese Punkte sind:

die heilige Tradition;
das Material und die technische Construction;
das asthetische Vermachtniss.

Die heilige Tradition, mehr oder weniger symbolischen
Inhalts, ist fir friihere, naive Kunstepochen von wesentlichster
Bedeulung gewesen. Auch in neuerer Zeit hat man an dieselbe
wieder anzuknipfen versucht. Man hat die altchristliche Basi-
lika, als die primitive Grundlage der christlichen Architektur,
man hat die héchste Entfaltung der lelztern in der Epoche des
sogenannt gothischen Baustyles (und zwar in dessen franzési~-
scher primitiver Ausbildung der Zeit um das Jahr 1200) als
die festen Grundpfeiler fiir dic kinstlerische Bethatigung uns-
rer Tage hingestellt. Es bedarf indess des Nachweises daritber
nicht, dass die neueren Jahrhunderte einen grossen Bruch mit
der Tradition herbeigefiihrt haben, und es steht in Frage, wie
weit jenes erneute Anknipfen sich als lebensfihig erweisen
wird. Jedenfalls ist dies Verhaliniss ein wesentlich verschie-
denes von dem der alten Zeiten (der christlichen wie der vor-
christlichen), in denen die Tradition ungebrochen giltig war;
ihre Bedeutung liegt dem Bewusstsein des Volkes nicht mehr
vor und miisste daher ebenso erst zuriickerobert werden, wie
fir neue heilige Zwecke (z. B. fiir die mannigfach versuchte
Gestaltung der protestantischen Kirche) die traditionell gtiltige
Grundform noch erst festzustellen ware. Wir sind, selbst
heute, nicht gewillt, die Tradition zu verlaugnen; aber sie kann,
wie die Dinge stehen, héchstens nur einen vereinzelten, be-
dingten Einfluss auf die mégliche Fortbildung der architektoni-
schen Kunst haben.

Der Einfluss des Materials und der technischen Construc-
tion auf die kinstlerische Gestaltung der Architektur ist auch
nur ein bedingter, aber er muss sich, in dieser seiner Bedingt~
heit, zu allen Zeiten und unter allen Umstanden auf gleiche
Weise geltend machen. In dem Material und in der Weise
seiner Verwendung liegt dic Realisirung des ktnstlerischen Ge-
dankens, in seinem Gesetz die Vernunft des archilektonischen
	IJ, Jahrgang.
	Werkes eingeschlossen. fis giebt zwar Kunststticke, die auch
das Constructionswidrige méglich machen; aber der natiirliche
Sinn fihlt sich unwillkirlich von ihnen zuriickgestossen. Der
kiinstlerische Gedanke kann mit diesem Bedingniss seiner Er-
scheinung tiberall nur Hand in Hand gehen; ja, er ist eigent-
lich nur ein idealer, ein freier Ausdruck dessen, was in dem
Naturgesetz noch geistig gebunden erscheint. Das letztere ist
daher geeignet, ihm die wesentlichste Anregung zu geben, der
materielle Ausgangspunkt daher der entschiedensten Bertick-
sichtigung werth. In diesem Betracht aber liegt in unsrer Zeit,
in den mannigfachen Nitzlichkeitsbauten, die stels neue und
neue materielle Combinationen hervorgerufen haben, wahrhaft
Staunenswerthes vor. Das Eisengerippe des ungeheuren Indu-
strie - Ausstellungs-Gebaudes in London steht wie ein Natur-
wunder vor unsern Augen, und es geht wie eine machtige Ah-
nung kinftiger ktinstlerischer Erscheinungen durch unsre Brust,
wenn wir die slarren Formen, die hier der trockne, aber frei-
lich riesige Calctil verbunden hat, geistig belebt, das heisst:
wenn wir die Naturkraft, die in ihnen waltet, in ihrer Erschei-
nung ebenso lebendig dargestellt und gegliedert denken, wie
der Steinbalkenbau in der griechischen, der Kreuzgewdlbebau
in der germanischen Architektur (in beiden freilich den son-
stigen Zeitbedingnissen entsprechend) kiinstlerische Belebung
gefunden hat.

Es kommt schliesslich eben auf den kiinstlerischen Geist
an, der die Gabe des Himmels ist. Aber Gott sendet den Kiinstler
nicht wie einen gewappneten Erzengel auf die Erde; es ist nur
der Keim, den er in die Brust des Menschen gelegt hat und
der genahrt und gepflegt, mit Weisheit auferzogen und mit sinn-
vollem Verstindniss ausgebildet sein will. Diese Ausbildung
empfaingt er, zumal was die ideale Kunst der Architektur an-
betrifft, durch die Anschauung und kinstlerische Durchforschung
der Werke, dic im Laufe der vergangenen Jahrhunderte ent-
standen sind, Dies ist jenes asthetische Vermachtniss, dessen
Besitzergreifung erst ihn in Wahrheit befahigt, sich auf die
Hohe seiner Zeit zu stellen. Er hat die Stylgesetze der ver-
schiedenen Epochen der Kunst sich klar zu machen, um 2u
lernen, wie die materielle Aufgabe aus ihrer dumpfen Starrheit
zu lésen, geistig zu beleben und in dieser Belebung zu glie-
dern, wie dem geistigen Bediirfen der Zeit durch solche Bele-
bung des materiellen Problems der volle wahrhafte Ausdruck
	zu geben ist, — um die ktinstlerische Formensprache zu ler-

nen, aber nicht als ein zufalliges Conglomerat zufalliger Regeln,
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