‘seiner Bestimmung und dem Geiste unserer Zeit gemass, nach
raumlicher Anlage wie nach seiner materiell-formellen Durch-
fithrung alles Frostige, Schwerfallige, Diistere und Strenge ver-
mieden, dem leichten und heiteren Schwunge der Formen und
	Verhaltnisse dagegen ein weites Feld der Entwicklung darge-
boten sein mége.
	Programm zu einem Bauplane ftir eine hoéhere Bil-
	dungs- und Unterricnts-Anstalt una der dabei zu be-
riicksichtigenden Anforderungen und Bedingungen.
	Lweck der Anstalt.
	Е. Zwei Gebaude zu Turn- und Schwimmibungen, —
a. Die Turn-Anstalt mit einem Saal fir die Winteribungen. — b. Die
	Schwimmschule mit einem allgemeinen Bade und mehreren einzelnen
Badern.
	Anmerkung. Die Schwimmschule muss vom Hauptgebaude ganz getrennt
	ап den Fiuss zu hegen kommen, welcher am Fusse der Anhdhe, auf
welcher das Hauptgebdude, voriberfliesst.
	Hy. Hilfsmitte! zur Ausarbeitung der Plane.
	Um die gehdrige Ricksicht auf die Lokalverhaltnisse bei der Aus-
arbeitung der Plane nehmen za kénnen, werden: a. ein Situationsplan.
— hb. mehrere Querprofile von dem Bauplatze, dann — c. ein Umriss
der landschaftlichen Umgegend beigelegt und bemerkt: dass zu dem Bau
nicht nur Backsteine, sondern auch Sandsteine von griinlicher, gelb-
	licher und blaugrauer Farbe, sowie Marmor уоп уегзсшедепагИсег
Farbung hbeniitzt werden kénnen.
	ГУ. Ausarbeitung des Projekts.
	Das Projekt soll so vollstandig ausgearbeitet sein, dass kein Haupt~
(Вей eines Gebdéudes fehle und nach den Plinen die Bauten ausgefihrt
werden kénnen. Es sind daher die néthigen Grundplane, Durchschnitte
und Fagaden anzufertigen, und die Hauptraume im Innern der Gebaude,
sowie einzelne besonders kiinstlerisch ausgestattete Gegenstinde mit
ihrer Farbenausschmitckung in geniigend grossem Maasstabe darzustellen.
	У. Zeit und Art der Plane-Hinsendung,

Die zur Concurrenz bestimmten Bauplane sind bis spatestens den
31. Juli 1851 an die kdnigliche Akademie der bildenden Kimste in
Miinchen einzusenden und mit einem Motto zu versehen, welches auch
auf der Adresse eines versiegelten, den Vor- und Zunamen, Aufent-
halts- und Geburtsort, sowie den Stand des Kiinstlers enthaltenden
Zettels wiederholt sein muss, der als Hinschluss eines annonymen oder
unterzeichneten Briefes unter der namlichen Adresse einzusenden ist.
-—— Die nach der bestimmten Zeit, ohne Motto und ohne Begleitungs-

schreiben einlaufenden Arheiten werden unberiicksichtigt und ohne Ent-
richtung des Porto’s wieder zuritckgesendet.
	VI. Grosse der Preise.
	Die in Rede stehende Bildungs- und Unterrichtsanstalt soll dazu
bestimmt sein, junge talentvolle Leute fir den héheren Staatsdienst vor-
zubereiten, und wirde insofern, sowohl was die Gegenstande als was
die Behandlungsweise des Unterrichts betrifft, ein Mittelglied zwischen
dem Gymnasium und der Universitat bilden.
	li, Bedarf der Anstalt in raumlicher und banticher
Beziehung.
	Die Anstalt bedarl:
A. Ein Hauptgebaude. — In demselben sind unterzubringen:
	9 Studiersile, jeder fir ZO №3 29 БейШег ‘ип етеп Prafekten. —  
	5 Schlafséle, jeder mit <0 bis 2o Zellen fiir die Schiller, und mit einer
Zelle fir den Prafekten. — 8 Horsile, die 5 gréssten fir mindestens
20 bis 25 Schiler berechnet. — 1 Musiksaal. — 1 Versammlungs-
saal fir mindestens 100 bis 125 Schiller, mit Sitzen und Stehplatzen,
vielleicht auch mit Galerien fir ein zuschanendes Publicum bei 6ffent-
lichen Rede-Akten und musikalischen Auffihrungen der Schiller. —
1 Bibliothekzimmer von wenigstens 20/ Breite und 40/ Lange. — 1 Na-
turalienkabinet mit 3 Raumen, von der Grésse der Bibliothek. — 1
Speisesaal far mindestens 100 bis 125 Schiiler und 5 Prafekten. —
1 Касне nebst Holzlege. — 1 Speisekammer. — 2 Zimmer zur Woh-
nung fir den Koch. — 1 Kieiderkammer. — 1 Leinwandkammer. —
2 Zimmer nebst sonstigem Gelass und Kiche fir den Hausmeister. —
1 Zimmer fir den Hausknecht. — 1 geradumiges Stiegenhaus,
geraumige Gange und Abtritte.

Anmerkung. Der Versammlungssaal, der Speisesaal und das Stiegenhaus

sind obne Ueberladung mit plastischen Bildwerken und farbigen Deco-
rationen zu schmicken.

Ausserdem ist mit dem Hauptgebaude eine geraumige, zur Aufnahme
von mindestens £0 grésseren und kleineren historischen Oelgemalden
bestimmte Halle oder ein Saulengang in Verbindung zu bringen, der
den Zéglingen bei schlechtem Welter und im Winter zugleich zum
Unterhaltungsplatz dienen und so angelegt sein soll, dass er ohne Sté-
rung der Z6glinge auch dem Publikum auganglich und die darin auf-
gestellten Bilder gegen alle Einflisse der Witterung geschiitzt sind.
	Anmerkung. Die 30 grésseren Bilder werden 12 Fuss, die tbrigen
kleineren 6 bis 9 Fuss lang sein bei verhaltnissmassiger Hohe.
	В. Drei Nebenbauten. —- 1. In dem einen sollen enthalten
sein: a. Die Wohnung des Direktors der Anstalt mit 7 oder 8 heiz-~
baren Zimmern, einer Kiiche, einer Speisekammer, Holzlege und Abtrilt.
-- ), Die Wohnung des Inspektors der Anstali mit 5 bis 6 heizbaren
	Zimmern, Kiiche, Speisekammer, Holzlege und Abtrilt. — ©. ‘Won-
nungen fir 4 Lehrer, jede von gleicher Raumlichkeit wie die des In-
spektors. — d. Drei Zimmer far die Wascherin der Anstalt und das
	anderweitig ndthige Dienstpersonal.
9. In dem zweiten haben sich zu befinden: a. Eine Werkstitte

a Arbeiten in Holz und Eisen. — b. Eine Modellkammer. — c. Ein
Laboratorium fir chemische und physikaliche Versuche.

3. Der dritte Nebenbau ist zu einer Kirche bestimmt. Da diese
Kirche zugleich fir den Gebrauch der nachsten Anwohnerschaft bei der
Anstalt dienen soll, so ist der innere Raum far mindestens 1000 Per-
sonen 2u berechnen.

C. Vier Oekonomie-Gebaude, namlich: a. ein Wasch-
haus. — b. eine Gartnerwohnung. — c. ein Gewachshaus. — d. eine
Holzniederlage.

р. Erholungsplatze und Garten. — Gerdumige Hofe und
Garten mit schattigen Laubgangen und Baumalleen, — Ein Gemiisegarten
fir den Bedarf der Anstalt.
	Es werden drei Preise gegeben, und zwar: der ersle zu 4000 FI.
— der zweite zu 2000 Fl. und — der dritte zu 1500 FL
	Vil. Anderweitige Bestimmungen,
	Die preiswirdigen Plane werden Eigenthum des Preisgebers, und
die Verfertiger verlieren das Beniitzungsrecht. Die tbrigen Plane gehen
an die Verfertiger unbeniitzt zurick. Zur Erlangung des ersten Preises
gehért die Hinstimmigkeit des Schiedsgerichts, zur Erlangung der beiden
andern Preise Stimmenmehrheit desselben. Zu dem Schiedsgericht werden
Maoner von unparteiischer Stellung, und zwar der Mehrzahl nach aus
dem Kreise der Architekten, sowie sachverstindige Kunstfreunde be-
rufen werden. Wilhelm v. Kaulbach, Direktor.

Professor Dr. R. Marggraff, Sekretar. «
	Dieser Hinladung liegt noch ein lithographirtes Dokument
bei, welches also Jautet:

»ln der heutigen Architektur zeigt sich ein Schwanken
zwischen der s. g. klassischen — griechischen und rémischen
— und der romanischen Bauart. An dem einen Orte herrscht
dieser, an dem andern jener Styl vor; selten findet man aber
die verschiedenen Baustyle in ihrer Reinheit wiedergegeben:
dabei ist ein Streben nach Modifizirung des Dagewesenen und
nach Aufstellung neuer Formen sichthbar. Dieses Streben scheint
jedoch in ziemlich unsichern Bahnen sich zu bewegen, seines
Ausgangs- und Endpunktes sich nicht klar bewusst.

Dem Menschengeiste ist es Bediirfniss, in Allem, so auch
in der Baukunst nicht bei dem Alten stehen zu bleiben, sondern
stets. nach Neuem zu trachten. Die architektonische Aufgabe
unserer Zeit ist es, den Weg dazu zu finden, also nicht das
schon Dagewesene vollkommen oder unvollkommen nachzuahmen,
sondern méglichst Neues zu schaffen und eine neue Bauart zu
	linden. .
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