verstindlichen Ausdruck fande, in dem die Ideen und Bestre-
bungen der Gegenwart sich verkérpert sahen, bei welchem die
Erfahrungen der seitherigen Architektur, die Vorschritte der
Technik, das erweiterte Feld des Materials trefflich bentitzt
ware, miisste von den wirksamsten Folgen auch fiir die ent-
ferntere Zukunft der Baukunst sein.

In dem in Frage stehenden Gebiude misste ein gewisser
Schwung und der den Zweck desselben aussprechende Charakter
liegen, darum alles Frostige, Schwerfallige, Strenge hiebei ver—
mieden werden.

Die Aufgabe ist es, dass der Baumeister sich mit voller
Freiheit aller vorhandenen Baustyle und ihrer Ornamentik be-
dient und diese Elemente zu einem originellen, schénen, orga-
nischen Ganzen gestaltet, und zwar so, dass die zu wahlende
Bauart keinem der schon bestehenden Baustyle speziell angehért.*

Es ist uns doch ein wenig bedenklich vorgekommen, dass
— gleichviel ob heutzutage méglich oder nicht — jenes er-
sehnte Neue mit Bestimmtheit als conditio sine qua non gefor-
dert wird, dass also, um es einfach auszudriicken, zu den Ar-
chitekten gesagt wird: ,,Erfindet einen neuen Ваз“. Hatte
man einfach gesagt, man schreibe keinen bestimmten Styl vor
und werde auch den etwa dargestellten neuen, niemals dage-
wesenen nicht bloss anerkennen, sondern ebenmissig und gern
mit zur Beachtung ziehen, so ware die kiinstlerische Freiheit
weit mehr gewahrt gewesen, als hier, wo man durch die ge-
botene Freiheit, alle Style zu benutzen und nur den einen vor-
zugsweise zu beriicksichtigen, so ausserordentlich bindet. Es
ware dann wirklich ein Stick Frage an das Schicksal gewesen,
ob eben heute das Genie von Gottes Gnaden irgendwo unter
den Architekten steckt; sie waren alle zu der beneidenswerthen
Aufgabe gerufen worden, die ihnen so selten zu Theil wird,
vollig kiinstlerisch frei und ohne Riicksicht auf einen Bauherrn
zu schaffen. Das einzig Bindende wire das Gesetz der Schén-
heit gewesen, welches bei jedem Kunstwerk und das der
Zweckmissigkeit, welches bei jedem Bauwerk gilt. Die schéne
Absicht, dem kiinstlerischen Schaffen freien Raum zu geben,
und dasselbe durch keinerlei Wunsch und Bestimmung zu be-
irren, um zu sehen, ob das Kunstvermégen unserer Zeit, ein
Wesen, das sich doch einmal nicht zwingen lasst, einen neuen
gtossen Wurf thun werde, wire erfiillt gewesen.

Das Richtige lag hier unendlich nahe bei dem Verkehrten.
Sobald man sagte: ,,Versucht auch, ob Ihr das neue @е-
setz finden kénnt“, so war die Aufgabe herrlich und werth,
dass sich Alles daran machte, was Schépferkraft in sich spiirt.
Sobald man aber sagt: ,,Ihr sollt das neue Gesetz finden“, so
war es verfehlt, zumal wenn iman hinzufiigen zu kénnen meint:
„50 und so wird’s gefunden“.
	Pariser Kunstausstellung von 1850—5351.
	(¥ortsetzung.)
	Zur Erreichung dieses Zwecks soll eine freie Preisbewer-
bung hiemit eréffnet sein.

Als Vorwurf diene die Anfertigung eines Planes fir eine
Unterrichts-Anstalt nach beiliegendem Programme. Die Ge-
hiude selbst, so nehme man an, wiirden auf eine ziemliche
Anhéhe zu stehen kommen, deren Vorderseite von einem Flusse
besptilt ware.

Wir leben nicht mehr in der Zeit des unbewussten, пашг-
nothwendigen Schaffens, durch welches friiher die Bauordnungen
entstanden, sondern in einer Epoche des Denkens, des For-
schens, der selbstbewussten Reflexion. Zur Lésung der be-
sprochenen Aufgabe wird es vielleicht hier am Orte sein, auf
die Momente hinazudeulen, welche auf die Architektur der ver-
schiedenen Lander eingewirkt und noch einwirken.

Zunichst ist das Klima von grossem Einflusse auf den Cha-
rakter der Architektur, hienach das Material. Ob ein Land von
Gebirgen durchschnitten, welche z. B. den Marmor woblfeil lie-
fern, oder tiberhaupt nur beniitzen lassen, ob Steinbriiche einen
guten und schénen Sandstein geben, das Alles bedingt einen
erheblichen Unterschied in den Werken der Architektur.

Materiell und zugleich geistig wirkt die Physiognomie der
Lander. Die Anschauungsweise und Bauart der Gebirgsbe-
wohner ist eine andere, als die der Flachlainder.

Als rein geistiges Moment, das auf die Architektur Ein-
fluss hat, steht obenan der Geist der Zeit, in welcher die Bau-
werke entstehen. Als die Grundideen unserer Epoche kann
man theilweise bezeichnen das Streben nach Freiheit, freier
Entwicklung und zwangloser Uebung aller physischen und mo-
ralischen Krafte, Ideen, welche auch in der Architektur ihren
Ausdruck zu finden verlangen. Die politischen und sozialen
Verhiltnisse, welche ganz besonders den Unterschied der Bau-
werke der Zeit nach begriinden, sind andere geworden, und
lassen ganz andere Bauwerke, als frtiher, entstehen.

Der heutigen Architektur steht iiberdiess noch die ganze
Errungenschaft der Vergangenheit an Vorbildern und Technik
aur Verfiigung. Ein geschickter Baumeister wird sich der vor-
handenen Bauformen, der klassischen sowohl, als der roman-
tischen, der geraden Linie, des Rund~ und Spitzbogens mit
ihrer Ornamentik in voller Freiheit zur Befriedigung der Gegen-
wart bedienen und sie zu einem originellen, schénen, organi-
schen Ganzen verbinden. Sollte es nicht gelingen, wie seiner
Zeit der Renaissance-Sty! sich aus den damals bekannten Slylen
entwickelte, so auch jelzt eine neue Bauart zu finden? — Die
Pflanzen- und Thierwelt eines Landes bietet manches eigen-
thiimliche Element zur Ornamentik dar, ein neues desgleichen
die frither unbekannte Hervorbringung der mannigfaltigsten For-
men und Farben im Glase, sowohl zur Ueberwélbung, als Wand-
verzierung vorziiglich tauglich. Die Handhabung des Gusseisens
stellt dem Architekten gleichfalls ein neues, konstruktives Ele-
ment zur Verfigung.

Eine scharf ausgesprochene Anforderung der Gegenwart
an die Baukunst ist die Verbindung praktischer Zweckmissigkeit
mit moéglichster Kostenersparniss. Der Charakter einer zeitge-
massen Architektur muss daher sein: praktische Zweckmassig-
keit, Comfort des Lebens, Einfachheit und Schénheit nach der
gegenwartigen Ausbildung der Technik, verbunden mit dem
moglichsten Haushalte in den Mitteln.

Da ferner die Gegenwart nach prignanter Ausbildung und
Gestaltung der Nationalitat strebt und nachdem es sich darum
handelt, ein Gebaéude in Deutschland herzustellen, so wird es
zweckmassig sein, auch das Prinzip der altdeutschen s. g. go-
thischen Architektur nicht ganz aus den Augen zu verlieren.

Die Herstellung cines Bauwerkes, in welchem das Ganze
und Charakteristische der Zeit so recht unverkennbar seinen
	АШ dem Gebiete der religioésen Malerci ist des Hervor-
ragenden wenig vorhanden. Damit soll aber — im Voribergehen
sei es bemerkt — keineswegs gesagt sein, dass das Feld der
kirchlichen Malerei gegenwarlig in Frankreich wenig oder mit
geringem Erfolge angebaut werde; im Gegentheil sind bedeu-
tende Werke der Art im Entslehen, andere in den letzten Jah-
ren erst vollendet worden; ihrer Natur nach sind aber diese
monumentalen Schépfungen von grossem Umfang, grésstentheils
Wandmalereien, von den jahrlichen Ausstellungen ausgeschlos-
sen. Ausserdem fehlen auch dieses Jahr die Namen der mei-
sten Kiinstler, die sich in diesem Fache ausgezeichnet haben,