so wie mehrere von denen, die an der Spilze der Historien-
matlerei stehen oder tiberhaupt die ernste Kunst vertreten: In-
gres, der, seinem Schwur getreu, seit 20 Jahren sich, ein
zirnender Heros, in sein Zelt zuriickgezogen hat, und seine
Triumphe bei verschlossenen Thiiren feiert; P. Delaroche,
der auch seit angen Jahren nicht mehr vor das Publikum getreten
ist; Ary Scheffer, der nur je nach langen Zwischenraumen
erscheint; Léon Cogniet, V. Schnetz, Picot, Gleyre,
Abel de Pujol, Maréchal und Andere.

Ein Kiinsiler dagegen, der, rastlos thatig, troiz der gros-
sen Arbeiten, die ihn bestaindig beschaftigen, seit vielen Jahren
fast regelmassig auf jedem Salon erschienen ist, und mit stoi-
scher Gelassenheit Lob und Tadel tiber sich ergehen lisst, ist
Eugéne Delacroix. Auch dieses Jahr wieder sind finf Bild-
chen von ihm ausgestellt, allerdings in kleinem Maassstab und
in skizzenhafter Ausfithrung. Wer die Geschichte der neueren
franzésischen Malerei auch nur oberflichlich kennt, der weiss,

dass dieser Kiinstler, gleichwie Ingres, an der Spitze einer ent-
schiedenen kiinstlerischen Richtung stehend und sie vertretend,
mit diesem Letzleren das Loos theilt, ungemessenen, ja fanatischen
Beifall, und in demselben Maasse biitern und leidenschaftlichen
Tadel erfahren zu haben und noch zu erfahren. Das Eingehen
auf die Parallele kann nicht in meiner Absicht liegen, und kaum
gestattet mir der Raum auf einige Hauptztige des kinstlerischen
Charakters von Delacroix einzugehen. Eug. Delacroix, der kiihne
Vorkampfer der romantischen Richtung, hat seit seinen ,Mord-
scenen von Scio“, die im Jahre 1824 erschienen, in der Ma-
lerei das wurden, was Notre Dame de Paris in der Literatur,
mit unermiidetem Eifer fortgewirkt und durch zahllose Schd-
pfungen, durch Wort und sogar durch Schrift einen unberechen-
baren Einfluss auf den Geschmack und die kiinsltlerische An-
schauung unserer Zeit ausgetibt. Es ist keine Gattung, die er
nicht versucht, kein Stoff, den er nicht bewaltigt hdatte; von
den ,elysdischen Feldern*, einer grossen, an Schénheiten
aller Art reichen Composition, die er in der Kuppel des Bi-
bliotheksaales im Luxemburg —-Palast ausgefihrt, bis herab zu
Seestiicken und zwei grossen Blumenbildern und Stillleben, die
er voriges Jahr ausgestellt, ist ihm Alles gelungen; alle Lan-
der und alle Himmelsstriche hat er im Geiste durchwandert;
Griechenlands und Roms Geschichte, das Miltelalter, die Gegen-
wart, Alles ist ihm zinsbar; das Alte und das Neue Testament,
Dante, Shakspeare, Géthe, Byron, Walter Scott sind die rei-
chen Fundgruben, aus denen er das lautere Gold der Poesie
zu Tage fordert. Nichts kommt der Lebhaftigkeit seiner Ein-
bildungskraft gleich, nichts der Gewandtheit, mit der sein Geist
jedem Stoffe die darstellbare, die ergreifende, die grosse und
bedeutungsvolle Seite abzugewinnen weiss. In seinen Bildern
ist Alles Leben und Bewegung, der Ausdruck ist sprechend
und wahr, die Charaktere sind wirdig, die Stellungen unge-
sucht und angemessen. Dazu kommt — die hervorragendste
Seite seines Talentes — eine harmonische, gesiltigte, kraft-
volle Farbung von unbeschreiblichem Reiz und von magischer
Wirkung, so dass das Auge mit Lust auf seinen Bildern ruht —
eine Farbung, deren grosse Eigenschaflen jedem seiner Gebilde
Styl und Haltung verleihen. Dabei ist Delacroix, trotz mancher
zerstreulen Anklange an P. Veronese, an Rubens und van Dyck,
doch ganz und gar er selber, urspriinglich verschieden von
allem Dagewesenen. Verschweigen wir nun aber auch nicht
die Schatienseiten, die Flecken, die diesen glinzenden Verein
von Eigenschaften verdunkeln und fiir die iiberwiegende Mehr-
zahl der Beschauer die Bilder dieses Meisters ungeniessbar ma-
chen. Es sind diese: eine auffallende unverantwortliche Ver-
nachlassigung der Zeichnung, eine zurtickschreckende Hasslich-
keit der haufig allerdings nur angedeutelen Képfe; stérende
	Verstésse gegen die Verhaltnisse der Glieder zum Kérper; un-
gestalte Hinde und Fiisse; eine immer wiederkehrende Manier
im Zeichnen der meist gleich Krallen gekriimmten Finger; end-
lich eine bald unsaubere, bald gequalte Ausfiihrung. Alle diese
Fehler finden sich denn auch im Uebermaasse in den fiinf Bildchen
der diesjahrigen Ausstellung: ,Auferweckung des Lazarus“;
»barmherzige Samaritaner“; , Lady Macbeth* (schlafwandelnd) ;
» Giauer“ (nach Byron), und das ,Aufstehen*. Dieses letzte
stellt ein blondgelocktes Madchen vor, in tippiger Fille der
Jugend prangend, unbekleidet in ihrem Spiegel sich heschauend,
hinter welchen der Versucher, Satan in eigner Person, lauert,
und ist, abgesehen von der poctischen Idee, auch in der Aus-
fihrung befriedigend und, wie immer, von prachtvoller Firbung.
Von reicher, harmonischer Farbenwirkung ist auch die , Auf-
erweckung des Lazarus“. Die tibrigen aber sind, trotz gros-
ser Eigensehalten, von der Art, dass ich, bei einer vielleicht
aus obiger Schilderung nicht undeutlich hervorgehenden Vor-
liebe und Bewunderung fir den Meister, sie gegen die nur 2u
haufig darauf gemachten Angriffe zu vertheidigen keineswegs
den Muth fihle und frei bekenne, das. ich solche unreife Skiz-
zen lieber in der Werkslatte des Kiinstlers, als den Augen des
Publikums vorgefiihrt und der Kritik preisgegeben sehen michte.

Neben Eug. Delacroix steht, nicht minder berihmt als die-
ser, ihn sogar tiberragend in der Gunst des Publikums und der
Liebhaber und Kaufer, ihm vergleichbar an Einfluss auf die
Schule, an Allscitigkeit des Talentes und an poetischer Dureh-
dringung des Gegenstandes, Decamps, der dieses Jahr nicht
weniger als neun Bilder und eine Zeichnung ausgesiellt hat.
Diese letztere, schon 1843 entstanden, stellt , asiatisch -tirki-
sche Reiterei, einen Fluss durchwatend,“ vor, und ist mit einem
Worte ein Meisterstiick. An Stylgefithl, an Adel der Auffas-
sung, an malerischer Wirkung den neun Zeichnungen aus der
Geschichte Samson’s, der , tiirkischen Schule“ und der ,Cim-
bernschlacht“ vergleichbar, zeigt diese Zeichnung den Meister
auf dem Gipfel seiner Kraft, und steht bedeutend hdher als
seine diesjahrigen Gemalde, die uns leider auch wieder ein
schénes Talent zeigen, mit dem es zur Neige geht und uns
auf einen schwer zu ersetzenden Verlust vorbereiten. Das wich-
tigste und grdsste der ausgestelllen Bilder, Eliezer und Rebecca
am Brunnen vorstellend, ist auch schon 1847 entstanden und
also der Zeit nahe, wo Decamps, seines Pinsels noch Meister,
mit Feinheit und Scharfe zeichnete und mit Sorgfalt und Zier-
lichkeit ausfithrte. Im Vordergrund des Bildes dehnt sich, von
iippigen Pflanzen beschatlet, eine wasserreiche Quelle hin, aus
welcher ein Madchen, sich biickend, Wasser schopft. Auf dem
iiber der Quelle erhéhten Erdreich, im Mittelpunkte, stehen
der Diener Abraham’s und Rebecca mit ihren zahlreichen Ge-
fahrtinnen, meist reizende Gestalten, von schéngeworfenen Ge-
wandern leicht umflossen, verschieden geformte und verzierle
Gefisse tragend und haltend, Gestalten wie der des Morgen-
landes kundige Meister uns vorzufiihren versteht. Eine reiche
Landschaft bildet den Hintergrund und ein blauer Himmel, mit
leichten Wélkchen iibersat, glinzend, durchsichtig und fein, wie
nur Decamps ihn zu malen weiss, wélbt sich tiber dem Ganzen.
Der Fehler aber dieses Himmels, so wie der ganzen Landschaft
und der meisten spateren Bilder Decamps ist eine mit dem rem-
brandtisch kraftigen und glithenden Vordergrund im Widerspruche
stehenden Kalte, die vom Mittelgrunde an mit den lebhaft gri-
nen Baumchen den Hauptton des Ganzen bildet, und so die
Harmonie auf unangenehme Weise stért. Dic meisten der ubri-
gen Bilder, darunter freilich noch manches in Einzelheiten Rei-
zende und Wiinschenswerthe, geben cin trauriges Zeugniss von
der abnehmenden Kraft dieses wackeren Kinstlers, dem in Folge
heftiger nervéser Kopfschmerzen der Gesichtssinn seine Dienste zu