aen Charakter und Styl, der diesem alttestamentlichen Gegen-
stande angemessen ware. J. Gigoux endlich hat einen todten
Christus ausgestellt, von den Engeln beweint. Der im Vorder-
grund liegende Leichnam Christi ist verfehlt im Charakter, man-
gelhaft in der Zeichnung; unbegreiflich formlos aber, von
schmutziger Firbung und schwer im Ton, sind die Engel im
Mittelgrunde. Diesem Bilde weit vorzuziehen ist die ebenfalls
lebensgrosse ,,Cleopatra“, ausgestreckt liegend, nachdem sie
von der Natter gebissen worden. Der ganz nackte Kérper der
Kénigin hebt sich von einem dunkelrothen Vorhang ab. Ganz
im Hintergrunde sicht man den Sclaven sich entfernen, der den
Feigenkorb gebracht. Der Fleischton dieses Bildes ist wahrer,
	die Formgebung bestimmter, die Ausfithrung jedoch immer et-  
	was scnwaminig.

Wir kehren in den grossen mittleren Saal zuriick, wo noch
zwei riesige Bilder der Besprechung harren. Adolphe Yvon,
der sich bisher durch einige Staffeleibilder und durch schéne
Zeichnungen, theils Studien aus Russland mitgebracht, theils
Episoden aus Dante’s grossem Gedicht, bekannt gemacht hat,
in welchen letzteren nur zu sehr das Bestreben auffiel, sich
Miche] Angelo’s Zeichnungsweise anzueignen, — Yvon tritt dies-
mal mit einem grossen Schlachtenbild, dem bei Kontikovo im
Jahre 1378 erfochtenen Siege des moskowitischen Grossfirsten
Dmitri Ivanowitsch Donskhoi tiber die Tartaren, auf. Fremd-
artig und ungewohnt, wie der Name des Siegers unserm Ohre
Klingt, erscheinen auch unserm Auge diese Gestalten, diese
Trachten, dieser kriegerische Putz, und theilnahmlos sehen wir
diesem Gemetzel zu, bis wir durch die lange, dem Bilde bei-
gegebene Erklarung belebrt, in diesem Siege einen der ent-
scheidenden Triumphe des Christenthums tiber die Barbarei des
Islam erkannt haben. Wollen wir daher die Wahl des Gegen-
standes fiir gerechtfertigt halten, ja sogar das colossale Maass
zugeben, so gehdrte freilich auch cin anderes Maass des Ta-
lentes und besonders eine in der Malerei getibtere Hand dazu,
einen solchen Gegenstand wirdig zu behandeln und eine solche
Flache auf eine das Auge wenigstens nicht abstussende Weise
auszufillen. Der Kiinstler hat diesmal den Barri Gros sich zum
Muster genommen, hat es aber leider dem Meister der Schlacht
von Eylau nur in den grisslichen Uebertreibungen der Kampf-
wulh und des Ausdrucks kérperlicher Schmerzen, in den alles
Gefiihl empérenden, abstossenden Episoden des Vordergrundes
gleichgethan, vielmehr denselben iibertroffen; an die Stelle aber
seiner Deutlichkeit und seiner vortrefflichen Farbung tritt hier
ein reines Durcheinander, eine héchst fahle Beleuchtung, tribe
Schatten und ein schmulzig rothgelber Staub, den das Toben
der Schlacht im Hintergrunde aufwihlt, — vor dem Verstande
vielleicht gerechtfertigt, aber dem Auge ein unerfreulicher
Anblick.

Viel strenger noch werden wir das andere grosse Bild von
Alexander Laemlein, das ,,Gesicht des Propheten Sacharja“,
yon den vier Wagen, welche die vier Winde des Himmels be-
deuten, beurtheilen miissen. Wahrend Raphael in seiner ,,Vi-
sion des Hesekiel“, auf einem Flachenraum von 13 Quadratfuss
beschrinkt, den Geist des Beschauers mit dem Eindruck des
Erhabenen und der géttlichen Majestat erfillt, hat unser Kinsler
auf einer Fliche, die jene um das Hundertfache tbersteigt,
so viel erreicht, dass der besonnene Beschauer sich achsel-
zuckend und kopfschiittelnd abwendet. Die Schriftstelle, aus
der Lacmlein seine Inspiration geschépft, ist Sacharja 6, 1—6 );
	1) 4. Und ich hub meine Augen abermal auf, und sahe, und siene, da
waren vier Wagen, die gingen zwischen zween Bergen hervor; dieselben
Berge aber waren ehern. — 2. Am ersten Wagen waren rothe Rosse; am
andern Wagen waren schwarze Rosse. — 3. Am dritten Wagen waren

weisse Rosse; am vierten Wagen waren scheckige, starke Rosse. — 4. Und
	von der Art aber, wie er die vier verschiedenen Wagen mit
den ,,starken Rossen“ vorgestellt und jedem Wagen aus eige-
ner Erfindung einen verschieden gefarbten Engel zum Lenker
gegeben hat, von diesen geschmacklosen Uehertreibungen, die-
sem Missbrauch mit fliegenden Haaren und Gewandern, diesen
spitzigen riesigen Fliigeln, diesen fermlosen Rossen, diesen gen
Himmel gehobenen Armen, will ich keine Beschreibung geben.
Laemlein, der frither Besseres geleistet hat, hatte bedenken
sollen, dass vom Erhabenen zum Lacherlichen nur ein Schritt ist.
(Fortsetzung folgt.)
	Bericht tiber die Versammlungen des Vereins fir mittelalter-
	liche Kunst in Berlin wahrend der letzten vier Monate.
(Schluss.)
	In der December-Sitzung des vorigen Janres legte Hr.
Gruner einige erst kiirzlich beendigte, héchst gelungene viel-
farbige Steindrucke aus seinem neuesten Prachtwerk fiir die
kiinstlerische Ausschmiickung innerer Raumc, so wie eine reiche
Folge von Stichen nach den bertihmten Bildhauerarbeiten aus der
Schule des Domes von Orvieto vor, welche den Gegenstand
eines demndachst herauszugebenden Werkes bilden, wodurch
diese Arbeiten zum ersten Mal vollstandig und mit musterhafter
Treue bekannt gemacht werden. Der ebenfalls als Gast anwe-
sende Professor von Hefner aus Aschaffenburg erfreute die
Gesellschaft durch eine Reihe von neuen, zum Theil colorirten
Blattern aus seinem bekannten Werke tiber Trachten und Ge-
rathschaften des Mittelalters!), so wie durch die ersten Blatter
der von ihm in einer Reihe von Facsimiles unternommenen Her-
ausgabe eines Turnierbuchs Kaiser Maximilian I, im Besitz Sr.
D. des Ftirsten von Hohenzollern-Sigmaringen, dessen Text
vom Kaiser selbst, die bildlichen Darstellungen aber von Hans
Burgkmayer herrihren. Sowohl die Auswahl der Gegen-
stande, als die Art der Ausfihrung befriedigten ungemein. Auch
das ebenfalls vorgedachte Werk des Hrn. vy. Hefner: ,die Burg
Tannenberg und ibre Ausgrabungen“?) fand ein lebhaftes In-
teresse. Prof. Waagen legte sodann das Bildniss Shakspeare’s
in einem Steindruck vor, den die Shakspeare - Society neuer-
dings nach der bertihmten, jetzt im Besitz des Lord Ellismere
befindlichen Chandaspicture hat machen lassen.

In der Januar-Versammlung d. J. gab der Prof. Waa-
gen eine Uebersicht der Studien, welche er auf verschiedenen
Gebieten der Kunst des Mistelalters wahrend eines Aufenthalts
in England im Sommer 1850 gemacht hatte. Er begann mit
der Bemerkung, dass er seit seinem ersten Aufenthalt daselbst
im Jahre 1835 eine ungemeine Zunahme des Sinns fiir die ver-
schiedenartigsten Erscheinungen mittelalterlicher Kunst wahrge-
nommen habe und fiihrte verschiedene Beweise hierfiir an. Ш
England selbst werden jetzt alte Malereien auf der Mauer oder
auch auf Tafeln eifrig aufgesucht und auch gelegentlich abgebildet,
Als Beispiele wurden vorgelegt: 1. Abbildungen von Wandma-
lereien in einigen Kirchen in Norfolk, einer an Denkmalern
besonders reichen Grafschaft, unter denen die Vorstellung des
Baumes der Siinde, mit den sieben als Drachen gestalteten Zwei-
gen der sicben Todsiinden, welche die betreffenden Stinder ver-
schlingen, als besonders eigenthiimlich auffiel, 2. Sechs Vor-
stellungen zur Verherrlichung der Maria an der Wand der Ca-
	ich antwortete, und sprach zam Engel, der mit mir redete: Mein Herr, wet
sind diese? -— 5. Der Engel antwortete und sprach zu mir: Es sind die vier
Winde unter dem Himmel, die hervorkommen, dass sie treten vor den Herr-
scher aller Lande.

1) Wir werden ausfibrlicher auf die neuesten Hefte dieses Werkes zu-
rickkommen. D. Red.’

2) Vergl. Diirer -Jahrgang No. 38. S. 300.
45 =