missions- Verlag von J. M. Heberle (H. Lemperts). gr. Fol. Preis 6 Thir. Wir glauben dieses Werk nicht besser einfihren zu k6énnen, als mit nachfolgenden Betrachtungen eines geschataten Kunst- forschers, die derselbe bei Gelegenheit einer griindlichen Be~ sprechung ) des, der obgenannten Copie zu Grunde liegenden Originalholzschnitts, niederschrieb: »Je weiter in der Reihe der Familienportraits eines allen Geschlechts die Ahnenbilder in die Vergangenheit zuricktreten, um desto mehr ziehen sie uns an durch die Fremdartigkeit der Gestalt, der Tracht und durch ihr dusseres Beiwerk; es ist als- dann weniger die Person, die wir darin erblicken, als der Re- prasentant seiner Zeit, seiner Generation, seines Standesver- hilinisses. Daher miissen auch alte Stidte -Prospekte, bei der Mannigfaltigkeit der in ihnen zusammenwirkenden Elemente, um so grossere Aufmerksamkeit erregen. —“ Arbeiten der Art sind als wichtige Dokumente alter Silte und langst verklungener Zeiten um so héher zu schatzen, als der in seinen Beobach- tungen oft unbefangenere und feinere Kunstler zuweilen Dinge berthrt, die von den zu seiner Zeit lebenden Gelehrten we- niger beachtet, enlweder ganz oder doch zum Theil der Nach- welt unbekannt geblieben waren. So ist es denn nicht nur die im Laufe der Zeiten stattgehabte Umbildung des Einzelnen, die uns aus derartigen Darstellungen klar vor Augen tritt, es zeigt sich vielmehr in ihnen der Gesammtcharakter einer bestimmten Zeit in seinen mannigfachsten innersten Beziehungen und der, gewiss von Vielen, bei Besichtigung aller Stadte und Ruinen, gehegte Wunsch, diese in ihrem urspriinglichen Wesen sammt der ihnen entsprechenden Umgebung zu erblicken, findet in jenen Bildern seine vollstandige Befriedigung. Welcher Freund der Vorzeit und der Geschichte fiihlte sich nicht eigenthiimlich erregt bei Betrachtung so mancher interes- santen Prospekie, wie sie uns aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, z. B. Merian in seinen bandereichen topographi- schen Werken hinterlassen hat, und wer durchblatterte nicht von Zeit zu Zeit gern jene oft kriegerisch belebten Stidtean- sichten und Vedulen in dem, von demselben herausgegebenen voluminésen Theatrum Europaeum, um sich so ganz in die Zeit des dreissigjahrigen Krieges zu versetzen?)? So reich wir in- dess an dergleichen Darstellungen aus dem siebzehnten Jahr- hundert sind, so arm dagegen sind wir an ahnlichen Abbil- dungen aus friiherer Zeit, und was sich in Chroniken aus dem Ende des funfzehnten wie des sechszehnten Jahrhunderts Чего Art findet, entbehrt doch zumeist jener Genauigkeit und detail- lirteren Durchfihrung, die diesen Arbeiten sowohl die histori- sche Wichtigkeit, wie tiberhaupt jenen eigenthtimlichen Reiz verleihen.*) Je seliner demnach diese Werke in fritherer Zeit geniigend gefertigt wurden, um so interessanter ist es, wenn sich dennoch einige bis auf uns erhalten haben und um so 1) Ueber des Antonius von Worms Abbildung der Stadt Kéln aus dem Jahre 1531 — von J. D. F. Sotzmaun; mit 3 Abbildungen. Koln 1819. — Nachtragliches hierzu, sowie auch eine nahere Untersuchung uber andere, dem Antonius von Worms zugeschriebene Arbeiten; von demselben im Kunstblatt 1838. No. 55. 56. 2) Vergleiche besonders Theatrum Europaeum oder wahrhalte Beschrei- bung aller denkwirdigen Geschichten u. s. w., so sich vom Jahr Christi 1617 bis aufs Jahr 1629 zugetragen — verlegt durch Malthaeum Merian u. s. w. Frankfurt a. M. 1635. — — — — von 1629—1633 desgl. Frankfurt a. M. 1637. — — — — von 1633—1638. desgl. Frankfurt a. M. 1639. — u.s. w. 3) Wie hautig findet sich nicht in den genannten Werken fiir zwei und mehrere ganz verschiedene Orte ein und derselbe Holzschnitt und selten sind diese auf irgend eine Weise belebt, sondern dienen fast immer, mit geringen Ausnahmen, als vignettenartige Ausstattung. wichtiger, wenn diese, mit Fleiss und Sorgfalt durchgefihrt, uns ein genaues Abbild einer in der Geschichte bedeutungs- vollen Oertlichkeit, zugleich in ihrer ausgezeichnetsten Periode vor Augen fihren. ) Dies findet sich im vollsten Maasse bei dem von Anton von Worms um 1531 gefertigten Prospekt der Stadt KéIn, dessen Nachbildung und die dadurch ermdglichte allgemeine Verbreilung dieses so selten gewordenen Werkes, schon aus diesem Grunde als ein dankenswerthes, gewiss von jedem Kunst- und Geschichtsfreund mit lebhaftem Interesse be- griisstes Unternehmen, Anerkennung verdient. Wenn gleich mehrere altere Prospekte von Kéln vorhanden sind,?) unter denen besonders der von Wenzel Hollar um 1632 (?) auf vier zusammengehdrigen Blattern gefertigte stets von hoher Wichtigkeit bleiben wird, und ausserdem mehr oder weniger mangelhafle schr verkleinerte Nachbildungen von diesem und dem Worms’schen sich weniger selten finden, so werden jedoch diese sowohl, wie auch die fast nur in topographischer und antiquarischer Bezichung wichtige grundrissihnliche Dar- stellung des um 1570 von Gerhardt Merkator gezeichneten kél- nischen Stadtplans bei weitem durch die Vielseitigkeit des uns vorliegenden grossen Prospektes iibertroffen, ausserdem dass seine Entstehung in eine um viele Jahre friihere und somit wichtigere Periode der Stadt faillt. Dieser alte Plan, von dem sich leider nur wenige voll- stindig erhaltene Exemplare gegenwartig in Sammlungen zer- streut vorfinden, ungeachtet derselbe einen Wiederabdruck er- lebte, besteht aus neun gleich grossen Blattern in Folio, die der Lange nach zu einander passen und zusammen eine Ausdeh~ nung von zehn Fuss neun Zoll eilf Linien und beinah eine Elle in der Hohe einnehmen. Was uns zunichst interessirt, ist die rein kinstlerische Behandlung des Gegenstandes, und zwar kommt diese in den zum Theil sehr schén gedachten und geschmackvoll componirten allegorischen Einzelfiguren, welche in den Wolken schwebend, gewissermassen der Stadt als schiitzende und beschirmende Wachter beigeordnet sind, zur vollgiltigen Erscheinung. Unter dieser, die obere Halfte des Prospektes cinnehmenden, die Lokalsage personificirenden Ausstattung, erblicken wir als besonders geschichtlich wichtigen Theil die reich mit Thitr- men, Mauern und Zinnen sich weithin erstreckende Stadt, bei deren Aufnahme der Kiinstler, gefesselt durch die Wirklichkeit, sich vor allem darauf hingewiesen sah, diese in ihren Einzel- heiten so treu wie méglich wiederzugeben. Trotz der Schwierig- keit derartiger Darstellungen hat dennoch unser Kiinstler seine Aufgabe mil grosser Geschicklichkeit gelést und sowohl durch einen fiir das Ganze giinslig gewahlten Standpunkt, sowie durch den fast unmerklich erhéhten Augenpunkt, den er fir entfernt- liegende Gegenstinde zweckentsprechend anwandte, nicht nur diese dem Auge zuganglich gemacht, sondern es auch zu ver- meiden gewusst, ein nur einigermassen interessantes Bauwerk verdecken zu miissen. Endlich ist die theils auf dem Werift vor der Stadt, theils auf dem dahinstrémenden Flusse reich ausgesireute Staffage, welche das Ganze auf mannigfache Weise belebt und wodurch wir ein treues Spiegelbild von dem damaligen Leben und Treiben der so geschaftigen und hochgefeierten Handelsstadt, einst die Krone aller Stadte genannt, erhalten, von nicht geringcrem In- teresse. Von diesen Gesichtspunkten aus das Einzelne naher 1) Mehrere dem ahnliche Prospekte anderer Stidte aus dem 16. Jahrh. Kunstblatt 1638. No. 909. 2) Mit als die altesten bekannten Abbildungen der Stadt gelten die von Hans Hemling auf dem Reliquienkasten der heiligen Ursula angebrachten Dar- stellungen, abgebildet in: La chasse de St. Ursule, gravée au trait par Onghena ete. Bruzelles 1841, mit 13 Abbildungen.