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	welches tiber die Milte des ganzen Prospektes sich hinzieht, tragt
die Aufschrift: Colonia, welcher gegeniiber, den unteren Rand
des Blattes fillend, die mit grosser Schrift gedruckten Worte:

O felix Agrippina, nobilis Romanorum Colonia
verzeichnet sind.

Was die Ausfihrung dieser simmtlichen Figuren_ betrifft,
so gehdrt sie freilich nicht mehr der reinen, slylvollen Dérer’-
schen Holzschnittperiode an, dennoch zeigt sich in ilmen, trotz
der schon mehr manirirten, rundlichen Behandlungsweise der
Formen, jener kriftige Nachhall, der noch den meisten bedeu-
tenden Holzschnittwerken aus dieser Zeit eigenthiimlich ist und
der sie von den mehr handwerksmassigeren Arbeiten, wie sie
diese Periode gleichfalls schon hervorbrachte, auf wiirdige Weise
unterscheidet. Unter diesem, so reich ausgestaiteten, gleichsam
durch die Sage belebten Horizont, breitet sich das ganze, mach-
tige und allgemeinen Reichthum verkiindende Panorama der einst
so gewaltigen-und noch jetzt durch seine Bauwerke imponirenden
Stadt.

Wir aberblicken dieselbe, vom Beyenthurm bis zur Kuni-
berispforte, in ihrer ganzen Ausdehnung, und erhalten dadurch
ein vollstindiges und gelreues Abbild ihrer dusseren eigenthtim-
lichsten Beschaffenheit noch aus der Glanzperiode der Stadt,
in der sie ausser den tibrigen stadlischen Bauten dreissig Colle-
giat- und Pfarrkirchen, zweiundzwanzig Kléster und tiber hun-
dert Kapellen zahlte. So erblicken wir denn auch auf diesem
Prospekt allein vierzig durch Tafelchen besonders hezeichnete
Kirchen, von denen fast die Halfte nicht mehr vorhanden ist,
wie denn auch die drei auf dem Plan in gleicher Weise be-
zeichneten Kapellen bereits abgetragen sind. ) Aber nicht nur
die kirchlichen Gebiude sind durch Namen bezeichnet, auch
andere gréssere stadlische Baulen werden namentlich aufgelfiihrt
und sowohl der Beyenthurm wie das Kaufhaus ( Giirzenich )
u. s. w. mit gleicher Genauigkeit behandelt. Ja, bis auf die
einzelnen Thore und Pforten erstreckt sich diese Gewissenhaftig-
keit des Zeichners und gerade hierdurch erhalt das Ganze ein
hohes topographisches Interesse, wie es selten in solcher Weise
bei ahnlichen Arbeiten aus so friither Zeit angeregt und befrie-
digt wird. (Schluss folgt.)
	“Aecitune.
	betrachtend, beginnen wir mit den oberhalb des Prospektes an-
gebrachten figiirlichen Darstellungen: Hier erblicken wir gleich
auf dem ersten Blatte die in einer Wolke stehende kraftige
Gestalt des Markus Agrippa, der als Grinder der Stadt, ge-
wissermassen den Sagenkreis Kélns erdffnend, in rémischer
Krieger - Riistung erscheint und in der Linken eine grosse vom
Winde gebauschte Fahne, in der Rechten das altkélnische Stadt-
wappen halt. Ihm zur Rechten tragen zwei héchst lebendig ge-
zeichnete, befligelte Knaben eine oblonge Tafel, deren Inhalt:
» Nondum Christus erat natus, quum condere coepit nobilis
hance urbem speciosam Marcus Agrippa.“ )

ein darauf sitzender driller Genius auszuposaunen scheint.
Befliigelte Knaben, ebenfalls Inschrifttafela tragend, schwe-
ben hie und da einzeln tiber besonders zu bezeichnenden Ge-
bauden, Eine derartige Zierde wird vornehmlich einigen Kloster-
Kirchen zu Theil, wie der Karthéuser (ad Cartusianos), der
Karmeliter (ad Carmelitas), der Predigerménche (ad Predica-
tores), der Ursulinerinnen und Maria auf dem Kapitol. Aber
auch dem, noch in seiner ganzen Pracht prangenden Rathhaus-
thurm, wird gleiche Ehre gezollt, indem auch ihn ein dhnlicher
	Genius umschwebt.
Ganz besonderen Fleiss verwandte jedoch der Kiinstler auf
	die allegorische Ausstatlung des in altehrwirdiger stolzer Ma-
jestat hervorragenden Domes, dem er zu beiden Seiten, der
tiber demselben von Genicn gelragenen Tafel, die mythischen
Gestalten der heiligen drei Kénige gruppirte. Diese, in reich
geschmiickter, miltelaltriger Tracht, mit wehenden Fahnen in
	den Handen, umkreisen den ihnen geheiligten, unvollendeten
	Bau schiitzend und abwehrend in ruhiger und wirdiger Haltung.
— Weiter rechts von dieser Gruppe, auf dem vorletzten Blatte,
erblicken wir eine andere, fiir KéIn nicht minder bedeutsame
Erscheinung, in der der herrschenden Sitte gemass reich geklei-
deten und gekrénten Gestalt der Kaiserin Agrippina, des Ger-
manikus Gemahlin, als Begriinderin von Kélns Grésse, Macht und
Ansehen, als eifrige Verschénerin der Stadt, auf die sie selbst
ihren Namen tibertragen hatte, mit Baugeréthen, wie Hammer
und Winkelmass versehen. Auch ihr zur Seite halt ein ge-
fligelter Knabe eine Tafel mit folgender Inschrift:

Agrippina Imperatrix hane urbem restauravit.©?)
Den Schluss dieser Darstellungen macht die halb rémisch, halb
miltelaltrig gekleidete Figur des Marzellus, der Sage nach
geehrt als Volksheld und Begriinder der Freiheit Kélns. Der
Gestalt des Agrippa entgegengeseizt, dieser entsprechend eben-
falls als Schildhalter gedacht, halt sie wie jene in der einen
Hand die flatternde Fahne, in der anderen jedoch das spatere
Stadtwappen (mit den drei Kronen). Auf der, dieser Figur
beigegebenen grésseren oblongen Tafel, die wie die ubrigen
von Genien getragen wird, lesen wir die Worte:

» Per medios quondam Marsilius irruit hostes, ut ligna

e silvis nostram transferret in urbem.““*)
Ein von drei gefliigellen Knaben gehaltenes langes schmales Band,
	1) Christus war noch nicht geboren, als der edie Markus Agrippa be-
gann diese Stadt zu erbauen.* —- Die, iber der jetzt verwitterten am Giir-
zenich befindlichen Gestalt des Agrippa, nicht mehr lesbare Inschrift lantete:

» Der hertliche Markus Agrippa eyn heydensch man
Vur gotz geburt Agrippinam nu Coelne began.“

2) »Kaiserin Agrippina stellte diese Stadt wieder her.“

3) Marsilius stirzte einst mitten durch die Feinde, damit er aus den
Waldern Holz in unsere Stadt brachte.“ — Auch seine Gestalt findet sich
пБег dem zweiten Eingange des Girzenich, nicht minder verstiimmelt als
jene des Agrippa; ihre Ueberschrift lautete:

» Marsilius heyden ind der sere stoultze
Behielte Coelne ind siy voiren tzo houltze. “

Der Inhalt dieser Worte bezicht sich auf eine Grtliche Sage, vergleiche

» Chronika van der hilliger Stat Coellen*, 1499. Blatt: XLIX. b.
	 Е Gerlin, im April. In den Ateliers von G. Blaser und
H. Schievelbein wird an einem 4} Fuss hohen Relief gear-
beitet, welches in Thon gebrannt werden und ein neu erbautes
Eingangsthor in Sanssougi schmiicken soll. Die Darstellungen
sind theils historischer, theils allegorischer Natur. In Blaser’s
Werkstalt sahen wir die Marmorhermen von Ariost, Tasso,
Dante und Petrarka, ebenfalls fiir Sanssouci bestimmt und zu
der Reihe von 24 Dichtern aller Nationen gehérig, die der Ké-
nig dort aufstellen lasst. — Eine sehr artige und humoristische
kleine Arbeit, die der Kistler eben in Gyps ausgefiihrt hatte,
stellt einen lustigen Trinker vor, der in der einen Hand ein
gefiilltes Champagnerglas, in der andern einen Blumenstrauss,
mit fliegenden Rockschéssen voll Wonne auf einer rollenden
Tonne dahertanzt. Er ist sehr gliicklich. Er kann auch als
Gratulant gelten und wir héren, dass dieses Amt Ursache zu
seiner Entstehung gewesen ist. Von einer anderen Skizze des
Kinstlers, einen Afrikaner zu Pferde mit einem geraubten Mad-
chen und im Kampfe mit ciner Schlange, reden wir spater aus~
fiihrlicher.
	W. Almifterdam, im Febr. Am 19, Februar, dem Geburts-
tage des Konigs, an welchem Tage der Verwaltungsrath der
	1) Siehe das angeftihrte Werkchen p. 23.