Palette und Pinselfihrung, die sich Mancher bis zur Virtuositat zu eigen
gemacht hat. Wenn in den meisten Einzelfallen nichts dagegen 2u
sagen ist, dass ein Kiinstler, dem es an eignen schépferischen Kraften
fehlt, da Raths erholt, wo sein Geschmack Befriedigung findet, so muss
man doch die Richtung im Allgemeinen beklagen, da in der Regel unter
der Nachahmung von Aeusserlichkeiten, von Glanz und Gewandtheit
im Vortrag, die wesentlichen Giiter des Kunstwerks, Gehalt, Auf-
fassung, Anorduung, Zeichnung in Strenge sowohl als in Sch6n-
heit der Form, Charakteristik und Feinheit im Ausdruck, Wahr-
heit in der Empfindung, lebendige und sprechende Motivirung in
der Darstellung vernachlassigt werden, nicht gerechnel, dass das
Tiefere und Bleibende am Kunstwerk durch seine Originalitat und orga-
nische Gestaltung bedingt ist. — Architekturbilder waren 14 unter den
Ankaufen, ein Jagdschloss von Emil Kirchner, eine Partie aus Ve-
nedig von Vermeersch, eine andere von daher von Mecklenburg,
	eine Parthie aus der 5. Lorenzkirche in Nirnberg von F. C. Mayer,
и. а. ш. An diese schliesst sich ein kleines ausserst brillantes Gemalde
von A. y. Bayer an, das eine seltne Vereinigung von Kunst und Kinst-
lichkeit zeigt, wie etwa ein Gedicht von Riickert, wo man im Zweifel
bleibt, ob der Wohllaut des Silbenfalls und das Wunder des Reimes,
oder Gedanken und Gefihl des Gesagten des Dichters eigentliche Ab-
sicht waren. Bayers Bild fihrt uns eine Anzahl Karthéuser bei Mond-
licht in die Zelle des heil. Bruno, in dem Augenblick da dieser selig
verstorben ist und das von seinem Haupt ausgehende Licht die sonst
dunkle Zelle erhellt. Der Ausdruck stillen Friedens im Todten, die
bewegte, staunende Theilnahme der Brider ist mit Wahrheit und In-
nigkeit wiedergegeben; immer aber wird das Auge auf das wunderbare
Wechselspiel des kalten Mondlichts und des warmen Heilgenscheins hin-
gezogen und man kommt vor Erstaunen ither die Virtuositat nicht zur
Empfindung der Kunst. Ausserdem waren noch 8 Viehsticke und 1
Fruchtstick unter den Oelgemalden. — Unter den Aquarellen zeigen
zwei kleine Landschaften von Siegfried Massmann (aus Berlin) ein
sehr v6lliges und gesundes Talent, Von den Zeichnungen fiihre ich
die Vertreibung aus dem Paradies von Lempenzeder an, um auf
einen offenbar sehr begabten jungen Kiinstler aufmerksam zu machen.
Schon der Gedanke, die Dreieinigkeit in drei Engeln bei dem Akt der
Vertreibung darzustellen, und den einen als die verletzte Heiligkeit,
den andern als die strafende Macht, den dritten aber als die begleitende
Liebe aufzufassen, verrath den Genius; aber auch in der Form treten

hier lebendig wirkende, urspriingliche Krafte auf.
	HAumnstwereine.
	Kunstverein in щие ела.
	Der Kunstverein in Minchen hat im Jahre 1824 mit 275 Mitgliedern
begonnen und ist im steten Wachsthum geblieben bis 1844, wo er 3161
Mitglieder zéhlte. Von da an nahm er Jahr fiir Jahr ab, so dass er
1849 mit 28!5 abschloss. Das verflossene Jahr bringt uns zuerst wieder
eine Steigerung in der Ziffer von 2858 Mitgliedern, eine Bewegung,
die sich fortzusetzen verspricht, da die Ankaufe des verflossenen Jahres
unbedenklich werthvoller waren, als die der meisten Vorjahre. Mit
dem Kunstverein in Nirnberg ist eine Verbindung eingegangen worden,
der zufolge gegen 50 Aktien die angekauften Kunsigegenstinde zur
Ausstellung nach Nirnberg gesendet werden. Die gleiche Verbindung
besteht mit Augsburg wnd ist von Bamberg nachgesucht worden. Die
laufenden Ausstellungen in Miinchen erreichten die Zahl von 984 Kunst-
gegenstanden: 515 Oelgemalde, (43 von fremden Kiinstlern) 18 Minia-
turen, 187 Aquarelle, (71 von fremden Kinstlern) 17 Porzellangemalde,
3 Glasgemalde, 41 Cartons und Zeichnungen (darunter 8 von fremden
Kinstlern), 73 Sculpturen (3 von Fremden), 6 Medaillen, 14 Radirungen
und Kupferstiche, 17 Lithographien, 2 xylographische Platten, 2 Gal-
vanographien, 132 Photographien. Als Vereinsgeschenk wird eine von
F. Hanfstangel gefertigte Galvanographie nach dem Columbus von
Ruben yvertheilt, ein mit grossem malerischen Effect ausgefihrtes Blatt.
Zur Verloosung am 16 Februar waren im Ganzen 109 Gegenstinde an-
gekauft, namlich 95 Oelgemdlde, 3 Aquarelle, 3 Porzellangemalde,
2 Zeichnungen, 6 Sculpturen. Unter den Oelgemalden waren 43 Land-
schaften, viele von bedeutendem Werth, keine werthlose. Zu den vor-
ziiglichsten zahlt ein grosses Alpenbild von Jul. Lange, ein Wald-
eingang von Chr. Ezdorf, eine Wintergegend von Salzer, der Ké-
nigsee von Heinlein, ein Dorf im Mondschein von Chr. Morgenstern,
еше grosse Felsenlandschaft von Alb. Zimmermann, eine prachtvolle
Gewitterlandschaft im Vorgebirge von Ed. Schleich etc. Unter den
6 historischen Bildern war kein gleich ausgezeichnetes; unter den 21
Genrebildern sind anzufihren Moritz Millers Heimkehr von der Hoch-
zeit, und ein Kleines Bildchen von Enhuber: Knaben, die sich vom
Vater die Erlaubniss zum Baden erbitten, entstanden offenbar aus der
komischen Situation eines kleinen mit zwei grossen Rindsblasen behan-
genen Barfissers. Nicht diese beiden Bilder, wohl aber viele der Genre-
und Historiengemalde verrathen eine grosse Hinneigung zur belgischen
	Edumstaussteiiung in Wiesbaden.
	Der Vorstand des Nassauischen Kunstvereins (Gesellschaft von Freunden der bildenden Kunst) hat beschlossen, wahrend der diesjah-
rigen Saison, vom 15. Juli bis 31. August, eine gréssere Kunstausstellung zu veranstalten, und ladet hiermit alle Kinstler von nah und fern
	ein, unter nachstehenden Bedingungen ihre Kunsterzeugnisse zu derselben einzusenden :
1. Die Ausstellung, welche in den geraumigen Concert-Salen des Theatergebaudes statifindet, wird den 15. Juli gedffnet und den 31. Au-
	gust geschlossen.,
	2. Die schriftlichen Anmeldungen zur Betheiligung werden bis zum 10. Juni erwarlet; die Kunstwerke selbst missen bis zum 1. Juli einge-
	gangen seln.
	3. Zugelassen werden Gemalde, Zeichnungen und plastische Kunstwerke, letztere jedoch nur nach vorher eingeholter Zustimmung der Aus-
	stellungs - Commission.
	A, Die eingesandten Kunstwerke missen mit genauer Angabe des Namens und Wohnorts des Kiinstlers, sowie des Verkanfspreises, falls sie
	namlich verkauflich sind, begleitel sein.
	9. Fir die Verpackung bel der Absendung werden die Herren Ktastler selyst Sorge tragen. Die Verantwortlichkeit fur die Erhaliung u. s. w.
der eingesandten Kunstwerke kann fiir den Nassauischen Kunstverein erst dann eintreten, wenn solche unbeschadigt hier eingetroffen sind,
weshalb die Ausstellungs- Commission oder einzelne Mitglieder derselben bei der Auspackung gegenwartig sein werden. Far Beschadi-
	оипоеп wahrend des Transports sind wir nicht verantwortlich.
	6, Die Transportkosten fallen dem Nassauischen Kunstverein zur Last; wir bitten jedoch, wo méglich, die billigsten Transportmittel, nament-
	lich Dampfschiffe und Eisenbahnen zu wahlen.
	(. Alle Briefe bitten wir an den Vorsitzenden der Ausstellungs- Commission, Herrn Dr. Busch, mit dem Zusatz: , Kunstausstellung betref-
	fend“ zu adressiren.
	3. Die einzusendenden Kunstwerke selbst sind an die Agentur entweder der Kélnischen oder der Disseldorfer Dampfschifffahrts - Gesell-
	schaft dahier zu adressiren.
Wiesbaden, den 28. Februar 1851.
	Der Vorstand der , Gesellschaft von Freunden bildender Kunst‘
	Ph. Leyendecker, Direktor; Meeh, Sekretar;
Dr. Busch, Vorsitzender der Ausstellungs - Commission.
	Verlag von Rudolph und Theodor Oswald Weigel in Leipzig. — Druck von Gebr. Unger in Berlin.