Nation, deren Geschichte tberaus glorreich ist, welche in ih-
rem Schoosse strahlende Heldengréssen und erhabene Manner
in allen Ktinsten und Wissenschaften hervorbrachte und welche
noch fortwihrend von einem edlen und stolzen Selbstgefihl
belebt wird, das gelegentlich machtig hervorbricht.

Seit dem grossen Theaterbrande in alter Zeit besitz! Am-
sterdam immer nur noch ein hdélzernes Noththeater, eine dem
Theater des Thores St. Martin zu Paris nachgebildete Kopie.
— Das prachtvolle Rathhaus, das Meisterwerk van Kampen’s,
mit ungeheuren Kosten und Opfern im 17. Jahrhundert erbaut
und fir seinen urspriinglichen Zweck vortrefflich eingerichtet,
steht unbenutzt und leer, nur durch das monotone Glockenspiel
belebt, und dient dem Kénige von Holland zur Wohnung, wenn
er alljahrig auf einige Tage die Hauptstadt besucht; man hat
das Gebiude damals dem Kénig Louis Napoleon, ich weiss
nicht, ob blos zu einstweiligem Gebrauche tiberlassen oder ge-
schenkt. Inzwischen dient seit jener Zeit ein altes abgelegenes
Gebaude, ein friheres Waisenhaus, wenn ich nicht irre, als
Rathhaus. Die Akademie fir die bildenden Kiinste ist in einem
friiheren Greisenhospitale (Oudemannenhuis) cingerichtet, des-
sen Nebenfligel gelegentlich, wenn die Cholera ausbricht, als
Krankenhaus benuizt wird. Die Hauptstadt erfreut sich freilich
seit einigen Jahren einer kostbaren neuerbauten Bérse in der
Gestalt eines griechischen Tempels ) — welches Gebaéude 2u
seiner Zeit zu einer heftigen und bittern Polemik in den 6ffent-
lichen Blattern Veranlassung gab — und dieselbe ist seither,
weil die inneren offenen Saulenhallen den Bérsenbesuchern alle
Arten von Catarrhen zufihrten, mit einem kostspieligen gliser-
nen Dache geschiitzt. Das Gebaude, am Marktplatze (Dam) lie-
gend, wiirde sich immerhin noch stattlich genug ausnehmen,
wenn der freie Anblick desselben nicht durch ein anderes auf
dem Marktplatz erbautes stadtisches Gebaude (die Kommandan-
iur) sehr beeintrachtigt wiirde; man scheint sich zum Abbruch
des letzteren bislang noch nicht entschliessen zu kénnen.

Oeffentliche statuarische Werke, Standbilder zu Ehren eini-
niger der vielen grossen Manner, die die Nation aufzuweisen
hat, besitzt Amsterdam — man wird es kaum glauben — nicht
ein einziges. Erst in neuerer Zeit, als man in anderen Lan-
dern den Kultus des Genius und der Heldengrésse einfihrte,
glaubte auch Holland nicht zuriickbleiben zu diirfen. Man er-
richtete zuerst dem Admiral de Ruyter in seinem Geburtsort
Vlissingen ein ehernes 12 Schuh hohes Standbild (modellirt von
dem Bildhauer Royer). Dann spater ein gleiches von demsel-
ben Kiinstler gefertigtes, dem grossen Wilhelm von Oranien
,dem Vater des Vaterlandes* im Haag. Obschon de Ruyter’s
Standbild recht eigentlich in die Hauptstadt gehért hatte, als
das eines Volkshelden, der dem ganzen Lande, dem er zur
Ehre gereicht, unendliche Dienste geleistet, dessen Grabmal
sich zu Amsterdam befindet, wo er grossentheils lebte, wenn
er nicht das Meer zum Zeugen seiner bewundrungswirdigen
Thaten machte — zog man es doch vor, dasselbe in dem ab-
gelegenen Vlissingen, auf der Insel Walcheren, zu errichten,
wo der Held freilich geboren wurde und als Seilerjunge einige
harmlose Kinderjahre verlebt hat. Ich wlsste nicht, dass die
hollandiche Jugend haufige Wallfahrten anstellte, um sich am
Anblick des Helden zu erbauen, was den friedlichen Bewoh-
nern Vliessingens allein vergénnt ware, sténde nicht das grosse
Modell der Bildsaule, als Geschenk Royer’s, in einem der aka-
demischen Sale Amsterdams, wo alle zwei Jahre die Kunstaus-
	1) So wie die originellen und schénen nationalen Kleidertrachten kommt
hier auch der althollandische hibsche und fir das Klima sehr 2weckmas-
sige Baustyl, namentlich bei Privatwohnungen, nach und nach ab — oder
vielmehr er ist schon Jéngst aus der Mode gekommen: alles wird glatt und
	fashionable!
	stellungen abgehalten werden. — Das Bild Wilhelm ’s des Ver-
schwiegenen kam allerdings dem Haag zu, aber zur selbigen
Zeit liess der verstorbene kunstsinnige Konig von Holland auf
eigene Kosten vor seinem neugebauten Palaste seinem grossen
Vorfahr ein herrliches erzenes Reiterbild errichten, erfunden
und modellirt von dem Grafen van Nieuwekerke zu Paris.
Also besitzt der Haag zwei Bilder des grossen Wilhelm, von
denen das eine freilich Eigenthum der kéniglichen Erben wurde.

Wie unendlich verdient konnte sich die kénigliche Familie
um die Stadt Amsterdam machen, wollte sie jenes schénes Rei-
terstandbild, wo der grosse Wilhelm als Held, kampfgeristet,
dargestellt ist, und nicht, wie in dem des Hrn. Royer, als sin-
nender Diplomat, mit erhobenem Zeigefinger und Urkunden —
wenn sie dazu tiberginge, dieses vortreffliche Kunstwerk der
Stadt Amsterdam zu tiberlassen! Wie stattlich wiirde sich das
Bild auf dem Marktplatze — etwa dort, wo jetzt das stérende
Kommandanturgebaude steht — ausnehmen, ein erhebendes Sym-
bol uneigenniitziger Vaterlandsliebe und selbstandigen Volks-
geistes.
Wird man in Holland einmal daran denken, Mannern wie
J. van Vondel, Huygens, Hugo de Groot, Oldenbarneveld, J.
de Wit oder seinem Freunde Baruch Spinoza Standbilder zu
errichten? Dem letzteren wohl am allerspdtesten, aber viel-
leicht — am allersichersten.

An Mitteln, um Denkmale und Gebaude heraustellen, fehlt
es in Holland durchaus nicht: wer nur die Herzen zu leiten,
die Bérse zu 6ffnen verstande! Dass dieses méglich, beweisen
z.B. die vielen neuerbauten rémischkatholischen Tempel, die

jiberall errichtet werden.
	Yewpork. Das erste Skulpturwerk aus Marmor, welches
in Amerika gearbeitet wurde, ist fir die Londoner Ausstellung
bestimmt. Das Sujet ist ein speciell amerikanisches: , ein ster-
bender Indianerhauptling “. Der Marmorblock, aus welchem die
Statue gemeisselt ist, wurde in Vermont (vereinigte Staaten)
gebrochen und soll an Reinheit und Weisse mit dem besten
Marmor von Italien wetteifern. Der Kistler heisst Stephen-
son, studirte zwei Jahre im Rom und hatte in den Ansiede-
lungen des Westens geniigende Gelegenheit, seinen Stoff nach
der Natur zu studiren. In Amerika halt man auf den Kiinstler
und sein Werk grosse Stticke.
	Novitatenschat.
	Portrait-Medaillon von Christian Rauch, ausgeiunrt
von Bernhard Afinger. — Es war gewiss keine geringe
Aufgabe, den prachtigen Kopf des gefeierten Meisters im seiner
ganzen Kraft und Mildigkeit wiederzugeben, Formen, in denen
Majestat und Grazie zugleich wohnen. Wir sind dem Schiiler
Rauch’s die Anerkennung schuldig, dass er die Ziige seines
ehrwiirdigen Lehrers getreu und mit Geist aufgefasst hat. Man
vermisst Nichts von der Hoheit der Stirn, dem klaren Blick,
dem festen und bestimmten Ausdruck der Mundparthieen und dem
freien Fall des Silberhaares. Die Arbeit ist eine hdchst voll-
kommene zu nennen. — Der Kiinstler hat dieselbe in s. g. Elfen-
beinmasse giessen und mit einem Holz- oder Bronzerahmen
versehen lassen. In dieser Ausstattung kostet ein Exemplar
2 Thir. Einfache Abgiisse in Gyps ohne Rahmen werden 2u
dem Preise von 15 Sgr. in den Handel kommen.
	The Art-Journal. Februarheft. 1851. — R. N. Wor-
num: Die National-Galerie. Eine Beleuchtung der Missstande
bei derselben, — Urbino und die Umbrische Schule. Aus den