130 lasst uns frische Morgenluft des teuerstandenen Jahres alhmen. Sie ist eben so poetisch gedacht, als im malerischen Vorirag zart empfunden. Dagegen setzt sich die Haupigruppe mit dem tiefen herzergreifenden Ernst, den der Kiinstler in dicselbe ge- legt hat, mit um so machligerer Wirkung ab. Die Gestalt des Heilands vereinigt in sich den Ausdruck strafender Gewalt und die zartesten Tone des Wehes, in welchen die kaum iiberstan- denen Leiden und Todesschmerzen nachklingen. Mit der erho- benen Linken bedeutet er den unglaubigen Jinger, der Zeichen und Wunder verlangt hat, und mit der Rechten scheint er dessen Hand abhalten zu wollen, die offene Seitenwunde nicht unsanft zu berihren. Der Charakterausdruck des Kopfes ist nicht blos schén, sondern auch neu. Er spricht die glorreiche Gewissheit aus, mit welcher er den Tod und die Stinde tiberwunden hat und im Gegensatz zu dieser wird die Zweifelsucht des tiberfiihrten Jiingers um so tiefer offenbar. Beschamung und Reue mischen sich in einer fast wunderbaren Weise mit der hereinbrechenden Freude des Schauens, und wir haben in dieser Darstellung die tiefsinnige Schilderung eines psychologischen Phanomens er- halten, wie sie die bildende Kunst kaum friiher geliefert hal. Die Beurtheilung, welche dieses Kunstwerk erfahren hat, ist ungleich zu nennen. Overbeck’s cigene Schiler und An- hinger haben sich missfallig dariiber gediussert. Um so gréssere Anerkennung hat es von Seiten derer erhalten, welche diese Weise des Vortrags zu verstehen und zu wirdigen im Stande sind. So wenig man es bDilligen kann, wenn Overbeck vor der Natur und ihrem begeisterten Studium eher warnt, als jiingere Kistler dazu auffordert, so ungerecht ist es doch auf der an- deren Seite, einem Kunstler seines Ranges die Formen und Far- benténe vorzuschreiben, in welchen er seine Ideen kund zu geben habe. Uebrigens ist es eine hichst irrige Meinung, wenn man glaubt, er befrage die Natur weiter gar nicht mehr und ver- traue sich ausschliesslich seinem in friheren Jahren gewonnenen Wissen. In vielen Einzelheiten l&sst sich die frischeste Beob- achtung der Wirklichkeit wahrnehmen. Was die Thatigkeit dieses Meisters anbetrifft, so ist sie in Riicksicht auf seine Weise der Ausfihrung, die keinen An- theil fremder Hilfe zulasst, staunenswerth zu nennen. In we- nigen Monaten wird das grosse Allargemalde fir den Célner Dom, die Himmeltfahrt Maria darstellend, voHendet sein. Ausser-— dem ist das zweite Blatt zu den vierzehn Stationsbildern, die im Farbendruck und Kupferstich herauskommen sollen, in den letzten Tagen abgeliefert worden und zu dem grossen Bild fiir Monte Cavallo, welches Pius IX bei ihm bestellt hat und das gewissermassen als eine Prophezeiung des Ausgangs der Re- volution und der Flucht des Papstes betrachtet werden darf, sind die Vorbereitungen gemacht. Jene Stationsbilder werden ihn zunachst unausgesetzt beschaftigen und er scheint beschlossen zu haben, alle seine freie Zeit diesem von dem Papst mit be~ sonderer Liebe beschiitzten Unternehmen zu widmen. Auftrage, die von andern Seiten her an ihn gelangt sind, hat er in Riick- sicht darauf zuriickgewiesen. Der Stich, welchen von dem er- sten Blatt Bartol. Bartoccini so eben vollendet hat, wird als ein Meisterwerk begriisst. E. Braun. Giorgio Babarelli, genannt Giorgione. Уоп М. Unger. ) Ueber Giorgio Barbarelli, gen. Giorgione, herrscht, obgleich er eine der bedeulendsten Kinstlerscheinungen, in der 1) In kurzer Zeit wird von demselben [rn. Verf. егзсветеп: „Баз УУе- sen der Malerei. Ein Leitfaden far denkende Kinatler und gebildete Kunst- ircunde. * terer Erfahrung weiss, dass die Wande der Galerien, welche den Fenstern gegeniiber liegen, diesen Spiegelungen am meisten ausgesetzt sind. Selbst ein geringes Abweichen von dieser Richtung hilft wenig, namentlich, wenn mehrere Fenster im Raume sind. In rechtwinkligen Raumen wird man finden, dass nur die sogenannten Scheidewainde, die rechtwinklig an die Ringmauer des Gebaéudes stossen, allein von den Spicgelbildern der Fenster nicht belastigt sind. — Wahrend nun eben bei den meisten Galerien die schlechien Wainde, welche den Fenstern gegentiber liegen, die ausgedehntesten, dagegen die Scheide- wande die kirzesten und tiberdem yon Thiiren am meisten be- anspruchten sind, so kommt es eben bei einem zweckmissigen Ausstellungs -und Galerie-Lokale auf eine architektonische An- lage an, in welcher die brauchbaren Scheidewande von der még- lich ldngsten, dagegen die, den Glanzlichtern so ausgesetzten Riickwinde méglichst beschrinkt, und Behufs dessen auch alle Thiren und Durchginge in dieselben gelegt werden. — So hohe Vorztige auch Schinkels Museum in Berlin durch diese Ein- theilung der langen Sale, durch Scheidewande in Cabinette be- siizt, so fallt doch noch ein volles Driltheil der ganzen Samm- lung den nachtheiligen Rickwinden anheim, und ist es na- menilich nicht gelungen, die Durchginge auf diese zu reduciren, denn sie liegen fast simmilich in den Scheidewanden. Denken wir uns nun nach dem Vorhergehenden ein fir Bilder méglichst passend eingerichtetes Zimmer, so hat dasselbe seinen Eingang dem Fenster gegentiber. Da diese Wand még- lichst beschrankt sein soll, so ist sie etwa nur halb so lang als die Fensterwand, so dass das Zimmer am Fenster ansehn- lich breiter ist als in der Tiefe. Diese gegen das Fenster schrage gestellten Scheidewande sind tauglicher als die recht- winkligen; sie fangen besser das Licht auf und die vom Fenster entlegensten Pléize sind ungleich besser beleuchtet und wird es daselbst vermieden, dass das Licht, hier die Bildflaichen bei- nahe nur streifend, nicht jede Unebenheit der Farbe grell her- vorhebt. Legt man nun derartige Bilder~Cabinette mehrere neben- einander, so findet man, dass hiedurch ein Grundriss gebildet wird, welcher einem Rade ahnlich sieht. —-— — Den Kranz des Rades bildet die mit Fenstern versehene Ringmauer. — Die mit Bildern zu behangenden Scheidewdnde laufen nach Art der Speichen einem Mittelpunkte zu. — In der Mitte aber bleibt, ahnlich der Nabe, ein runder Saal, aus welchem die Einginge nach allen Cabinetten gehn. Demnach befindet sich eine zweckmiassige Bildergalerie nicht in einem rechtwinkligen, sondern in einem runden Ge- baude, in dessen Milte eine von oberhalb zu _ erleuchtende Rotunde liegt. Die Zuginge der 18 bis 20 Cabinette dffnen sich parterre unmittelbar und selbst ohne Thirschwelle nach ihr, die Cabinette der obern Etagen werden von Galerien in der Rotunde zuganglich gemacht. (Schluss folgt.) Overbeck’s Bekehrung des h. Thomas. Yor mehreren Wochen hatte Overbeck ein fir England be- stimmies Altargemilde ausgestellt, welches den h. Thomas in dem Augenblick darstellt, wo er seine Finger in die Wunden- maale des Herrn legt. Neben der Hauptgruppe erscheinen zwei Jiinger, welche tief ergriffen sind von dem dargestelllen Vorgang. Die ganze Composition ist grossartig und entfaltet jene vollen Formen eines breiteren Styls, welche Thorwaldsen, als sie in der Grablegung dieses Meisters zum ersten Mal entschieden hervortraten, mit wahrhaft jugendlichem Freudenfeuer begrisste. Die Landschaft, welche sich tber den Hintergrund ausbreitet,