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	theilnalt auf den Geschaflsgang wirkt, getrennt; wir sehen ein
Privathaus als Sténdehaus eingerichtet, keinesfalls der Idee, die
es reprisentirt, entsprechend und auch schwerlich auf die Dauer
gentigend. Nun wohl! Material genug zu einer Baugruppe,
daran die Architektur ganz neue, weitwirkende Krafte erschlies-
sen kann, zumal wenn sie Brunnen und Monumente und Gar-
	lenaniage als verbindende Glieder nimmt, und den éden Maxi-
miliansplalz zum Bauplatz! st.
	Ueber Jan van Eyk’s Geheimniss der Oelmalerei. *)
	Yor Ernst [larzen.
	Farben, nicht anwendbar waren, von Vasari dem J. v. Eyk zu-
geschrieben, war, wie nunmehr ausser Frage steht, schon eine
lange Zeit vor ihm tiblich, und da man bereitele Oelfarbe in
Gefassen von Blei aufzubewahren pflegte, so darf man die trock-—
nende Eigenschaft dieses Metalls ebenfalls als bekannt voraus-
setzen; dieses sind aber die einfachen Millel, wodurch noch
heutzutage die zur Malerei dienlichen Oele zubereitet werden.
J. vy. E. bedurfte mithin, um seine Kunst zu tiben, keiner an-
dern Bindestoffe, als der bereits vorhandenen, ja aus der Er-
haltung der Farben und der trefflichen Patina seiner Bilder
diirfen wir folgern, dass er sich ganzlich keiner fremdartigen
Beimischung bedient habe, welche, mehr oder weniger, indem
sie die Oelfarbe verhindert, eine feste, emailartige Beschaffen-
heit anzunehmen, deren Schénheit und Dauerhaftigkeit beein-
irachtigt. Wie viele Bilder aus der letzten Halfte des vorigen
Jahrhunderts, bei denen harzige Stoffe u. dgl. angewandt wur-
den, haben wir nicht schon zu Grunde gehn sehen und erst
eine langere Erfahrung wird uns belehren, in wiefern neuere
Versuche dieser Art sich auf die Dauer bewahren.

Wir sind demnach genéthigt, v. E.’s Geheimniss, anstatt in
neuen und complicirten Bindemitteln, vielmehr in einer von

ihm erfundenen Methode zu suchen, und um so mehr hierauf
angewiesen, als dieselbe, zunichst durch seine Schiiler und

Nachahmer verbreitet, und darauf, wie sich aus dem Gange der
Technik in den Kunstwerken selbst nachweisen lasst, von Ge-
schlecht zu Geschlecht iiberliefert, von der noch heute tblichen
im Wesentlichen nicht verschieden gewesen sein kann. Wir
sind im Stande, vermittelst R. v. d. Weyde, Hemmelink, van Or-
	‘ey, um nur Hinige zu nennen, diese Methode in Niederland
bis gegen Mitte des 16. Jahrhunderts zu verfoleen, ebenso durch
	Antonello, Gian Bellino und seine zahlreiche Schule in Italien,
und bei der grossen Stylumwialzung, welche um diese Zeit in
der Kunst eintrat, blieb die Technik, wenn auch eine breitere
Manier sich Bahn machte, doch in der Hauptsache dieselbe; eine
wesentliche Verinderung darin wiirden die gleichzeitigen Schrift-
steller gewiss nicht mit Schweigen tibergangen haben.

Dass nun die Methode, welche vor v. E. bestand, von der
jetzigen verschieden gewesen sei, geht schon aus der bekannten
Stelle bei Theophilus hervor, wo des langsamen Trocknens der
Oelfarbe als eines zeitraubenden und verdriesslichen Umstandes
gedacht wird. )} Es ist dieses wohl nur so zu erklaren. Bei
der in jener frihen Zeit hauptsichlich iiblichen, vorzugsweise
„Тетрега“ genannten Malerei, worin Feigenmilch und Eigelb
den Bindestoff bildeten, etwa mit unserer Malerei in Leimfarben
vergleichbar, wurde namlich die Farbe plat! aufgetragen und
irocknete schnell genug, um ohne erhebliche Unterbrechung
die Uebermalung eintreten zu lassen. Bediente man sich hin-
gegen mit Oel temperirter Farben, bei einer Ausfihrung wie
die Natur der Tempera es mit sich brachte, so fand man sich
dadurch gehemmt, dass man bei jedesmaligem Auftrage das
langweilige, die Arbeit sehr verzégernde Trocknen abzuwarten
hatte, ein unbequemer Umstand, welcher den iiber die Oelma-
lerei ausgesprochenen Tadel hervorrief. Und so lange dieses
Hinderniss nicht zu beseiligen war, wurde die Tempera vorge-
zogen, weil leichter zu behandeln und dasselbe leistend, der
man millelst eines Oelfirnisses Klarheit und Dauer zu ertheilen
gelernt hatte, in welcher Art sich Bilder erhalten haben, Oel-
gemilden sehr nahe kommend und durch chemische Untersu-
	1) Omnia genera colorum eodem genere olei teri ef pont possunt in
opere ligneo, in his щит rebus quae sole siecari possunt, quia quoties-
cunque unum colorem imposueris, alterum ei superponere non poles, nisi
prius exsiccetur, quod in imaginibus diuturnun et taediosum nimis est.
	Сар. ЛАГИ.
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	Nahe an achizig Jahre sind verflossen, seit Lessing die
‘Abhandlung des Theophilus Presbyter, diversarum artium sche-
dula, aus ihrer Vergessenheit an das Licht hervorzog, und aus
derselben die tiberraschendc Thatsache verktindete, dass die
Kunst, als deren Erfinder Jan van Eyk bisher rihmlichst ge-
nannt wurde, bereits Jahrhunderte vor ihm existirte. Nachdem
einmal die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher auf diesen
Gegenstand gelenkt war, ist noch eine nicht geringe Zahl wich-
tiger Zeugnisse, welche diese Entdeckung bestatigen, zum Vor-
schein gekommen, der Tractat des Theophilus steht nicht linger
vereinzelt da, und es geht deutlich hervor, dass wahrend des
langen zwischen diesem Schriftsteller und J. v. E. inneliegenden
Zeitraums die Malerei in Oel sich fortwahrend in Uebung er-
halten hat, obwohl, wie es scheint, weniger zur Kunst, als zu
untergeordneten Zwecken angewendet. Wird nunmehr die Frage
aufgeworfen, welche Hemmnisse diese werthvolle Erfindung
Jahrhunderte lang auf niederer Stufe zuriickhielten, und welche
Entdeckungen oder Hiilfsmittel J. v. E. in Stand setzten, sie
plétzlich zu hoher Vollkommenheit zu erheben, ohne dass wir
einen Uebergang zu bemerken vermégen, so sehen wir uns
vergeblich bei allen alteren Schriftstellern nach einer gentigen-
den Erklarung dieser merkwirdigen Erscheinung um.

So wie vor mehr denn vier Jahrhunderten die Maler am
Hofe Kénigs Alfons vor einem Bilde J. van Eyk’s sich vergeb-
lich den Kopf zerbrachen, ebenso sind auch wir, aus Mangel
uberlieferter Kunde, nicht im Stande, apodictisch nachzuweisen,
welches Verfahren J. v. E. angewandt habe, um seinen Werken
die friiher ungekannte Vollendung, den Glanz und trefflichen
Schmelz der Farbe zu ertheilen, wodurch sie die seiner Zeit-
genossen so weit tiberragten, Vorziige, welche allgemeine An-
erkennung und Bewunderung fanden, deren Ursache sich jedoch
allen Nachforschungen so vollstandig entzog, dass sein Geheim-
niss Jahre lang eiferstichtig bewahrt bleiben konnte. Die mei-
sten Forscher haben es in besonderer Beschaffenheit und Zu-
sammensetzung der angewandten Bindemittel zu finden geglaubt,
andere in der Behandlung der Farben, im Machwerk, ohne in
die Sache naher einzugehen, wie denn selbst bei Vasari, dessen
Relation auf Ueberlieferungen der einen wie der anderen Art
beruhen dirfte, ein gewisses Schwanken in dieser Hinsicht nicht
zu verkennen ist.

Das Verfahren, gewisse vegetabilische Oele durch Ein-
kochen fiir die Malerei zuzurichten, um sie trocknender her-
zustellen, ohne welches sie bei manchen, zumal den dunklen
	1) Zwar nennt die Geschichte nur Jan van Eyk als Erfinder, allein da
Hubert gemeinschafilich mit ihm gearbeitet und sich derselben Methode be-
dient hat, so darf man Letzteren nimmer ausschliessen und die Wahrschein-
lichkeit spricht dafar, dass Hubert der Lehrer des so viel jiingeren Bruders
gewesen, nicht umgekehrt. Bei der Unméglichkeit, die beiderseitigen An-
spriiche zu sondern, scheint es so billig als nothwendig, mit dem Abbé
Carton beiden Briidern gemeinschaftlich die Ehre zu geben, wenn auch der
Kiirze wegen Jan hier nur allein genannt wird.