der Oelmalerei sclber gestalten. Aehnlich erging es in Italien. Es ist kaum zu glauben, dass Vasari seines Landsmannes Cen- nini Abhandlung von der Malerei, deren Existenz er erwahnt, nicht sollte gelesen haben, und es kénnte billig auffallen, dass er die Gelegenheit entschltipfen lassen, seiner eignen Nation die Ehre zuzuwenden, anstalt v. E., dessen angebliches Ver- dienst ihm nur durch dessen Landsleute zur Kenntniss gelangt war, miuisste man nicht annehmen, dass Vasari diejenige un- vollkommene Oelmalerei, zu welcher Cennini Anleitung giebt, nicht nennenswerth gehalten, wie sie es, van Eyk’s Verbesse- rung gegentiber, wirklich auch kaum war. Denn mochte auch ein Zufall die erste Verwendung des Oeles zur Malerei in ent- legener Vorzeit gegeben haben, die Vervollkommnung konnte nur die Frucht der Ueberlegung eines grossen Kiinstlers sein, indem die neue, wenn auch einfache Methode, eine frither un- gekannte, auf ein sicheres und rasches Zusammenwirken von Hand und Auge beruhende Geschicklichkeit verlangte, wie wohl Wenigen in jener Zeit zu Gebote stand. So erklart es sich, dass viele und nicht unberihmte Maler, denen solche Tiichtig- keit nicht gegeben war, durch die Schwierigkeiten der neuen Technik abgeschreckt, bei der gewohnten Temperamalerei ste- hen blieben, welche deshalb, trotz ihrer Unvollkommenheit, sich noch lange in Italien behaupten konnte und erst mit Anfang des 16. Jahrhunderts ausser Uebung kam. Der Fortschritt von der alten Methode zur neuen, auf cin- fachen, von Nicht--Ktinstlern leicht ibersehenen Handgriffen be- ruhend, bewirkt nichts destoweniger eine ginzliche Umwalzung in der Kunst, indem er der Oelmalerei das weite Gebiet er- Offnete, tber das sie in den folgenden Jahrhunderten sich aus- gebreitet und frei bewegt hat; er bildet cine entscheidende Epoche. Auf ihm beruhen alle grossen Vorziige, welche diese Kunst voraus hat, Corregio’s klares Helldunkel, Tizian’s saft- reiche Carnation, Rembrandt’s geistreicher Vortrag, v. Dyk’s treffliche Modellirung, das precieux fini der Hollander, mit einem Worte die ganze Magie der Farhe, die wir bei ihr bewundern, in Tempera und Fresco unerreichbar. Nicht unverdient haben daher die Altvordern dem Meister den Ruhm grosser Erfindung zugesprochen und viele Umslande vereinigten sich, denselben zu befestigen, seine angesehene und ehrenvolle Stellung im Dienste des kunstliebendsten Fiirsten seiner Zeit, der Aufenthalt am grossen Emporium des Welt- handels, von wo seine Werke eine schnelle Verbreitung tber das ganze gebildete Europa fanden, vor Allem aber seine un- bestrittene Ueberlegenheit in der Kunst selber, vor allen Zeit- genossen. Hat dennoch die Nachwelt mit forschendem Geiste J. y. E. dieses Ruhmes entkleidet, so diirfte nur eine vieljah- rige Schuld abgetragen werden, indem sie, fiir das tiberwie- gend gréssere Verdienst, eine unvollkommene Disciplin neu m- gestaltet und zu ihrer Miindigkeit gefiihrt zu haben, ihm fortan eine hohere Stelle in der Geschichte anvweiset. CAunstiiteratur. chung nicht zu unterscheiden. Dieses Verfahrens soll nach Va- sari’s Erzdhlung auch J. v. E. sich frither bedient haben. In diesem unvollkommenen Zuslande scheint nun die Ver- wendung des Ocles zur Malerei sich eine lange Zeit verhalten zu haben, ja sie ware vielleicht in Vergessenheit gerathen, wenn nicht ein Meister wie v. E. mit gliicklichem Scharfblick erkannt hatte, dass gerade in derjenigen so unbequemen Eigen- schaft des Oeles, welche den Gebrauch erschwerte, vielmehr die cigentliche Vortrefflichkeit und Ausbildungsfahigkeit dieser Technik, ja sogar ein entschiedener Vorzug vor jeder anderen besteht. Von allen in der Malerei angewandten Mischmitteln bietet ndmlich nur das vegetabilische Oel den ungemeinen Vor- theil dar, die damit bereiteten Farben so lange fltissig (ductil) zu erhalten, als erforderlich, um dem Kiinstler eine hinreichende Beherrschung seines Materials zu gestatten. Wahrend bei der Tempera der Maler alle Niiancirungen seiner Téne auf der Pa- lette zu mischen genéthigt ist, weil sie beim Auftragen ihm unter den Handen trocknet, daher den Uebergingen durch Schraffirungen nachgeholfen werden muss, ist er bei der Oel- farbe im Stande, seine Tinten im Bilde selbst neben einander zu stellen, mit den Stiften einer Mosaik zu vergleichen, und sodann, wihrend der Auftrag geschmeidig bleibt, mittelst ge- wandter Pinselfihrung zu einem harmonischen Ganzen in ет- ander zu verarbeiten und auf das Vollkommenste zu verschmel- zen, dass das Werk aus einem Gusse erscheint, ein Verfahren, wie bekannt, in der Kunstsprache das Nass in Nass-—Malen genannt, wodurch allein die Reinheit der Farbe, die zarlen Ueberginge und der treffliche Schmelz erreichbar ist, welche Eigenschaften im Allgemeinen die Oelmalerei vor andern, зре- ciell aber v. E.’s Werke in so hohem Grade besitzen.!) Indem nunmehr die Farbe nicht linger wie friher in platten Lagen, Lasuren ahnlich, itber einander geiragen, sondern pastose in einander verarbeitet wird, sind die Operationen eines Bildes auf die wenigen der Untermalung, Ausfiihrung und letzten Hand vereinfacht, und es bedarf fortan nicht mehr des die Geduld ermiidenden Trocknens in den mannigfalligen Sladien, welche friher durchzugehen waren, auf dessen lastige Wiederholung sich das diuturnum et nimis taediosum des Theophilus bezieht. In diesem Verfahren, muthmaasslich von Summonzio unter disciplina di Fiandra verstanden, diirflen wir allein J. v. E.’s so lange Zeit unerforschies Geheimniss zu suchen haben, wel- ches er leicht bewahren konnte, indem er Niemand gestattete, ihm bei der Arbeit zuzusehn, eine tiberflissige Vorsicht, falls dasseibe in kiinstlichen Bindestoffen bestanden hialie. Verschie- dene Stellen bei alteren Schriftstellern deuten auf Aehnliches hin. Antonello z.B., entziickt iiber die ,,vivacité de colori e la bellezza ed unione* des y. Eyk’schen Bildes, cilt von Neapel nach Flandern, den Meister aufzusuchen, welcher ,,si contento che A. vedesse lordine del suo colorire a olio“. So und meh- reres dergleichen bei Vasari, indess schon hundert Jahre frii- her Averlino in seinem Architekturwerke sich vernehmen lasst: „Ма questo é altra pratica é altro modo e bello chi lo sa fare“, da wo er der Oelmalerei im Gegensatze zu andern gedenkt. *) ‘Als Vasari das Material zu seinem grossen Werke zusam- mentrug, war v. E.’s verbesserles Verfahren bereits Gemeingut aller Linder geworden, von den Kiinstlern unbewusst geiibt als eine Ueberlieferung vergangener Generalionen, leicht konnte also, nachdem die Zeit den Zusammenhang der Tradition ge- lockert, die unbestimmte an v. E.’s Namen gekniipfte Sage grosser Vervollkommnung der Kunst, sich zu der der Erfindunge ) Mentre che fresco st lavorava, i colori si mescolano e si uniscono Puno con Paltro pix facilmente. Vasari Introd. Cap. XXI. 2) Cod. Magliab. u. Vasari Ed. Pini u. Milanesi. Vol. V. p. 99. Kugtlers hand-book of Painting. The schools of pain- ting in Italy wanslated from the German by a lady. Edited with notes by Sir Charles Eastlake P. R. A, with upwards of one hundred illustrations drawn on wood by George Scharf jun. engraved by John Thomp- son and Samuel Williams. London. John Murray. 1001. Von @. Е. Waagen. Bekanntlich hat Sir Charles Rastlake schon die italic-