chem Maasse bei dem Publikum, als bei dem schalfenden Kiinstler selbst vorhanden ist, und dass es nicht gerathen er- scheint, die Befriedigung des darin sich kundgebenden allge- meinen Bediirfnisses ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Diese letzte ist es nun eben, auf welche, neben jenem anderen Zwecke, der geschichtliche Unterricht an den Akade- demieen sein Hauptaugenmerk zu richten hat. Es wird der- selbe dadurch sehr bestimmt darauf, als auf seine Haupt- aufgabe hingeleitet, von den verschiedenen Richlungen eines Zeitalters, einer bestimmlen Nation, von den grossen Fort- schritten und Entwickelungen der Weltgeschichte eine méglichst klare, bestimmte und so zu sagen individuelle Anschauung 2u gewihren und sich dazu aller der mannigfalligen Mitte] unmil- telbarer Vergegenwirtigung, lebendiger, auf Sinn und Gemiith gleich stark airkender Anschauungen zu bedienen, an denen dle Geschichte vor allen anderen Wissenschaften so unendlich reich 151. Ich will hier nur vorlaufig auf die Bedeutsamkeit der mensch-~ lichen Umgebung, seiner Wohnung, seiner Kleidung in den verschiedenen Perioden der Geschichte aufmerksam machen, deren wissenschaftliche Behandlung wir sogleich in der Ko- stimlehre naher charakterisiren werden. Vor der Hand indess haben wir bei dem Geschichtsunter- richt an und fiir sich noch eimen dritten Punkt hervorzuheben, welcher mir bei der an der Akademie zu befolgenden Methode sehr wesenllich erscheint. Wir haben als zwei wichlige Seiten dieser Methode er- stens die genaue Begranzung und Bestimmuug der verschiede- nen Zeitabschnitte durch Erérterung der bedeutendsten histo- rischen Thatsachen, die zu deren Begriindung und Entwickelung mitgewirkt haben, zweitens dic moéglichst anschauliche Schil- derung der verschiedenen Elemente bezeichnet, die sich in dem religidsen, sitllichen, staatlichen und intellektuellen Leben eines solchen Zeilraumes bewegen. Es kann hierdurch ein genaues Verstandniss einer bestimmten Periode erreicht werden, ohne dass auf die Erérterung und Darstellung eines jeden einzelnen Ereignisses ausfiihrlich eingegangen wiirde. Ein solches Ein- gehen haben wir vielmehr mit dem Zwecke, so wie mit den éusseren Bedingungen des akademischen Geschichtsunterrichts fiir unvereinbar erklart. Nun aber ist es sehr leicht denkbar, dass dem Kiinstler gerade die genaueste Kenntniss eines ganz bestimmten ecinzelnen Faklums nothwendig sei; ja, wenn er tberhaupt dazu kommt, einen bestimmten Gebrauch von dem durch den historischen Unterricht gebotenen Material zu machen, so wird dies eben nur in Beziehung auf ein ganz specielles Ereigniss der Ge~ schichte der Fall sein, indem, wo historische Aufgaben dem КиизИег оез1е \устаеп, diese sich eben begreiflicher \УУе1зе_ nur aul bestimmle Fakten, bestimmte Ereignisse und Personen beziehen kdnnen. In einem solchen Falle nun wird der Kistler allerdings den Vortheil haben, mit dem Gesammtcharakter einer Zeit, mit dem allgemeinen Habitus derjenigen Periode bekannt zu sein, in welcher das etwa in einem Gemalde darzustellende Ereigniss stattgefunden hat; er wird in dieser Bezichung Keine groben Verstésse, keine Anachronismen begehen KoOnnen und dadurch allerdings schon einen grossen Vortheil erlangt haben; aber es werden in diesem Ereignisse selbst eine Menge cinzelner Punkte und ganz specieller Umstinde liegen, die der akademische Ge- schichtsunterricht allerdings nicht voraussehen noch ausfithr- licher behandeln konnte, deren Kenntniss indess dem Kiinstler fir die vollstéandige Durchfiihrung der Aufgabe durchaus noth- wendig ist und mit denen sich devselbe, ehe er mit Erfolg an’s Werk gehen kann, vollkommen vertraut gemacht haben muss. (Schluss folgt.) ein specialwissenschalitlicher ist und deren Hinfihrung bei den Akademieen ohnehin der Mangel der Zeit entgegentrill, muss privaten Studien tiberlassen bleiben. So scheint es denn, mit Riicksicht auf diese Umstinde, am rathlichsten, einen gewissen Mittelweg einzuschlagen, nach wel- chem sich dann die Behandlung des Geschichts- Unterrichts etwa folgendermaassen gestalten wiirde. Die Aufgabe wiirde eine dreifache sein. Danach Кате es zunichst darauf an, ven den einzelnen Epochen, Perioden oder sonstigen Unterabtheilungen der Geschichte eine méglichst prag- nante Uebersicht zu geben, zum Theil mit Voraussetzung, zum Theil mit naherer Ausfihrung derjenigen Thatsachen, welche solche Perioden begriindet und entwickelt, so wie endlich zum Abschluss gebracht haben. Damit wire die faktische Grundlage, so zu sagen, das Knochengeriist eines bestimmlen, als Lehrobjekt vorliegenden Abschnities der Geschichte gegeben, und zwar kann dies, bei Vermeidung alles oberflichlichen Wesens, in verhaltissmassig -kurzer Zeit und in einer Weise geschehen, die auch den Kiinstler zu fesseln und mit den Resultaten wissenschafilicher Untersu- chungen vertraut zu machen im Stande ist. Das Weilere ware dann die Aufgabe, Geist und Charakter einer so einmal fest begrinzten Periode méglichst anschaulich und dem Kiinstler verstindlich hinzustellen. Es kame darauf an, ihm eine lebendige Anschauung der verschiedenen Bildungs- elemente staatlicher, silllicher, wissenschaftlicher und kiinstle- rischer Natur zu gewihren, die das Leben und die Entwicke- lung der Nationen in dem vorliegenden Zeitraume ausmachen und bedingen, so dass es sich also hier weniger um eine spe- ciellpolitische, als vielmehr um eine allgemeine Kultur-, Bil- dungs~ und Sitten-Geschichte handeln wiirde: es kame darauf an, ihm das gesammte Leben der Nationen, nach allen seinen verschiedenen Richtungen, Bestandtheilen und Gegensalzen der Art vor das Auge zu fihren, dass er sich einmal, so weit dies mdglich ist, heimisch und zu Hause darin fiihle, und dass er andererseils im Stande sei, dem auf diese Weise Erkannten, wo es erforderlich ist, auch im Kunstwerke Leben und kon~ krete Gestaltung zu verlethen. Auch dies, glaube ich, lasst sich bei allen zu nehmenden Riicksichten, in einer fiir Kistler und Kunst erspriesslichen Weise erreichen, wie ich denn selbst bei meinen Vortragen liber die Kunstgeschichte Aehnliches versucht habe, indem ich der speciellen Behandlung einer bestimmten Periode der Kunst- geschichte und der ausfihrlichen Betrachtung der fir den Kinstler bedeutsamen Meister und Kunstwerke stets eine Uebersicht, ein moglichst anschauliches Bild derjenigen Bildungs- und Ent- wickelungstufe vorausgeschickt habe, auf welcher die Kunst- weise eines bestimmten Volkes in diesem oder jenem bestimmten Zeitraume emporgewachsen ist. Denn darin liegt die eine, nieht unwesentliche und, wenn man so sagen will, mehr theoretische Bedeutung eines solchen Geschichtsunterrichts, dass sie dem Kiinstler die Entwickelung der Kunst selbst verstindlich macht, wihrend demselben’ auf der anderen Seite die mehr praktische Bedeutung beiwohnt, wonach das Verstandniss der Geschichte, die Anschauung der in thr lebenden Machte und Ideen, Stoff und Material fiir die unmittelbare Austibung der Kunst selber darbietet. Es beruht dies im der eigenthtimlichen und wohlbegriin- deten Richtung der Zeit auf die kiinstlerische Bewaltigung hi- storischer Stoffe, die wir an einem anderen Orte einer aus- ftihrlichen Betrachtung unterworfen haben, und die wir daher nicht weiter weder zu begriinden, noch zu rechtferiigen haben. Genug, dass eine solche, auf einem tiefen Zuge innerer Ueher- einstimmung beruhende Richtung vorhanden, und zwar in glei-