teltasche und der Schiliisselbund hatte abhalten sollen, da doch Diirer in einem offenbar ernsten Bilde einem Jinglinge nicht die Tracht der vornehmen Frauen seiner Zeit witirde angelegt haben. Den Schreibstift an der rechten und das Farben - oder Dintengefiiss an der linken Seite des Bildes, die schon durch diese Stellung sich als zusammengehérend darstellen, hat man fiir eine Klystirspritze (der Grosse nach ware es héchstens eine Ohrspritze) und fiir ein Rauchfass angesehen, die Kugel fiir eine Kegelkugel, das Polygon fir ein Saulenfragment, das Me- teor aber fir eine Sonne, was es schon seiner Farbung nach und auch nach seiner Stellung zum Regenbogen nicht sein kann. Nach den Auslegern soll das Phantom der Damon der Melan- cholie sein und das Bild sell die Verzweiflung der mit dieser Behafteten ausdriicken, oder wenigstens soll es den Genius des Nachdenkens bezeichnen, oder cine qualvolle Sehnsucht des alle Héhen und Tiefen erfassen wollenden Geistes, oder endlich das melancholische Temperament. An diese letztere Erklarung schloss man das J auf der Inschrift des Bildes, es sollte heissen No. 1, indem Diirer noch im Sinne gehabt habe, die anderen drei Temperamente nachzubringen, was aber aus unbekannten Ursachen unterblieben sei. Des Bildes Inhalt ist einfach der Gegensatz und zugleich die Verbindung des theoretischen Nachsinnens, der rubigen Beschaulichkeit, und des praktischen Handelns, des emsigen bedachtsamen Hleisses. Dieser Gegensatz legt sich zunadchst dar in der Zusammen- stellung der beiden gefliigelten Genien: der unbeschaftigt ru- henden, gedankenvollen, weiblichen, jugendlichen Figur mit Zirkel und Buch, des emsig schreibenden oder zeichnenden knabenhaften, kleinen Genius, der bedaehtsam, wie der emsige Fleiss es ist, sich noch einen Teppich ther den rauhen Mihl- stein gebreilet hat, wobei sinnig der Jugend die gedankenvolle Beschaulichkeit, dem Knabenalter der emsige Fleiss zugewie- sen ist. Diesen Gegensatz wiederholt der ruhige Spiegel des Mee- res, umgeben von bewohnten Ortschaften, die ruhende Waage neben der laufenden Sanduhr, die unbeugsame Stetigkeit des magischen Quadrates, welches in allen Richtungen mit strenger Nothwendigkeit dieselbe Zahl als Summe giebt, neben ‘er zur Bewegung bestimmten und leicht beweglichen Glocke und Waage und der in wirklicher Bewegung und zwar in Mitte dieser sich befindenden Uhr. Aber dieser Gegensatz soll verbunden und versdhnt wer- den, wenn er dem Menschen zum Heile gereichen soll; jede dieser Richtungen, einseitig und ausschliesslich verfolgt, fihrt uns ins Verderben, unsere besten Krifte lahmend; denn das miissige, theoretische Nachsinnen macht uns in seiner Aus- schliesslichkeit untiichtig zum Handeln und somit unbrauchbar fir das Leben; die einseitige Richtung auf praktische Nitz- lichkeit und emsigen Fleiss allein hemmt den Geist im Erfassen und Schaffen neuer grosser Ideen und bannt uns in die engen Grenzen des schon Gegebenen und Vorhandenen. Wie diese Lehre, sich keine dieser einseiligen Richtungen hinzugeben, schon durch dic geschwisterliche Nahe beider Ge- nien angedeutet ist, so sind auf dem Bilde die zur Theorie ge- hérigen Gegenstande den praktischen tiberall recht eigentlich und absichtlich nahe gebracht und Alles zeigt diese Vermitte- lung des Gegensatzes von Theorie und Praxis, von Denken und Handeln. Der zur stereometrischen Theorie gehérige mathematische Korper, nicht ohne Bedeutung tberall von pentagonalen Flachen umgrenzt, liegt zwischen Leiter und Hammer neben dem Mihl- steine, der, zu einem praktischen Zwecke bestimmt, zu sol- chem bereits gedient hat, wie das ausgebrochene Stick an dem relief, die Charitas von Tieck darstellend, welches fur die Londoner Ausstellung bestimmt ist. Die Mitte des Kreises, wel- cher die Gruppe einschliesst, bildet eine weibliche Gewandfigur, an deren Schultern sich zwei anmuthige Madchengestatten innig anschmiegen; in ihrem Schosse und zu ihren Fissen scherzen drei kleinere Kinder. Die Kopie ist von vorziiglicher Klarheit und Reinheit der Formen und Umrisse; alle die zierlichen Fal- ien der Gewandung, so wie die zarten Gesichtsziige sind treff- lich ausgepragt. Der gedimpfte Ton des Silbers, in welchem die Kopie ausgefithrt ist, macht, dass die falschen Reflexlichter, welche das polirte Metall leicht erhalt, vermieden sind und stalt dessen eine harmonische Wirkung erreicht ist. Wenn die Gal- vanoplaslik sich fernerhin so bewahrt, so diirfte sie in kurzer Frist dem Bronceguss cine gefaihrliche Concurrenz bereiten. Ueber Albrecht Diirer’s Bild, die ,,Melancnolie“ genannt. Das unter dem Namen ,Melancholia® bekannte, im Jahre 1514 gestochene Blatt Albrecht Diirer’s, scheint seiner Bedeu- tung nach so dunkel, dass es bereits die verschiedensten Er- kldrungen veranlasst hal. Gleichwohl trégt es eine leicht Jes- bare Inschrift: MELENCOLIA. § I; diese selbst stimmt aber anscheinend so wenig mit dem Inhalte des Bildes, dass eben hierdurch mehr Dunkelheit herbeigefihrt, als Licht erzeugt wird. Denn die Hauptfigur des Bildes, ein mit grossen Fligeln versehener weiblicher Genius, in die Tracht der vornehmen Frauen Niirnbergs zu jener Zeit gekleidet, hat ein nichts we- niger als melancholisches Ansehen, vielmehr ein zufrieden nach- sinnendes; sie halt einen geéffnelen Zirkel in der rechten Hand, welche auf einem zugekettelten Buche ruht; das Haupt ist be- kranzt und von der linken Hifte fallt die wohlbekannte mittel- alterliche Gtirteltasche mit dem Sehliisselbunde herab, Zur Rechten dieses Genius silzt auf einem an dem einen Rande be- schddigten Miihlsteine und einem dartiber gebreiteten Teppich ein kleiner, ebenfalls gefliigelter Genius in Knabentracht, emsig auf einem in seinem Schoosse ruhenden Tafelchen schreibend oder zeichnend. Beide sitzen mit dem Rticken an einem Pfeiler, der weit tber die Héhe des Bildes hinausgehend zu denken ist und an welchem iiber dem kleinen Genius eine inne stehende Waage, iiber dem grésseren eine Jaufende und halb abgelau- fene Sanduhr, eine ruhende Glocke mit Schnur zum Anziehen und @in magisches Quadrat hangt, welches in allen Richtuagen die Zahl 34 giebt. An den Pfeiler ist eine gewéhnliche Leiter angelehnt, an dieser liegt ein rein behauenes grosses Polygon, uberall von pentagonalen Flichen eingefasst, hinter diesem ein Schmelztiegel, in brennenden Kohlen stehend, daneben eine Feuerzange, neben dem Polygon ein Hammer, vor beiden ein schlafender Hund, weiter vor ein kieines Dinten- oder Farben- gefiss, eine Kugel, ein Fiigmaass, ein Hobel, unter dem Kleide des grésseren Genius ragt eine gewdhliche Schlosserzange vor, weilerhin liegt eine Stosssige, unter dieser ein Lineal, tber diesem vier etwas verbogene Bretinaigel und ein kleines spritzen- ahnliches Instrument, was man als einen Schreib- oder Farbe- slift ansehen kann. In der Ferne sicht man das Meer, am Ufer eine bewohnte Orischaft; iber das Meer spannt sich ein Regen- bogen und unter diesem nimmt den ganzen Hintergrund ein strahlendes Meteor ein, im Begriff ins Meer zu sinken; vorn schwebt unter dem Regenbogen ein fledermaus- und drachen- artig gebildetes Phantom, welches die schon angegebene In- schriil tragt. Schon in der Deutung dieser Dinge selbst waltet Verschie- denheit ob, indem шап аеп отоз5егеп бешаз ха einem тапп- lichen hat machen wollen, wovon schon das Costiim, die Gtir-