schaft an dem Auischwunge jener Zeit ecinrethte, wie meister-
haft hat die eine Hand des Kiinstlers an der Wirklichkeit strenge
festgehalten, wahrend die andere mit sanfter Gewalt das wider-
spenstige, eckige Kostiim jener Zeit mit den Linien der Schén-
heit zu bekleiden wusste. Welch’ ein Architekt ist Rauch in
der Zusammenfigung dieser Steine zu seinem Statuenbau, welch’
ein Poet in der Charakteristik der Figuren und in der Concep-
tion des Ganzen, welch’ ein Maler in der Composition der
Gruppen, und doch bleibt er vor Allem — Skulptor, der die
Gesinge seines Epos in objectiv befestigten Gestalten gebildet
hat. Einer jeden hat er sein Senkblei mitten in die Brust ge-
senkt und von diesem Angelpunkt aus die durch sie bedingten
Formen wieder nachgebildet, so dass sie, als wirkliche Exi-
stenzen des Geistes erfasst, dastehen.

Kommen wir nun zur Beschreibung des Denkmals. — In
vier Gliederungen erhebt sich das Statuengebaude, welches das
Piedesial fir die Reiterstatue bildet. Zu unterst liegt ein 6 Fuss
hoher, 28 Fuss langer und 22 Fuss breiler Sockel von dunkel-
farbigem Granit, dessen Ecken quadratische Ausladungen haben.
Auf diesen ruhen die schneckenférmig gewundenen Zwickel,
welche die vier Ecken einer 44 Fuss hohen erzenen Wiederho-
lung des Unterbaues begrenzen, der fir die Inschriften be-
stimmt ist. Die Inschrift der Vorderseite lautet:
	FRIEDRICH DEM GROSSEN
FRIEDRICH WILHELM DER DRITTE
	MDCCOXXXX

VOLLENDET UNTER FRIEDRICH WILHELM DEM VIERTEN
MDCCCLL
	Dariiber ist en relief Krone, Scepter, Schwert und Lorbeer an-
gebracht. Die tibrigen Seiten dienen als Denktafeln, und ent-
halten die beiden Langseiten zusammen 61 Namen ausgezeich-
neter Manner des Krieges, die Riickseite 15 Namen von hervor-
ragenden Philosophen, Dichtern, Gelehrten, Ktinstlern, Staats-
mannern, kurz Mannern des Friedens. — Jene Zwickel die-
nen nun als Consolen, auf welche die vier Pferde der lebens-
grossen Reiterstatuen hervortreten, welche die vier Ecken des
10 Fuss hohen langlichen Wiirfels einnehmen, der den eigent-
lichen Kérper des Piedestals bildet und um welchen herum
Gruppen von 24 Equester- und Pedesterstatuen geordnet sind,
tiber welche an den Wanden des Wirfels Reliefdarstellungen
hervorragen. Die vier Reiter sind: an der Vorderseite: Hein-
rich, Prinz von Preussen, der Bruder des grossen Konigs, und
Ferdinand, Herzog von Braunschweig, als die Vertreter kluger,
berechneter Kriegfiihrung, die Meister der Taktik; an der Riick-
seite: der alte Zieten und der ritterliche Seidlitz, als die Re-
présentanten der frischen, kihnen und muthigen Kriegsthat.
Jene hat der Kiinstler mit angezogenem Zigel, in ruhiger Hal-
tung und hier mit tiberlegender, dort mit ruhig commandirender
Geste gebildet. Das Pferd des wackern Husarengenerals aber
hebt kampfmuthig das Haupt und schlagt den Boden, wahrend
Zieten den Degen zieht und das kihne Auge geradaus gegen
den Feind richtet:

Sie haben’s All’ erfahren Sie kamen nie alleine,
Wie er die Pelze wusch, Der Zieten und der Fritz,
Mit seinen Leibhusaren, Der Donner war der Eine,
Der Zieten aus dem Busch. Der Andre war der Blitz.

wie Fontane sagt. In Seidlitz aber erblicken wir dic leichte,
frische, kecke und unruhige Reilergestalt. Sein Mantel! weht
zurtick, so dass die knappe Korperform frei zu sehen ist, wel-
ches mit der im Satlel gewendeten Haltung und dem ausge-
streckten, fernhin deutenden Arm eine sehr gliickliche Wirkung
macht, ganz das Abbild jenes Ideals eines mannlich schénen
	Rejters:
	Das Denkmal Friedrich s des Grossen von Ghr. Rauch.
	Wir lesen bei den Allen von dem Koloss von Rhodus,
der unter die Wunderwerke der Welt gerechnet wurde. Un-
sere Zeit hat eine Bavaria hervorgebracht. Wir lesen von dem
beriihmten Erzgiesser Lysippus, der eine Statuengruppe (thurma)
gehildet haben soll, die 24 Reiterstatuen enthiell, Alexander
den Grossen und 23 seiner naheren, am Granikus gefallenen
	Freunde.
Noch Jeben Manche von dem Geschlechte, welches Frie-
	drich den Grossen sah und seiner [haten Zeuge war, und es
lebt wenigstens in Preussen Niemand, der nicht ein lebendiges
Bewusstsein von dem Manne, der Preussen gross gemacht hat,
im Herzen trtige, und schon hat sich der bildnerische Geist ge-
funden, der das Verlangen des Volkes, seinen , Einzigen“ т
einem Denkmale vor Augen zu haben, zu einer grossartigen
herrlichen Schédpfung zusammenzufassen und zu verkérpern
wusste. Rauch bildete Friedrich den Grossen mit 24 lebens-
grossen Statuen der Genossen seiner Arbeit und seines Ruh-
mes, der Gehiilfen seiner Lebensaufgabe, den Preussischen Staat
zu einer europadischen Grossmacht zu erheben. Dazu kommen
noch die vielen Reliefdarstellungen und Bildnisse, womit das
Monument bedeckt ist, so wie vier sitzende allegorische Figuren.

Hs ist interessant, zurtickzugehn auf die erste Regung im
Volke, dem grossen Friedrich ein Denkmal aufzurichten, zu
verfolgen, wie alle Lebenden gewissermaassen durch Wunsch,
Beisteuer, kiinstlerische Uebung und Urtheil mitarbeiteten, bis
endlich das dazu bestimmte Genie kam, das den Wunsch und
die Aufgabe in ganzer Fille erfassend und empfindend, das Mo-
nument ersarn und durch jahrelanges Streben zu Stande brachte,
welches er heute der Welt als vollendet zu tibergeben so gltick-
lich ist.

Mit klarem richtigem Sinn versuchte sich Rauch nicht in
der unerquicklichen Aufgabe, den grossen Mann und seine Zeit
in ein allegorisches Gebilde zusammenzudrangen, vor dem der
unbefangene Beschauer kalt und unangesprochen hatte stehen
miissen, vor dem nur der grtibelnde Verstand seine Rechnung
gefunden hatte; er zerlegte die grosse Aufgabe nicht in Geist
und Kérper, um den Extract von jenem durch Symbol und An-
spielung und den ganzen Apparat einer Zeichensprache wieder-
zugeben, die immer der Uebersetzung bedarf und oft nur schein-
bar tiefsinnig, noch 6fter spitzfindig ist; vielmehr versammelte
er leibhaflig um den grossen Helden die Gestalten, in denen
die verwandten Geister desselben, die die Zeit machen halfen,
lebten. Wo Alles rings umher, wo jeder Stein noch von dem
grossen Kénige redet, wo ein Jeder ihn und die ihn umga-
ben, aus hundert Ueberlieferungen, aus tausend Bildern und
Geschichtsbiichern kennt, so dass die jetzige Generation sich
fast noch als eine mitlebende betrachtet, was sollten da Zei-
chen und Wunder, was sollten da andere Bilder, als die ganz
geireuen lebenswahren Figuren mit dem eigensten Stempel ih-
rer individuellen Eigenthiimlichkeit. Wir erinnern uns hier eines
Ausspruchs von Chamisso, der im Gesprach, tiber die beste
Darstellungsart des grossen Kénigs, behauptete, der alte Fritz
kénne nicht anders gegeben werden, als getreu in seinem Co-
stim, die Farbe mit eingerechnet, und ohne Piedestal auf eine
Briicke mitten in den Verkehr des Volks gestellt. Dem Geiste
nach hat Rauch die Aufgabe so gefasst,- nur hat er in der
Sprache des bildenden Kiinstlers ausgedriickt, was der Dichter
in seiner Sprache sagte. Und wie gut hat es der Meister ver-
standen, mit der jedesmaligen Besonderheit der Figuren dieses
Kreises den Stempel des Allgemeinen zu verschmelzen, wo~
durch der Einzelne sich dem grossen Bunde, der Theilhaber-