171 Herr Seidlitz, auf dem Falben, Sprengt an die Front heran, Sein Aug’ ist allenthalben, Er mustert Ross und Mann, Er reitet auf und nieder Und blickt so lustig drein, Da wissen’s alle Glieder: Heut wird ein Tanzen sein. Schnirenwerk seiner reichen Husarenuniform. Riuckgewendet spricht er mit Dieskau, dem General der Artillerie, der den rechten Fuss auf cine Kanone stellt. Die Mitte nimmt der wackere Hans Carl v. Winterfeldt ein, einer der Lieblinge des grossen Kénigs, gleich erfahren und gewandt mit dem Wort, wie mit dem Schwert. Er hat vor dem Dragonerchef Eugen, Prinzen von Wiirttemberg, eine Karte aufgeschlagen, auf der alle die Orte der gewonnenen und verlorenen Schlachten ver- zeichnet stehen, ein Blatt Geschichte. Zwischen beiden schaut aus dem Hintergrande, in nachdenklicher Stellung, Tauenzien durch, der bertihmte Vertheidiger von Breslau. Die Reliefbil- der zeigen den Kronprinzen Friedrich Wilhelm II und den Husarengeneral v. Belling, den Hauptfiihrer des schwedischen Feldzuges, der das zweite schwarze Husarenregiment errichtete, das nicht den Todtenkopf, sondern die ganze Figur des Todes an der Miitze trug. Mit all’ den Uniformen hat der Kistler gewiss seine gros- sen Schwierigkeiten gehabt. Aber wie hat er diese zu besei- tigen gewusst! Ueberall tritt der Glanz der Uniformen hervor, stets am rechten Orte gemildert durch die gefalligen Falten des Reitermantels, der wieder seine Rolle mit solcher Decenz spielt und sich in so gliicklichen Motiven bewegt, dass dadurch eine sehr harmonische Abwechselung erzeugt wird. Nirgend Ab- sichtlichkeit, also auch nirgend Verstimmung. Vielmehr figt sich der Bau der Gruppen, obwohl unter dem strengen archi- tektonischen Gesetze der Symmetrie stehend, welches das Ganze durchwaltet, so ungezwungen aneinander, dass man bei der Betrachtung nur den wohlthatigen, still wirkenden Einfluss je- nes Geselzes empfindet, ehe und ohne dass man sein Vorhan~ densein besonders bemerkt. Und dazwischen diese Fille von charakteristischen Képfen, welche alle — meist unter Hinweg- lassung des dreieckigen Hutes — mit dem zuriickgestrichenen Haar und ohne Bart (es sei denn, dass wir den alten Dessauer oder die Husarengenerale vor uns haben) fiir die Arbeit des Bildhauers, so zu sagen, rechten Raum geben. Aber wie hat der Meister sie auch herausgearbeitet und in ihrer Eigenthtimlichkeit wiedergegeben. Wie tritt das besonders bei den Figuren der Riickseite hervor, deren Kiépfe die verschiedenartigsle geistige Bethatigung geformt hat. Da sehen wir Lessing, der, wah- rend sein Chef, der General Tauenzien, die Grenzen des preus- sischen Staats behauptete, in seinem Laokoon die Grenzen der Malerei festzustellen unternahm. Seine freie, grade Gestalt ist der Ausdruck der Schlagfertigkeit und Festigkeit. So hort er, der frei, wo es ihm heliebte, an dem Tische der Weltweisheit gastete, in sicherer Klarheit Kant, dem Weisen von Kénigs- berg, zu, dem sorgfiltigen, ruhigen und umsichtigen Erbauer des Systems. Die Verschiedenheit des Naturells in diesen bei- den Charakteren, die beide zur Waffengattung der Kritiker ge- hérten und beide auf dem Gebiete des Geistes so epochema— chend und reformatorisch wirkten, ist auf das vollendetste zum Ausdruck gekommen. Lessing, wie ein kithner Freikorpsfihrer, der mit seinen Gedankenblitzen plétzlich gerade da auftritt, wo man ihn am wenigsten erwartet, der fast in jedes Gebiet des Geistes einen siegreichen Streifzug machte; Kant dagegen wie ein vorsichtiger Stratege, der sich Zoll um Zoll erkaémpft, bis er zuleizt ein ganzes Reich beisammen hat. Lessing in stolzer Haltung, gymnastisch gebildet, mit kraftig rundem Kopfe, Kant dagegen von gebicktem, etwas zusammengeschrumpftem Кбт- perbau, mit scharfkantigen Gesichtsziigen, aber hoher Stirn und Pertinacitét im Ausdruck. Es ist tiberaus interessant, die Be- stitigung der inneren Eigenthimlichkeit dieser Manner Zug fiir Zug in ihrer Erscheinung bestatigt zu sehen. Zug fir Zug bestirkt und befestigt sich bei langerer Betrachtung der Ein- druck, den schon der erste Anblick hervorruft. — Nicht min- 99 * Der Raum unter den Pferden dieser Reiterstatuen ist mit Waf- fentrophaen aller Art ausgefillt. Zwischen ihnen gruppiren sich die Pedesterstatuen und bilden mit ihnen den Kranz von Helden und grossen Mannern, der um das Piedestal gelegt ist. Die lebendige Gruppirung, die von jeder Gezwungenheit fern ist, macht den Eindruck einer Versammlung all’ dieser Zeitgenos- sen des grossen Kénigs auf dem Schauplatze ihrer Thaten. So schlicht und lebenswahr, wie jede Persénlichkeit zur Erschei- nung gekommen ist, so bedeutungsvoll steht eine jede da und liefert ihren Beitrag zu der grossartigen Geschichtstafel, die durch sie vor dem Blicke aufgerollt steht. Da ist (an der rechien Langseite) der General-Feldmarschall Graf Gessler, der als der Urheber des mit Virtuositat ausgefiihrten Coups bei Hohenfriedberg gilt. Er scheint dem Erbprinzen Leopold Max von Anhalt-Dessau, seinem Feldmarschall, der mit dem Kommandostab in fiirstlicher, kriegerischer Hallung даешь, einen Bericht zu geben. Zwischen beiden, im Hintergrunde, erblickt man das jugendliche Bild des Oberstlieutenant v. We- dell, mit dem Schwert und Lorbeer im Arme. Dieser gilt sei- ner wackern That bei Selmitz, die ihn die Benennung des preus- sischen Leonidas verschaffle. Es folgt der alte General ~Major Wartenberg, der sich im schlesischen Kriege auszeichnete und sein Husarenregiment so gut ausbildete, dass der alte Fritz junge Offiziere bei ihm .in die Schule schickte. Er spricht 2u dem General - Major von der Goltz, der ihm, auf seinen lan- gen Degen gestiitzt, das Kinn in der Hand wiegend, aufmerk- sam zuhort. Ueber diese Alle sieht man noch in flachem Re- lief die Halbfiguren des allen Dessauer und Schwerin’s ragen, die an den Hiifen noch den aus der Schlacht bei War- schau stammenden Eichenzweig haben, hinter Beiden wallt die Fahne, die Schwerin tragt und mit der er fiel. Vier Kugein, erzgegossne, Sie haben ihn zerfetzt, Die Fahne, die zerschoss’ne, Sein Bahrtuch ist sie jetzt. Er fasst die alte Fahne, Noch nie zur Flucht gewandt, Dass er den Sieg erbabne Mit seiner Greisenhand. So singt von ihm der Dichter der ,,Manner und Helden“. Ab- geschlossen werden diese Reliefbilder der Langflichen zu bei- den Seiten durch Béume, wodurch der alte Zieten gleichsam wirklich ,,aus dem Busch“ kommt. Die Vorderseite enthalt fiinf Statuen. In der Mitte steht, auf seinen Kirassierdegen ge- stiitzt, in ruhiger statuarischer Haltung, der General der Ka- vallerie Pring August Wilhelm von Preussen. Links neben ihm die Helden und Retter an den Tagen von Kunersdorf und Torgau, Bernh. v. Prittwitz und Sigismund v. Lestwitz, in briiderlichem Verein. So frei und ungezwungen ist der Kiinstler in der Gruppirung verfahren, dass der Husar Prittwitz in sei~ ner Wendung gegen den Kameraden dem Beschauer fast den Ricken dreht und nur ein Viertel vom Antlitz darbietet. Rechts stehen der alte Oberst von der Heyde, der Vertheidiger von Colberg, mit dessen Plan er sich eben beschaftigt, und der Ge- neral Dietrich v. Hiilsen, der als 7OQjahriger Greis, ver- wundet und ohne Pferd, wie er war, sich auf eine Kanone bei Torgau in die Schlacht fahren liess, um die Schlacht nicht fahren zu lassen, Als Reliefbild sieht man den Keith reiten, den umirrenden Odysseus, und hinter ihm vorschauend, das feine Profil des Markgrafen Karl von Brandenburg. Die zweite Langseite zeigt wieder ftinf Statuen. Zuerst ГАШ der Husarengencral y. Kleist in’s Auge, der kihne Frei- korpsfihrer, eine ahnliche Figur wie der chevalereske Seidlitz. Seine Linke ruht auf dem Degen, die Rechte nachlassig in dem