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	“Zeitung
	fiir Dildende Kunst und Baukunst.
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,
	Unter Mitwirkung von
	sSugier in Berlin — Passavant in Frankfurt’ — Waagen in Berlin — Wiegmann in Diisseldorf — Schnaase
in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Minchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien
		Me 24.
	Kunst und Alterthum in Salzburg.
	(Fortsetzung. )
	So wie in unserem Museum fiir das Alterthum wenig Sorg-
falt und Vorliebe zu erringen ist, so geht es auch mil der Цех-
stellung von kirchlichen und profanen Gebaiuden aus klassischer
Kunstepoche, denen Neuerungssuchit Ueberladung und Verstimm-
lung aufgedrungen hat.

Das Kloster St. Peter, von je her die Wiege der salzburg-
schen Kullurgeschichte, zeigt uns einen beklagenswerthen Zu-
stand. In seinem Bereiche befinden sich die ehrwiirdigen Héhlen
deg Ménches Maximus und seiner Gesellen, welche durch Odoacer
und seine Horden darin aufgerieben wurden. Sie sind aus
dem Conglemerat des Ménchberges ausgemeisselt und tragen
schon den kirchlichen Typus der Nischenformen der rémischen
Katakomben. Diese Urform des christlichen Kirchenbaues,
wie ist sie aber durch zopfige moderne Altare und anderes
Gebalk verunstaltet!

Dergleichen Verwahrlosung trifft die schéne germanische
Margarethen-Kirche in Mitte des romantisch gelegenen, weil
berithmten Friedhofes. Das willkirliche Ankleben von modernen
Grabsteinen unschéner Form zerstért die einfache edle Gestal-
tung dieses Gotteshauses, und welch eine geschmacklose Ueber-
ladung von geschweiften Altéren befindet sich in seinem schon
gegliederten Inneren! Welch rohe Kappe driickt das niedliche
schlanke Thiirmchen darnieder, und wie ist das schmucke Portal
von Anhangseln beengt! Alle Vorschlage sind vergebens, selbst
die dargebotenen pekunidren Mittel, diese Kirche aus ihrem
Verfalle wieder zu erheben, bleiben unbeachtet, so dass es den
leidigen Anschein hat, dass man Kunst und Alterthum hasse.

Die Arkadenreihe, die den so herrlich gelegenen Friedhof
umzieht und als Griifte der angeseheneren Familien benutzt wird,
zeigt, mit Ausnahme einiger wenigen, jingst entstandenen Mo-
numente, eine Reihe voll gedankenloser Steinaufhaufung, ge-
mischt mit eitlem Geprange ntichternen Tandes. Ware es nicht
eine schéne Aufgabe der Ménche von St. Peter, diesen mit
Martyrerblut der ersten hiesigen Christen gewcihten Boden, um-
geben von den herrlichsten Naturschénheiten, zwischen ehr-
wirdigen Bauten, zum stolzen Pantheon salzburgschen Kunst-
strebens umzugestalten? Warum sollte nicht nach einer Idee
	cin einem Camposanto entsprechender Styl an simmtlichen Griiten
И. Jahrgang.
	redigirt von Dr. F. Eggers in Berlin.
	Sonnabend, den 14. Juni.
	zu finden sein, wahrend jetzt der Abschaum des Geschmack-
losesten hier wetteifert?
	Leider ist der Zugang zu den Griften der Ménche durch
den mit reich gemeisselten Grabsteinen belegten Kreuzgang nicht
um ein Weniges sorgsamer gepflegt.

Noch immer steht ein aus Tyroler Alabaster im frithen

Mittelalter gemeisseltes Standbild einer Madonna mit dem Kinde
mit fraizenhafter Umgebung behangen auf einem Seitenaltar ihrer

durch tolle Verzopfung verunstalteten Kirche, waihrend ein keu-
sches Bild aus dem 15. Jahrhundert von schonungsloser Stitm-
perhand erst kirzlich mit ,,frischer“ Farbe tibermalt wurde.
Jeder Einwendung, die derlei Walten missbilliget, begegnet
man ,,mil dem Drange der schlechten Zeiten“.

Demungeachiet ziehen sie soeben mit grossen Kosten ihre
grésste, S19 Jahr alte Glocke, von schéner reiner For-
mung, vom hohen Thurme herab, um selbe umgiessen zu lassen,
weil diese alte Verkiinderin zufallig nicht mit den kleineren
neueren Glickleins stimmt. O, treuer Spiegel der Zeit}.

Selbst im Bereiche des Domkapitels geschieht in dieser
Beziehung nicht viel Erheblicheres. Der Domschatz, der manche
sinnreiche Reliquie des grauen Alterthums aufzuweisen hat, liegt
noch gleich einem Kram einer kindischen Zeit, ohne alle
chronologische Aufstellung, durcheinander, wahrend man an-
derseils schon wieder eifrigst bedacht ist, einen neuen Kram
zu erfinden, um in der ernsten Charwoche den Traueraltar des
Schlachtopfers mit sinnlichem Tande auszuschmiicken. Kaiser
Josef II hat zu dieser Kirchentrauer, um mit einem Male alle
theatralische Dekoration aus der Kirche zu verdrangen, die ein-
fache Form eines Sarkophages und eines leeren Kreuzes ange-
ordnet; die jetzige Freiheit der Kirche glaubt sich nun gefahrdet,
wenn sie dieser josefinischen Anordnung noch ferneres Gehér
gebe, sie will nun wieder zu transparenten und figiirlichen Dar-
stellungen aus der Leidensgeschichte ihre Zuflucht nehmen, um
selbst in den Tagen der tiefsten Trauer mit Flimmer und Farben-
spiel Andacht zu erziclen, vergessend, dass die strenge Form
des geheiligten Altares durch die Theaterkoulisse ganzlich ver-
scheucht wird. Nehmen wir auch an, dass durch splendide Mittel
der Metropole ein wiirdevolles Scenarium hiezu erzweckt werden
kénne, allein welch cine Type ist nun aufzustellen, um minder
bemittelten Kirchen eine derartige Aufstellung verschaffen zu
kinnen? heisst das nicht Mittel an die Hand geben, neuerdings
wieder Stoff zu geistloser Férmlichkeit zu schaffen? Und wie

kénnte auch eine und die namliche Form den Kirchen des ger-
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