194
	tie“, 1841, gehérte zu den Ereignissen in der Kunstwellt; und
wer nicht Glick oder Scharfblick genug gehabt hatte, um in
den ersten acht Tagen das noch unbekannte Meisterstiick von
5 Quadrat-Zoll aufzufinden, der musste von da an seinen Platz
davor mit Mihe erobern. Bei der unendlichen Zierlichkeit der
Ausfiihrung, bei der Scharfe der Zeichnung fiel jedoch an die-
sem Bildchen ein eigenthiimlicher Mangel der Perspektive auf,
demzufolge die vorstehenden Theile des Korpers, die Kniee
der Sitzenden, so wie Fiisse und Hande, verhaltnissmassig zu
gross erschienen, wie dies bekanntlich bei mechanischen Re-
duktionen der Fall ist. Es fehlte daher auch nicht an Stimmen,
die den Kinstler beschuldigten, sich des Daguerreotyps zu be-
dienen und mit dessen Hilfe seine Figuren zu zeichnen. Der-
selbe Fehler war im folgenden Jahre noch bemerklich, wo M.
einen jungen ,,Bassspieler“ und einen ,,Raucher “ ausstellte,
verlor sich dann aber ganz. Der Salon von 1843 brachte von
M. einen ,,Maler in seiner Werkstatte“ und zwei kleine Man-
nerbildnisse; der von 1845 eine ,,Wachstube“, einen ,,jungen
Mann, in einer Mappe mit Zeichnungen blatternd“ und die ,,Pi-
ketspieler“. Im Jahre 1848 erschienen ,,drei Freunde“, ,, Ke-
gelspieler“, ,,Soldaten“ und ,,drei Portraits“; 1849: ein ,,Rau-
cher“; und in diesem Jahre endlich: ,,der Sonntag“, ,, Erin-
nerung an den Biirgerkrieg“, ein ,,Lautenspieler“, ein », Maler,
der seine Zeichnungen vorweist“, ein ,,Portrait“. Nicht ohne
Absicht gebe ich diese Aufzihlung, welche — mit Ausnahme
der Jahre von 1837— 40, — das volistandige Verzeichniss der
Werke dieses Kinstlers enthalt, weil sich aus derselben die
Natur der von ihm behandelten Vorwiirfe und die Richtung sei-
nes Geistes deutlich ergiebt. In leidenschaftslosem Zustande,
in ginzlicher Ruhe, oder aber stillem Kunstgenuss oder harm-
losem Spiel hingegeben, wobei selbst jede heftige Bewegung
ausgeschlossen ist, stellt M. vorzugsweise seine Personen dar,
die, wo es sich von Kriegsleuten handelt, der Zeit Gustav
Adolphs, in den meisten Fallen aber dem Biirgerstande und in
ihrer altfrankischen Tracht, der Mitte des vorigen Jahrhunderts
angehéren. Es ist dies die Zeit, es ist die Tracht des Malers
Chardin, dessen freundliche Familienscenen unserm Kinstler
unverkennbar vorschweben. Chardin, der besonders durch das
reine Naturgefihl in einer Zeit ganzlicher Verbildung wohl-
thuend wirkt, hat, bei geringerer Feinheit, vor Meissonnier die
Naivetat, so wie auch den Vorzug voraus, dass er seine Gebilde
aus seiner Zeit und aus seiner nachsten Umgebung entnimmt,
wahrend der Kiinstler des 19. Jahrhunderts das Medium, in dem
er lebt, einer kiinstlerischen Gestaltung fir unfahig oder der
Darstellung unwiirdig halt. Darin und in der Wahl seiner
Stoffe steht Letzterer jedenfalls auch hinter den grossen Mei-
stern der hollandischen Schule zurtick, welche selbst in ihren
derben, den niedersten Kreisen und dem beschranktesten Da-
sein entnommenen Schildereien uns ein bedeutsameres Stick
Menschenleben vorfiihren und einen tieferen Blick thun lassen
in Gewohnheit, Sitte, Lebensweise, hausliche Einrichtung und
gesellige Verhaltnisse ihrer Landsleute und Zeitgenossen. Dass
unsere Zeit aber nicht jeglicher Poesie baar und ledig, der
kiinstlerischen Darstellung vicl mehr, wie jede andere, eine Seite
darbiete, die es dem wahrhaft berufenen Kiinstler herauszufin-
den obliegt, das hat — so manches Andern nicht zu gedenken
— unser trefflicher Meyerheim siegreich bewiesen. АПег-
dings entnimmt Meyerheim seine Darstellungen den Kreisen, in
welchen die tyrannischen Launen der Mode nur wenig Einfluss
ausitben, und vermeidet auf diese Art die Klippe, an der die
meisten Kiinstler, z. B. der 20ger Jahre unseres Jahrhunderts,
scheiterten, deren Genrebilder und selbst Portraits, in Folge
der takt- und geschmacklosen Befolgung der herrschenden
Mode, unter der Wucht des Lacherlichen erliegen. Darin steht
	Seit sieben Jahren besitzt Salzburg einen Kunstverein, des—
sen Theilnehmerzahl immer zwischen 800 und 600 wechsellt.
Es wurden wahrend dieser Zeit 31,485 Fl. durch Vermittelung
des Vereins den beschickenden Kiinstlern zugefiihrt. Man kann
die freudige Ueberzeugung aussprechen, dass es dem gréssten
Theil der gebildeten Bewohner Salzburgs zur unumginglichen
Nothwendigkeit geworden ist, dem heiteren Kultus der reinen
Kunst mit innigem Behagen anzuhdngen, auf welche Weise die
Kunst, die so lange Jahre bei uns unbeachtet blicb, zum er-
habenen Gemeingut wird. Nur durch gemeinniitzige Ver-
aweigung ins Leben kann die Kunst jene Friichie bringen,
welche wir im Mittelalter so allgemein bewundern miissen, und
so mag es auch der Thiligkeit des Kunstvereins— Ausschusses
nicht fehlen, diese Anstrebungen durch eine reich beschickte
Ausstellung und durch gediegene Leistungen fiir das Vereins-
geschenk bald zu erreichen. Besonders neuer Impuls steht jetzt
zu erwarten, da man beschlossen hat, sich mit 100 Aktien an dem
neuen ésterreichischen Kunstverein in Wien zu betheiligen, wo-
durch unsere permanente Kunstausstellung einen sehr bedeu-
tenden und gediegenen Zuwachs von jaihrlich drei Ausstellungen,
je wenigstens zu 30 Bildern, theils der vom Wiener Verein
angekauften, theils der ihm zugesandten und durch Schiedsge-
richt als yerbreitungswirdig anerkannten Werke bekommen wird.

Selbst die 100 Vereinsgeschenke, welche tiberdies unserem
Vereine durch dieses Theilnehmen zufallen, kommen unserer
alljahrlichen Verloosung zu Gunsten, so wie auch die allfal-
ligen Gewinne der 100 Aktien. Unser Verein, dessen Mittel
nicht erlaubten, sich zur Beschickung seiner Ausstellung auf
einen grésseren Wirkungskreis auszudehnen, erlangt nun hier-
durch eine gewiss grossartige Einsicht in das Streben der
Kinstler zu Dresden, Berlin, Dtisselderf, Céln, Briissel und
Paris, sonach Auge und Urtheilskraft des Beschauers stets einer
vergniigungsreichen Uebung ausgesetzt ist und der Geschmack
die feinste Ausbildung erlangen kann.

Mit solcher Fernsicht uns tréstend, wollen wir auch er-
warten, dass in etlichen Jahren die oben ernst, aber wohlmei-
nend gerigten Uebelstande, durch Gleichgiiltigkeit oder Kaprice
herbeigefiihrt, sich nach und nach verlieren, nur mége recht
bald eine gesetzliche Schranke gesetzt werden, welche mit
liebevoller Gewissenhaftigkeit und strenger Kenntniss wolthuen-
den Einhalt gebe, damit die noch vorhandenen Kunstschatze
	uns nicht ganz und auf so schonungslose Art entzogen werden.
Pz.
	Pariser Kunstausstellung von 1850—51.
	(Fortsetzung.)
	EF WMeissonnier. — Steinheil] — J. Fauvelet.
	Gehen wir nun zu den Meistern des eigentlichen Klein-
lebens wtber, so begegnen wir hier zunachst einem Kiinsiler,
der seit 10 Jahren das unbestrittene Scepter dieser Kunstgat-
tung halt. Es ist dies E. Meissonnier, dessen wir oben
schon, und zwar in Folge seiner Verirrung anf das Gebiet der
politischen Malerei, tadelnd erwahnten. Unbedingles Lob ver-
dient dagegen, unter den vier anderen Bildern seiner Ausstel-
lung, der ,,Maler, der seine Zeichnungen vorweist“, vielleicht
das Grésste und Vollkommenste, was Meissonnier bisher ge-
schaffen, denn die beiden Figuren dieses Bildchens haben acht
Zoll Hohe, ein Maass, das dieser Kiinstler nie tiberschritten
hat, dessen zarter, seidenreicher Pinsel sich am licbsten auf
kleinstem Felde ergeht. — Auf dem Salon von 1836 erscheint
Ernest Meissonnier zum Erstenmale mit zwei Bildchen, darunter
,,die Schachspieler“; aber erst sein ,,Leser“, 1840, fing an,
die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken, und seine ,,Schachpar~