22$
	innerhalb der Grenzen ausgefihrt werden, welche der Kunst-
pflege durch die gleichfalls gebotene Sorge fir die anderen
Gebiete der staatlichen Wirksamkeit gesteckt sind. Dazu muss
die Regierung darauf gefasst scin, dass sie, welche mit Auf-
merksamkeit und Sorgfalt alle Vorschlage sammelte, jede Ar-
Бей dankbar entgegennahm, ja mindlich mitgetheilte Beobach-
tungen und Bemerkungen sich nicht entgehen, sondern auf-
zeichnen und mit zu dem Material nehmen liess, dass sie, die
den verschiedenartigsten Standpunkten Gerechtigkeit widerfahren
zu lassen bemtht war, ihrerscits in der Verarbeitung des ihr
gebotenen Materials eben so verschieden wird beurtheilt wer-
den. Denn die Meisten, die ihren Rath in dieser Angelegenheit
ertheilt haben, wiirden wohl auf’s Neue zu priifen und zu iber-
legen anfangen, wenn ihren Vorschléigen Gesetzkraft ertheilt
werden sollte. Sie durften mit ihren Ideen auch im unfertigen
Zustande hervortreten; waren es doch im mindesten Falle An-
regungen und Andeutungen; vom Staate aber wird das Fest-
Giltige, ja wo mdglich das schon Bewahrte erwartet; voraus-
blickend soll er gewissermaassen wie in einem richtigen Exem-
pel mit der Lésung der Aufgabe zugleich die Probe geben.

Auf die umfassendste Art und das weite Gebiet aller Kunst-
arten zugleich durchmessend, will daher der Staat die Angele-
genheiten der Kunst und der Ktinstler in’s Auge fassen. Da
kommt es nicht blos darauf an, die vorhandenen und entste-
henden Denkmaler der Kunst zu erhalten, dem Volke vorzu-
fihren und zum Genusse zu bringen, es ist auch Anlass und
Foérderung zu geben zur Schépfung neuer Kunstwerke auf allen
Gebieten der Kiinste. In ihren Werken sind die lebenden Kinstler
ihrem Volke zu zeigen. Die Todten sind zu chren durch das
monumentale Kunstwerk der Lebenden, und immer neve Kiinstler
sind zu erziehen durch die Kunstschulen des Staates; daher ihn
der gesammle Kunstunterricht, von seinen Anfangen, wie sic in
den Gymnasien und Realschulen schon zum Vorschein kommen,
an, bis zu den Akademieen hinauf beschaftigt. Nicht minder
nehmen die Reformvorschlaége in der Kunstverwaltung seine
Aufmerksamkeit in Anspruch.

Da versteht es sich nun aber, dass die Kiinste bei den
Maassregeln der Verwaltung stets in ihrer Gesammtheit auf-
gufassen sind. Die Grundsadtze, welche in Bezug auf die Kunst
als die giiltigen und zweckmassigen sich darstellen und aner-
kannt werden mussten, sind es auch fiir die einzelnen Kunst-
arten oder Kiinste (wie man gewdhnlich zu sagen pflegt).
	Denn wo eine Kunstart gegenwartig ist, da ist es auch die Kunst.
(Fortsetzung folgt.)
	Dr. Seb. Brant’s Betheilizung bei dem Holzschnitt seiner Zeit.
	Vom Prof. F. Fiseher in basei.
(Schluss.)
	Ebenso thatig, als fiir den Strassburger Holzschnitt, war
Brant far ahnliche Basler Unternehmungen gewesen, zum Theil
auch ebenso schlecht bedient durch Nachzeichner und Stecher,
so namentlich bei seinen Zeichnungen fiir Michael Furter.
Brant selbst fiihlle die ungeniigende Hilfe, die er in dieser
Officin fand, und spricht es aus in der Vorrede zu den Of-
fenbarungen des Methodius1). Ich selze den Anfang dieser
	1) De revelatione facta ab angelo beato Methodio in carcere, Am
Schluss: Basileae per Mich. Furter opera et vigilantia Seb. Brant 1498.

Hortaris me crebro: interpellationibus quoque assiduis efflagitas: quate-
nus Methodii Eubocci praesulis sanctissimi: beateque hildegardis virginis re-
velationes quas vocant: in picturatas redigere non dedigner tabellas. — Im-
peritis pro lectione pictura est. — Tuo igitur jussu, deo amabilis pater, hanc
quam coram cernis popularem subii provinciam. Tabulas utcunque scul-
pendas ordinayi.
	Vorrede her, weil sie der zweite Hauptheleg fiir die illustri-
rende Mitwirkung Brant’s ist.
	» An den ehrwirdigen und frommen Bruder Daniel Meder, des h.
Franziscus minderen Bruder, Offentlichen Prediger in Basel. Seb. Brants
Vorrede zu den Offenbarungen des sel. Methodius. “

» Du mahnst mich haufig, geliebtester Vater! dass ich nicht ver-
schmahen solle, die Offenbarungen des В. Methodius und der sel. Hil-
degardis in gemalte Tafeln zu bringen, — Denn Ungelehrten thut das
Gemialde die Dienste der Lektiire. — Ich habe demnach auf Deine
Mahnung, goltgeliebter Vater, diesen volksthimlichen Weg, den Du
vor Dir siehst, eingeschlagen. Die Tafeln habe ich, wie’s eben ging,
stechen lassen, damit die Wahrsagung des prophetischen Geistes még-
lichst Vielen zur Kunde komme. “
	Nicht besser war zwei Jahre vorher das tibrigens nicht
ganz unbertihmte Holzschnittwerk: Passio S. Meynshadi Marty-
ris et eremitae ausgefallen, welches am Schluss Seb. Brant in
einer Zuschrift an den Leser als Werk Furter’s unter seiner
Leitung anktindigt ):

» Diese Arbeit hat Furter auch Michael genannt tibernommen

Unter meiner Leitung.“

Kinen ungleich besseren Zeichner fand Seb. Brant zur Ueber-
tragung seiner Skizzen auf den Holzstock in der Officin des Ca-
nonicus Joh, Bergmann von Olpe, wenn nicht in diesem selbst;
denn jedenfalls war es eine und diesclbe kiinstlerische Hand,
welche allen in dieser Officin erschienenen Illustrationen Brant’s
den gleichen feinen Schwung und Ausdruck gegeben hat, wah-
rend der Holzschnilt auch hier hédchst verschieden, zum Theil
sehr ungeschickt und unsicher ausgefallen ist. Die feine Hand
dieses Zeichners, neben aller altdeutschen Scharfe und Steif-
heit, tritt uns in der knienden Figur Seb. Brant’s enlgegen auf
dem Titel der Varia Seb. Brant carmina, welche nach der Schiuss-
schrift 1498 bei Joh. Bergmann de Olpe in Basel, merkwiirdiger
Weise aber in dem gleichen Jahre auch in Strassburg bei Joh.
Grtininger erschienen, ebenso in dem schénen Marienbilde in
Jac. Wimpfelingii carmen de conceptu et iriplici Mariae candore
1494. J. B.; desgleichen zeigt sie sich in den Holzschnitten der
Carmina Seb. Brant in laudem Mariae multorumque Sanctorum,
welche, mit Bergmann’schen Lettern gedruckt, den Varia car-
imina voranstehen.

Das Hauptwerk, welches Brant durch diesen Zeichner der
Bergmann’schen Officin ausfiihren liess, ist indess die Reihe der
Narren zu dem 1494 bei Olpe erschienenen Narrenschiff, auf
114 Holzstécken. Diese Narrenbilder sehen nun freilich ungleich
runder und voller aus, als die acht Jahre spateren Virgil’schen
Zeichnungen Brant’s, auch ist Stellung und Bewegung gewandler,
mannigfaltiger und natirlicher, die Perspektive hat einiges Recht
erhalten, u.s. f. Kurz, die Zeichnung, welche dem Holzschnei-
der der Narrenbilder zur unmittelbaren Vorlage gedient hat,
war sicherlich eine ganz andere, als bei den Virgil’schen Holz-
schnilten. Dies beweist indess nichts gegen die gemeitschaft-
liche Urheberschaft Brani’s, welche, wenn der Gedanke daran
nicht so ferne gelegen ware, langst aus seinen eigenen Worten
in der Vorrede zum Narrenschiff hatte herausgelesen werden
mussen. Fol. I. ?te Seite:
	Vil Narren, Doren kumen dryn,
Der Bildniss ich hab gar gemacht:
Wer jemand der die Geschrift veracht
Oder villeicht die nit kund lesen
Der sicht im molen wol syn wesen.
Das Machen der Bildnisse kénnte immer noch von der poe-
tischen Schilderung der Narren verstanden werden; doch liegt
	schon in dem ,gar“, wenn es nicht ganz miissig stehen soll,
	1) Ad lectorem Seb. Brant
hune sibi suscepit Furter Michaélque laborem
те duce.