Neugier ihre Kopfe zwischen die Metallstangen des Geheges
stecken, um auch etwas von der Feierlichkeit zu sehen. Auf
dem Altar in der Mitte des Hintergrundes ein grosser metal-
lener Reliquienkasiten in Kirchenform, an dessen Vorderseite in
der Mitte der thronende h. Hubertus mit dem Horn, Bischofs-
stab und Hund; neben ihm je drei Apostel, auf der Flache des
Daches sechs Propheten. Dariiber, absichtlich wegen der Un-
terordnung des Bildes im Bilde braun in braun gehalten, das
Altarblatt, Christus am Kreuz mit Maria, Johannes und je zwei
Heiligen zu den Seiten. Ueher diesem, auf einem Pfeiler, ein
Tabernakel mit einem gothischen Thirmchen von sehr reinem

Geschmack, worin der h. Petrus als Statue von trefflichem pla-

stischem Styl. Auf den Ecken des Altars vier metallene Stangen

von ansehnlicher Hohe, worauf eben so viele knieende Engel

von sehr guten Motiven, welche Candelaber halten. An den

Saulen des Chors endlich, unter gothischen Schirmddechern, die

Standbilder von acht Aposteln, ebenfalls von edlen Motiven

und trefflichem Styl der Gewander. Zur Rechten erkennt man

Paulus und Simon, zur Linken Johannes, Andreas und Petrus.

Dieses etwa 31 Fuss hohe und eben so breite Bild, von vor-
trefflicher Erhaliang, vereinigt mit den bekannten Eigenschaften
der Eyck’schen Schule, der lebendigen und wahren Individua-
lisirung der Képfe, der Gewandstoffe und sonstiger Nebensa-

chen, der Kraft und Klarheit der Farbung, welche. es in einem  
seltenen Maasse besitzt, in cinem dieser Schule ungewohnlichen  
Grade eine eben so stylgemasse, als deulliche Anordnung der

zahlrcichen Figuren, und gehdrt zu den ausgezeichnetsten Wer-

ken, welche uns tiberhaupt aus derselben aufbehalten worden

sind. Mein Freund Passavant, welcher dasselbe friiher als ich

gesehen, hat es dem Justus yon Gent, jenem grossen Schiller

des Hubert van Eyck, zugesprochen, und ich kann ihm in die-

ser Bestimmung nur beipflichten. Ich finde némlich in der gan-

zen Weise der Anordnung viel Verwand{schaft zu dessen Abend-

mahl in der Kirche der h. Agatha zu Urbino, so wie eine ahn-

liche Bildung der Hinde, und wieder in einzelnen Theilen eine

auffallende Uebereinstimmung mit den vier Fligeln des Abend-

mahls in der Peterskirche zu Lowen. Namentlich zeigt der Kopf

des Kénigs eine grosse Achnlichkeit mit dem Abraham auf dem

Bilde in der Pinakothek zu Miinchen, welches ihn mit dem

Melchisedech vorstellt. In der fast edelsteinartigen Tiefe und

Glut der Firbung kommt es zwar diesem nicht gleich, ist aber

wieder dem etwas fahlen Ton des Bildes in Urbino weit tber-

legen, so dass die Ausfihrung nur um etwas spater fallen

mochte, als die des Altars zu Lowen. Dieses kostbare Kleinod

war friiher in der Sammlung des Lord Besborough, befindet

sich aber jetzt im Besitze von Sir Charles Eastlake, Pra-

sidenten der Akademie der Kiinste in London, welcher dessen

hohen Werth nach Warden zu schatzen weiss.

Rogier van der Weyden der Aeltere. ,,Ein Altar
mit Fliigeln“. Auf dem Mittelbilde Christus, wie alle tbrigen,
in halber Figur, mit der Rechten segnend, in der Linken die
Weltkugel, ernst und streng in Charakter und Ausdruck, mit
schwarzem Haar, dunklen Gewandern und grossem, gelbem,
gegen aussen hin réthlichem Nimbus. Ueber ihm: ,,Ego sum
panis vivus, qui de coelo decendi. Joh, VI. 51.“ Rechts Maria
von edlem Ausdruck, in blauem Gewande und weissem Schleier,
die Hinde flehend zu Christus emporhebend, dariiber: ‚› Марта-
ficat anima mea dominum, et exultavit spiritus meus in Deo
salvatore. Luc. 1. 46. 47.“ Links Johannes der Evangelist, ein
schéner Kopf, von besonderer Tiefe der Farbe, in griinem Rock
und dunkelviolettem Mantel, die Rechte segnend erhoben, in
der Linken den Kelch, daritber: ,,E¢ verbum caro factum est
et habitavit in nobis. Joh. I. 14* Auf dem rechten Fligel Jo-
hannes der Taufer, mit starkem Bart und Pupurmantel tber

 
	dem Fell, die Linke auf ein offenes Buch gestitzt, mit der
Rechten auf Christus deutend. In der Landschaft, welche sich
mit vielen Einzelnheiten und schénem klarem Wasser, in hell-
ster Morgenfrische durch alle drei Bilder zieht, hier die Taufe
Christi. Dariber: ,,Eece agnus dei qui tollit peccata mundi.
Лой. 1. 29° Auf dem linken Fliigel Maria Magdalena, yon ed-
lem Ausdruck echter Reue, in grauem Kleide mit Aermeln
von Goldbrocat, blauem Mantel und einer Art weissem Turban,
die Rechte auf das Salbgefiss. Daritber: ,, Maria ergo accepit
libram unguenti nardi pistici preciosae et unxit pedes Jesu.
Joh. XII. 3.% ) Dieser etwa 1 Fuss 3 Zoll hohe, 6 Fuss 6 Zoll
breite, auf Holz gemalte Altar, welcher irrig dem Memling bei-
gemessen wird, steht in der Warme des Tons im Fleisch, wie
in der iibrigen Ausbildung dem einzigen urkundlich beglaubigten
Werke des dlteren Rogier van der Weyden, dem berihmten
Reisealtérchen Kaiser Carl V, welcher vordem in der Samm-
lung des Kénigs der Niederlande, neuerdings in das kénigliche
Museum zu Berlin ibergegangen ist, noch sehr nahe und dirfte
nicht lange nach demselben ausgefiihrt worden sein. Er stimmt
in allen Theilen véllig mit den sonstigen, von diesem grossen
Meister vorhandenen Werken iiberein. Die Erhaltung Jasst
	nichts zu wiinschen iibrig. Obgleich die Vorstellungen auf den
Aussenseiten der Fligel in Betreff der Kunst keiner naheren
Beachtung werth sind, so gebe ich dennoch eine Beschreibung
derselben, theils weil dieselben charakteristisch fir den Sinn
jener Zeit sind, theils weil durch cine Inschrift sich vielleicht
etwas tiber den Besteller des Werks ermitteln lisst. Die Aus-
senseite des linken Fligels enthalt einen Schild, worauf eine
Weizengarbe, und darunter einen Todtenschadel mit einem Tod-
tenbein. Am Rande liest man:

»» Mirez vous ci orgueilleux et avers

Mon corps fu beaux ore est viande aux vers“ (sic).

Auf der Aussenseile des rechten Fligels ist das Wappen des
Bestellers und darunter ein grosses Kreuz gemalt, worauf die
Inschrift: ,,0 mors quam amara est memoria tua homini injusio
et, pacem habenti in substantiis suis, viro quieto et cujus viae
directae sunt in omnibus et adhuc valenti accipere cibum. Ес-
cles. XII. 1. Oben am Rande die ohne Zweifel auf den Be-
steller beziiglichen Worle: ,, Bracque et Braban“. Die streng
religidse Bedeutung eines solchen Altars, dessen Aussenseiten
den Menschen auf die Eitelkeit alles Irdischen, auf das Schreck-
liche des Todes fiir den unbussfertigen, wie fir den reuigen
Siinder, das Innere aber in verschiedenen Beziehungen auf die
Heilmittel gegen diese Schrecken mittelst der Erlésung durch
Christus aufmerksam machen sollten, trilt uns in diesem Werk
in besonderer Deutlichkeit entgegen und hat in mir die Ueber-
zeugung bestérkl, dass dieser Meister recht eigentlich, und
mehr als sein Meister Jan van Eyck, als der strenge und be-
geisterte Kirchenmaler seiner Zeit in den Niederlanden zu be-
trachten ist. Dieser Altar, von dem jetzigen Marquis von West-
minster im Jahre 1845 erworben, befindet sich jetzt in dessen
reicher Sammlung in London.

Derselbe. ,,Maria halt das Kind auf dem Schoosse, wel-
ches, in der Linken eine Nelke, mit der Rechten eine seiner
grossen Zehen anfasst“. Die héchst gediegene Malerei, der
sehr warme Ton, endlich der Goldgrund lassen bei diesem
Bildchen auf die friihere Zeit des Meisters schliessen. Zu Ince-
Hall, im Besitz des Hrn. Blundell Weld.

Ein vorziigliches Exemplar der Abnahme vom Kreuz, welche
klein in der Peterskirche zu Léwen, gross im Museum von
	1) Ein vortrefflich mit der Feder gezeichnetes Studium zu dieser Mag-
dalena befindet sich unter dem Namen des Jan van Eyck im britischen Mu-
seum. Ich habe es friher fir Memling, den Schiler des Rogier van der
	Weyden gehalten.