242 dieselbe in outrirten Stellungen etc. zu zeigen, wodurch Ма- nier entsteht und das Naive und Wahre aus den Werken der Kunst verdringt wird. ,,Deshalb“ — sagt er — ,,muss das Studium des Einzelnen immer, durch eine Idee gehalten, mit anderen Einzelnen vollkommen verschmelzen und dadurch alles leere Bestreben, das Einzelne an sich geltend zu machen, уег- tilgt werden. Junge Gemiither werden durch die Masse miih- sam einzeln erworbenen Materials gequalt, weil sie es nicht zu bandhaben wissen. Ist ihnen aber innerlich aufgeschlossen, wofiir sie wirksam sein sollen, so fiihlen sie sehr bald, dass dazu vielerlei Material gehért und werden sich dasselbe miih- sam und streng genug herbei zu schaffen wissen“. Sehr schon gjussert Schinkel sich noch tiber das Studium des Nackten und dessen Unentbehrlichkeit in der Kunst. ,,Man sollte glauben“ — bemerkt er — ,,dass es eine hdhere Bildung andeutete, wenn ein schon bis zu einem gewissen Grade gebildetes Volk sich nach und nach auch im Leben an den Anblick des Nackten wieder gewohnle, so wie es bei den Alten war“. Die Schwimm- anstalten béten dazu die erste Gelegenheit, aber es frage sich, ob nicht auch das Turnwesen durch das Nacktsein an Vollkom- menheit gewinnen wiirde. Il. Ferner glaubt Schinkel, dass das Verhdltniss einer Aka- demie der Kiinste zum Staate anders festgestellt werden misse, als bisher. Eine Akademie soll auf’s Allgemeine wirksam sein, sie soll Geschmacklosigkeit verdrangen, wahren Sinn fir Kunst auf- schliessen, Urtheil entstehen lassen, kurz die Veredlung des Volks herbeifiihren. Eine Kunstakademie soll gewissermaassen als eine grosse Staatswerkslatt betrachtet werden, welche dazu eingerichtet ist, die Bediirfnisse, die Zwecke, die Handlungen des Staats zu schmiicken und zu veredien. Kurz es soll eine lebendige Wechselwirkung zwischen Staat und Akademie statt- finden, welche Schinkel noch specieller entwickelt, die aber ausfiihrlicher hier mitzutheilen uns der naichste Zweck unserer Schrift verbietet. Gegen diese Schinkel’schen Ansichten spricht sich Hirt in einem Votum dartiber aus. Er nimmt den griindlichen, aka- demischen, klassenweisen Elementaranterricht in Schutz und zieht ihn dem in einer Werkstatt vor, sollte deren Meister auch ein Apell oder Lysipp sein. Erst nach der Begranzung dieser Stufen soll der Schiler vor die Natur, soll er vor die schénen antiken Musterbilder gefiihrt werden diirfen. Indessen wenn er den akademischen Unterricht auch fiir den einzig wahren halt, will er doch den Mitunterricht in den Werkstalten trefflicher Kistler nicht ausschliessen, halt vielmehr den akademischen Unterricht erst dann fiir vollstandig, wenn derjenige in den Werkstatten hinzutritt und halt diese Verbindung nicht fiir schwierig. Die Plane zu einer neuen und zweckmassigen Organisation der Bau~Akademie, welche sich hieran anschlossen, kdénnen wir, als unsere Aufgabe nicht unmittelbar beriihrend, ibergehen. Indess mussten die gewiinschten Berathungen tber die vor- zunehmende Neugestaltung des Kunstwesens wegen ganzlichen Mangels an Fonds bis zum August 1819 ausgesetzt bleiben. Es war des Ministers Altenstein oft ausgesprochene Ansicht, dass die Entwerfung eines Plans fiir die Bau- Akademie im Grossen, der das Wissenschaftliche und Technische zugleich umfasst, nur in Verbindung mit dem Plane zur Organisation des gesammten Kunstwesens auf eine befriedigende und des preussischen Staates wie des hochwichtigen Gegenstandes wiirdige Art bewerkstel- ligt werden kénne. Als Material zu den Berathungen wurde also fir die ernannte Commission noch ein Entwurf von Hirt und die Verfassung der polytechnischen Schule in Wien in Cir- culation gesetzt, diesen Conferenzen eingingen, ist ein Aufsatz von Schinkel] enthalten, der diesen edlen Kiinstlergeist in seiner ganzen Schén- heit abspiegelt. Wir kénnen uns nicht enthalten, ihn im Aus- zuge mitzutheilen: Fiir eine zweckmassige Reform halt Sch. fir nolhwendig: 1. Eine vollkommene Umwandlung des ganzen, auf Aka- demieen iiblichen Lehrwesens, sowohl seiner éusseren als auch seiner inneren Form nach. In Bezug auf die dussere Form verwirft Schinkel die Ab- theilungen in Klassen mit abgeschlossenen Materien, so wie die damit zusammenhingenden Examina wegen Classenversetzung. Dagegen wiinscht er fiir Architekten, Maler und Bildhauer grosse Raume zu Werkstitten eingerichtet. Dort sammelt jeder der zwei fiir jedes Fach gewonnenen ausgezeichneten Manner dic Schiller um sich. Sie studiren und arbeiten in seiner Werk- statt, wo er selbst bestindig seine grossen Werke unter ihren Augen schafft und sich nach und nach aus ihnen Geliilfen er- zieht. — Fortwahrend sind Concursarbeiten im Gange. Ocf- fentliche Ausstellungen, bei denen Preiskrénungen stattfinden, bringen sie zur Kenntniss. Es ringen mit einander und sondern sich die verschiedenen Werkstaltgemeinden, das Publikum nimmt Partei, denn die grossen Preisaufgaben ergreifen Gegenstande, die ihm gewissermaassen angehéren, Gegensténde des allge- meinen Interesses aus dem Leben. Die Theorie der schénen Kunst wird von geistvollen Lehrern in den grossen, dazu ет- gerichteten und geordneten Museen gelehrt. Ein grosser Theil der Erholungsstunden wird daselbst in Unterhaltung mit den Lehrern zugebracht. ’ Bei der inneren Form des Lehrwesens tadelt Schinkel die Methode, welche von den Einzelheiten zum Ganzen aufsteigen lasst, von der anatomischen Zerstiickelung zur zusammenhan- genden, physisch und geistig belebten Schédpfung. Alle An- weisung soll vielmehr dahin gehen, die Gegenstinde in ihrer Ganzheit zu erfassen. Zwei Materien legt Sch. dazu als Grundlage des Unterrichts hin: den menschlichen Kérper und die griechische Baukunst. Ап jenen schliesst sich spdter das Studium der Thiere, Pflanzen etc., an diese das der Baukunst anderer Zeiten und Volker. Beim Studium will nun Schinkel, dass gewissermaassen der geschichtliche Entwickelungsgang der Kunst von den Einzelnen durchgemacht werde. Vom Zierlichen sollen sie zum Einfachen, Erhabenen und Edlen hinaufsteigen. So sollen sie mit der Nachbildung antiker Vasengemalde und alter Basreliefs begin- nen. Bei wachsender Geschicklichkeit soll eine andere Anlei- tung zur geistigen Ausbildung mit diesen Uebungen gleichen Schritt gehen. Es sollen naimlich alle Gelegenheiten benutzt werden, den Sinn der Schiller auf die Conception wahrhafter Kunstideen zu richten, es soll Anleitung gegeben werden, 2u bemerken, wie in grossen Kunstwerken, die vor Augen stehen, das gegebene oder erfasste Thema sich zur Kunstidee gestei- gert hat. Aus diesem fortwahrenden Suchen nach dem Kunst- gedanken in den vor Augen stehenden grossen Kunstwerken in den Museen wird der Impuls genommen zu eigenen Versuchen, etwas Gegebenes, ein Ereigniss aus der Vorzeit oder Gegen- wart ete. etc. zu concipiren; wo dann die Lust der Darstellung eines eigenen, gefundenen, schénen Gedankens das Studium aller einzelnen Theile nach sich ziehen wirde. Neben diesen Studien und der Darstellung eigener Kunst- ideen wlirde praktischer Unterricht in der Perspective, wobei die griechischen Bauwerke als erste Gegenstinde zu Grunde gelegi werden kénnten, alle Studirenden in den Werkstalten der Architekten versammeln. Schinkel schliesst diesen Passus mit der Bemerkung, wie leicht Virtuositat im Anatomischen zu der Eilelkeit verleitet,