unter der Hand, mehr als ich wiinschte, ausgedehnt haben,
gehe ich zur Besprechung der einzelnen Leistungen iiber, wie
der Salon von 1850—51 sie gebracht hat, und knipfe an den
letztgenannien Namen, L. Cabat, an. Dieser Kiinstler hat,
gleich bei seinem ersten Erscheinen, durch die schlichte Poesie
seiner Darstellungen und durch seine meisterliche Behandlung,
den lebhaftesten Beifall geerntet und sich zehn Jahre hindurch
einer allgemeinen Anerkennung erfreut; ist seitdem aber, ich
mdchte sagen, durch die Laune der Tonangeber und den Wan-
kelmuth der Menge, mehr als durch eigene Schuld, etwas in
den Hintergrund getreten. Gleich den meisten empfinglichen
und feinen Organisationen, ist Cabat durch die Vermittlung der
alten Meister auf die Natur und deren Verstandniss hingeféhrt
worden. An dem Reiz der landlichen Einfachheit und An-
spruchlosigkeit seiner ersten Bilder hat Isaac Ostade mindestens
eben so viel Antheil, als unmiltelbare an der Quelle geschépfte
Beobachtung, so wie seine spateren, dem ernsten Styl ange~
horigen Landschaften nur zu deutliche Anklange an Gaspar
Poussin enthallen. Doch ist Cabat keinen Augenblick der blinde
Nachbeter irgend eines Meisters oder einer Manier gewesen,
vielmehr ist er durch den vertrauten Uingang mit der Natur,
deren Geist ihm manches Geheimniss geoffenbart hat, immer
	sind seine Gegenstinde. Ihn rihrt das verborgene, das harm-
lose, ungestérte Leben der Natur, die stille Feier des thauigen
Morgens, die heilige Einsamkeit des dichtbelaubten Haines. Die
heitern Spiele der Nymfen, Daphnis und Chloé, ein Schafer mit
der Schalmei, oder etwa ein betender Ménch, sind die einzigen
Gestalten, die seine Landschaften beleben, in denen selten cine
Spur menschlicher Wohnung und landlicher Arbeiten an die
gréberen Beditirfnisse, an die Unierjochung der Erde oder an
das Aufhéren des Standes der Unschuld erinnert; und diese
Gestalten, meistens dem goldenen Zeitalter entnommen, athmen
ein so freies, atherisches Leben, ein so wonniges Gefihl des
Daseins, dass dem Beschauer freudig zu Muthe wird. Dabei
sind C.’s Compositionen héchst liebenswirdig und so zu sagen
jungfrdulich, seme Formen, besonders die der Baume, anmuthig
und weich gerundet, und alle seine Schépfungen von lauterer
Poesia und innioer Emnfindune darchdruncen. Leider aber ist
	diesem Talente voll Aufrichligkeit und Gewissenhafligkeit   die
Gabe der Scharfe und Bestimmtheit, die allein dem Einzelnen
seine Geltung und seinen Werth verleiht, fast ginzlich versagt.
Seine Umrisse schweben im Nebel, seine Blilter sind haufig
anzusehen wie Baumwollfléckchen; seinem Wasser fehlt es an
Durchsichtigkeit, seiner Farbe an Frische; seine Figuren end-
	mehr in der Wahrheit erstarkt. Eine Reise nach Italien und ] lich sind aber die Maassen formlos und schwach in der Zeich-
	ein langerer Aufenthalt in diesem gelobten Lande hat in seinem
ktinsilerischen Bewusstsein einen gewissen Zwiespalt und einen
Kampf hervorgerufen, aus dem er zuletzt als Sieger getreten
und der die franzésische Schule um einige landschaftliche Com-
posilionen von hohem Styl bereichert hat. Doch gestehe ich,
dass trotz diesen gelungenen Versuchen auf dem Gebiete der
historischen Landschaft, trotz seinem lebhaften Gefihl fiir Adel
der Formen, seiner reichen Erfindungsgabe und seinem feinen
Geschmack, Cabat mir in den landschaftlichen Elementen seines
Vaterlandes sich heimischer zu fihlen und freier zu bewegen
scheint, und dass ihm eine helle Wiese der Normandie, cin
belebter Meierhof, ein hochsltammiges Gehéla am Ufer eines
sanfldahingleitenden Flusses, mit schéner blauer Ferne, die
durch das geheimmnissvolle Dunkel der Baume zauberhaft durch-
schimmert, kurz dass ihm die landliche und die idyllische Natur
mehr als die strenge und erhabene zusagt. Solcher Naturge-
dichte hat C. auch dieses Jahr viere eingesandt, durch liebens-
wirdige Einfachheit, durch eine kraftige und dabei weiche Be-
handlung und durch Verstindniss der Luftperspektive ausge-
zeichnet. Nur seine Farbung erreicht vielleicht nicht mehr die
frithere Kraft, ermangelt aber nicht der Feinheit und der Har-
monie. Ausserdem bemerkte man von diesem Meister eine sehr
bedeutende Composition, Christus und die beiden Jiinger auf dem
Wege nach Emmaus, in einer reichen Landschaft von grossar-
tigen Formen. — Im Gegensalz von Cabat hat C. Corot, von
seinem ersten Auftreten an, mit alleiniger Ausnahine des Wal-
des von Fontainebleau, dieser unerschdpften Fundgrube der
franzésischen Landschafter, fast nie andere als stidliche, zumeist
rémische Natur dargestellt; und wenn jener Is. Ostade als sei-
nen geistigen Taufpathen erkannt, so ist dieser von Claude
Lorrain ausgegangen und zu diesem seinem Lieblinge immer
und immer wieder zuriickgekehrt. Corot ist, wie Claude, der
Maler des Lichtes, der Luft, des Beweglichen und Wandelbaren
in der Schéptung. Die aufgehende Sonne, die die Nebel ver-
scheucht und alle Geschépfe zu neuem Leben weckt; die zum
Untergang sich neigende, die den Himmel sanft rothet und die
Wipfel der Baume vergoldet; der Abendwind, der die Flache
des Sees leise krauselt und mit den Blattern der Erle oder der
zitternden Pappel spielt; das Feierliche der tiber den Wald her-
einbreehenden Dammerung; ein bei grauem Himmel schwermi-
thig durch die flache Gegend sich windender Fluss: — dies
	nung, -- was jedoch, bei dem angedeuleten Charakter dieser
Landschaflen, ihrer Wirkung keinen Eintrag thut.

Aligny, dessen Verdienst oben schon angedeutet worden,
hat nur leider, im Verlauf der Jahre immer mehr von der
Styl-Idee verfolgt und auf Vereinfachung ausgehend, von dem
Mannigfaltigen im Leben der Natur gar zu sehr abgesehen, dic
Einzelheiten mehr als billig vernachlassigt, und den Formen der
Natur, um ihnen einen bestimmten Ausdruck zu lcihen, nicht
seltcn Gewalt angethan. Der Salon brachte von ihm nur ein
Bild, ,,die Einsamkeit*, eine Landschaft, fast nur aus Felsen
bestehend und auch in der Farbung sehr cintonig.

Kein Bild von J. Dupré, der, obschon immer thatig, seit
Jahren nicht auf dem Salon erschienen ist, giebt uns Gelegen-
heit, von diesem Meister der einfachen, flachen, nordischen
Landschaft, im Sinne der grossen Hollander, zu sprechen. Sein
Nachachmer, J. André, folgt ihm gewéhnlich nur in beschei-
dener Entfernung; lasst ihn aber manchmal auch seitwarts ste-
hen, wenn es sich ereignet, dass der Meister in das Schwere
und Klecksige verfallt.

Paul Flandrin, der Bruder des oben erwahnten Hippo-
lyte Fl. und wie dieser aus der Ingres’schen Schule hervorge-
gangen, theilt auch die Mangel dieser Schule: es fehlt seinen
Landschaften zumeist an jenem Leben, welches das Licht auf
alles Erschaffene ausgiesst, an jener Betonung, die die Natur
den Gegenstiénden giebt, und auch ihm kommt, wahrend er den
Begriff verfolgt, die Wahrheit, die schlichte, ungesuchte
Wahrheit abhanden. Doch hat er seit cinigen Jahren bedeu-
tende Fortschritte gemacht: seine Felsen sind nicht mehr, wie
sonst, cine sulzige, rosenrothe Masse; unter seine Baume
schleichen sich nicht mehr hechaufgeschossene Petersilienstengel
ein; seine Farbe hat an Kraft und Frische gewonnen; und da
er von jeher den Sinn fiir Adel und Eleganz der Formen ge-
habt, so gehéren seine Landschaften immerhin zu den ausge~
zeichnetsten der jahrlichen Ausstellungen. Flandrin, in der
malerischen Behandlung von Corot ganz verschieden, trifft mit
ihm in der Wahl seiner Darstellungen zusammen: seine Natur
ist die ruhige, heitere, leidenschaftslose; seine landschaftlichen
Compositionen sind Schafer- und Hirtengedichte voll kindlicher
Unschuld. Unter den fiinf sehr kleinen, meist ovalen, Bildchen
seiner Ausstellung zogen mich besonders an ,die Ufer des Gar-
don® (ein Fliisschen im siidlichen Frankreich), die der Kiinstler