und der Aehnlichkeit nicht jenen Nachdruck legen, der in seiner
Uebertreibung so leicht zur Caricatur fihrt. In einer gewissen
ruhigen Zustandlichkeit des Nachzubildenden erblickt sie das
erspriesslichste Feld, die Consequenzen der Erscheinung bis in
ihre tiefste Tiefe zu verfolgen, um den geistigen Fonds der-
selben zu gewinnen, dessen Grad durch den der Lebens-
fahigkeit bedingt ist, die jedem organisehen Theile im Ein-
klang mit dem Ganzen innewohnen muss.

Der Ausdruck einer solchen Lebensfahigkeit, mit der
Festhaltung der Consequenzen des besondern Falles (der In-
dividualitat), ist es daher vornehmlich, wonach das Streben
des Bildnissmalers gerichtet sein muss. Nur so stellt sich
der Charakter als ein nalirliches Ergebniss heraus, zu dem
jeder Theil der Erscheinung, nach Maassgabe seiner natirlichen
Kraft, beizusteuern hat, um endlich den Gesammtfonds der Le-
bensbedingungen zu gewinnen, in deren consequenter Auffas-
sung erst das geistige Element zu Tage trilt. Der Ausdruck
eines gewissen Affectes wird mit dem der Lebensfahigkeit
in der bildenden Kunst leicht verwechselt, und aus Mangel an
tieferer Erkenntniss, oft hoher angeschlagen, als der letztere,
weil er dem Charakter eine bestimmte Richtung giebt, mit der
man vermeint ihn selbst zu haben. Genauer betrachtet ist dies
aber weiter nichts, als еше gesteigerte Thaltigkeit gewisser
Theile, deren Zustandlichkeit sich leicht in Regeln fassen lasst,
welche den Affect als solehen bezeichnen, aber nicht den Le-
bensprocess in seiner umfassenden Bedeutung selbst geben. Er
verhindert die zur Gewinnung der wahren Lebensfahigkeit so
nothwendige Sammlung, fiihrt zur Abstraction, und ist deshalb
besonders in der Portraitmalerei unstalihaft, die das ein-
zelne Individuum seiner idealen Allgemeinheit nach auf-
gufassen hat.
	Der Ausdruck des Lebendigen im Allgemeinen,
seiner malerisehen Wirkung nach.
	Auch die Lebendigkeit hat ihren bestimmten Grad; er
ist nur in den feinsten Meisterwerken enthalten, die deshalb
in der Nahe von Bildern einer gesteigerten Wirkung leicht ver-
kannt werden, weil man das Lebhafte von dem Lebendigen,
den innern Bedingungen nach, nur selten zu unterscheiden weiss.
Dies besonders ist der Grund, dass Kunsltwerke, welche die
grésste Wahrscheinlichkeit in sich schliessen, dass sie von der
Hand des Leonardo da Vinci herrihren, meistens von sol-
chen bezweifelt werden, die nicht vermégend sind in die feinern
ursachlichen Bedingungen der Lebensfahigkeit einzugehen.

Der vor der Hand vermisste Lebensfonds, der diesen
Zweifel so leicht veranlasst dureh einen geringern Grad der
Wirkung, ist oft ein bestarkendes Kriterium der Echtheit, die
nur der zu ergriinden vermag, welcher auf praktischem Wege
die artistischen Ursachen einer natiirlich ruhigen Totalwirkung
kennen gelernt hat. Wenn derartige Werke in der Nahe wirk-
samer Meisterbilder vorlaufig gcdriickt erscheinen, so muss es
als voreilig bezeichnet werden, wenn man daraus den Schluss
der Unechtheit zichen will.

Abgeschen davon, dass die in der Minchner Gallerie
dem Leonardo zugeschriebenen Werke echt oder unecht sind,
zeugt diese Bestinmung von bedeutend mehr Geist und Ein-
sicht, als die dem enlgegengesctzte Behauptung; denn nur dem
einsichtsvollen und erfahrenen Kunstkenner wird der Umstand
nicht entgehen, dass man den Lebensfonds der in der Nahe
hefindlichen andern bedeutenden Meisterbilder lange erschépft
hat, wiihrend dieser, noch in stillem Wachsthum begriffen, von
einer Tiefe Zeugniss gicbt, die weder bei Luini noch bei
Melzi in solchem Grade zu finden. Es ist hierbei vornehmlich
in Betracht zu ziehen, dass die Wucht des Lehbensfonds
	mit der Grésse seiner Basis wachst, und daher der
Empfindung nach weniger wahrgenommen wird. Die
Concentration eines bedeutend geringern auf ein-
zelne Spitzen ist freilich eindringlicher, aber des-
	halb nicht héher anzuschlagen. (Schluss folgt.)
	паи бега иг.
	Ueber die Griindung der christlich-archéologi-
schen Kunstsammlung bei der Universitét xu
Berlin und das Verhéltniss der christlichen

su den klassischen Alterthiimern. Hin Vortrag,
gehalten in der Versammlung deutscher Philologen und
Schulmdnner xu Berlin am 2. Oct. 1850, von Dr. Fer-
dinand Piper. — Berlin 1851. Verlag von Wie-

gandt und Grieben. — 8° 32 Sin.
	  Der erste Theil des Vortrags giebt von der Bildung und
dem Zweck der Sammlung Rechenschaft. Dieselbe hat die Be-
stimmung, aus dem gesammten Gebiet der christlichen Kunst
Copieen aufzustellen, so weit die gleichfalls erstrebten Original-
denkmaler nicht erreichbar sind. Die Grenze jenes Gebiets ist
dahin abgesteckt, dass es die Zeit vom ersten Beginn christ-
licher Kunst bis zur Mitte des sechszehnten Jahrhunderts um-
fassen soll, wo die Kunst heginnt, das Christenthum nicht mehr
zur ausschliesslichen Grundlage zu haben. Doch kann _ hier,
wie es sich von selbst versteht, von einer scharfen Begren-
zung nicht die Rede sein.

Was die Art der Denkmaler betrifft, so werden sie gréss-
tentheils der Skulptur und Malerei angehéren, jene in Abgtissen
oder Abbildungen, diese in Copieen oder Durchzeichnungen,
welche Mittel allein auch fir die in der christlichen Kunst so
wichtige Architektur zu Gebote stehen werden, falls nicht
die Gunst der Umstande wiinschenswerthe architektonische Mo-
delle gewahrt.

Durehaus unbegrenzt soll die Zusammentragung sein in
Bezug auf die Vélkerschaften, denen die Kunsterzeugnisse an-
gehéren, denn der Zweck der Sammlung ist, den christli-
chen Gehalt der Kunstdenkmaler zusammenzubringen und ein
bisher fast ganz brach gelegenes Feld in der Theologie, die
Kunstdenkmialer fiir die Wissenschaft eben so zu verwerthen,
wie es schon immer mit den Handschriften geschehen, anbauen
zu helfen. Dass einer solchen Thatigkeit Vorschub geleistet
wird, wenn sie schon in den Bereich des Universitatsunterrichts
gezogen wird, liegt auf der Hand. Die Theologie will sich
fortan fiir das Studium des Lebens und der Lehre der alten
Christen ihre Museen bilden, wie dergleichen fiir das Studium
des klassischen Alterthums auf vielen Universitélen wie z. B.
Bonn, Greifswald, Kiel, Gottingen, Leipzig etc. langst bestehen.

Die also auf die Hebung des Kunstschatzes zu verwendende
Arbeit, hofft der Verf. werde in ihren Resultaten dazu wirken,
dass die christlichen Kunstvorstellungen dem Volke zu Gute
kommen. Dem christlichen Leben entsprungen konnen sie auf
dasselbe wieder zuriickwirken. Der Verf. fihrt naher aus, wie
sehr von Bildern zu lernen recht eigentlich das Talent der Ju-
gend und des Volkes sei und deutet auch auf den Nutzen einer
Geschichte der christlichen Kunstideen, wie sie an einem christ-
lichen Museum zu Tage kommt, fiir die Kinstler hin.

Die zweite Abtheilung des Vortrags bespricht das Ver-
haltniss der christlichen zu den klassischen Alterthimern. Der
Verf. charakterisirt zuvérderst die ausserliche und innerliche
Beriihrung, welche die heidnischen und christlichen Denkmiler