bei unsern Verhaltnissen sehr ungenigende Mittel der Concurrenz
um ein Reise~Stipendium, welches letztere dem Sieger unter bestimm—
ten Vorschriften auf die Zeit von drei Jahren ertheilt wird. Es haben
sich gegen diese Einrichtung bereits so gegriindete Bedenken erhoben,
dass es in der That angemessen scheint, sie vollstindig aufzuheben,
wie auch diese Ansicht bei den Conferenzen wegen der Reform der
Academieen einstimmig angenommen ist. Die bisher bei uns, wie an
den meisten andern Orlen befolgte Einrichtung ist in der Kiirze die,
dass die Concurrenten nach vorangegangener vorlaufiger Prifung, ein
besonderes Sujet zur kiinstlerischen Bearbeitung empfangen, welches
an demselben Tage, an dem es gegeben ist, als Skizze bearbeitet wer-
den muss; genau nach dieser Skizze, wenigstens ohne alle wesentli-
chen Abweichungen davon, miissen sie sodann die Arbeit selbst in
vorgeschriebenen Maassen., innerhalb eines bestimmten Termins and in
ginzlicher Abgeschiedenheit ausarbeiten. Man will versichert sein,
dass die Concurrenten ohne irgend welche Beihilfe arbeiten und man
will dem einen keine giinstigeren Bedingungen geben, als dem andern;
aber man verlangt zugleich eine Arbeit, die nicht etwa blos dic durch-
gebildete Fahigkeit zur Naturauffassung darlegen, die vielmehr zugleich
von der innern kinstlerischen Schépfungskraft ein hinreichendes Zeug-
niss abgeben soll, und doch sieht man hiebei eigentlich von Allem ab,
was zur Belebung des Gegeustandes, zur Entwickelung und Ausbildung
desselben im innern Gemiithe des Kiinsllers vorgehen muss; man schliesst
alle Ritcksicht anf die kiinstlerische Individualitat aus, deren eigen-
thimlichen Gesetzen gemass doch unter allen Umslinden das wahre
Kunstwerk erzeugt wird. Darum finden sich bei uns so selten echte
kiinstlerische Naturen, die sich diesen fesselnden Bedingungen unter-
ziehen; darum treten zumeist so ungeniigende Talente ein, darum er-
giebt es sich so oft, dass der Preis an solche vertheilt wird, denen
doch keinesweges absolute Kunstbefaéhigung and wahrhafte Vollendang
im Betreff der kinstlerischen Studien beiwohnt. Und nun begeben
sich diese, unsicher in der kiinstlerisehen Auffassung itherhaupt und
unsicher in ihrem eigenen Wollen und Kénnen, auf die Reise, werden
durch die Ueberfille der verschiedenartigsten Werke, die ihnen hier
enlgegentreten, nur noch verworrener, als sie es schon sind und keh-
ren begreiflicher Weise nicht als Meister heim. Die grossen Summen,
die bei uns zu diesem Behufe verwandt sind, haben nar sehr gering-
figige Frichte getragen, und zugleich hat es ein eigenes Missgeschick
gewollt, dass die weniger besten unter unsern Concurrenten entweder
frih verstorben oder im Auslande ansassig geblieben sind.
	Wir haben die Kinrtchtung der Concurrenzen aus Frankreich iber-
kommen; aber sie steht dort, so wenig sie in ihrem innersten Princip
auch unter den besten Verhaltnissen mit dem wahren Kunstgefihi ver-
einbar ist, doch in Beziehung zum Leben und zur Kuastbildung, die
so ganz anders sind, als bei uns und die die Sache wenigstens un-
gleich milder erscheinen lassen. Von Hause aus ist der Franzose weit
mehr zur dussern Reprasentation, zur dussern Geltendmachung seiner
Wirksamkeit geneigt, wad es wird ihm dies auch so viel leichter, weil
seine Production viel weniger aus der Tiefe der Empfindung als aus
einem gewissen verstandesmassigen Calcil hervorgeht. (Die franzdsi-
sche Kunstgeschichte beweisst dies hinlanglich; N. Poussin und Ingres,
deren Werke nur allzusehr das Geprage dieses Calcil’s tragen, werden
dort vorzugsweise als die Meister liefer Conception verehrt.) Dazu
kommt dann die Leidenschaft des Ehrgeizes, die das Leben in Frank-
reich zum steten Welthampfe macht. Daher denn schon in den Schulen
von frih an jene Wettkampfe, jene Concurrenzen, die sich in der
» Ecole des beaux arts“ zur Unzahl steigern und denen sich endlich
die grossen Concurrenzen der ,, Académie“ nur als nalurgemiasse Folge
anschliessen, Der franzdsische Kinstler, der in die letzteren eintritt,
findet sich eigentlich in gana gewohniem Elemente, er weiss der Pro-
duction mit Bequemlichkeit zu gebielen, waihrend der Deutsche im glei-
chen Fall auf tausend offenbare und ungekannte Klippen stossen muss,
die ihm die innere Freudigkeit verderben.

Wir mitssten bei uns eine ahaliche Stufenfolge von Concurrenzen
einrichten, was doch seine sehr griindlichen Bedenken haben wide,
wir missten geradehin auf eine Umwandlung unseres eigenthimlichen
Volkscharakters hinarbeiten, wenn die grossen academischen Concur-
renzen bei uns zu derselben Bedeutung gelangen solllen, wie in Frank-
reich, Und dennoch haben sich einsichtige Kinstler in Paris gegen
	13. Die Anzahl der ordentlichen, einheimischen Mitgliecer
durfte die Zahl fiinfzig nicht tiberschreiten. (Spater-wurde stalt
dessen eine unbeschrinkte Zahl angenommen.) Ausserdem er-
nennt die Akademie ordentliche awswirtige, ausserordentliche
und Ehrenmitglieder und ertheilt am Handwerker das Pradikat
akademischer Kiinstler oder akademischer Kunsthandwerker (mit
specieller Bezeichnung des betreffenden Handwerks.)
	14. Die Einrichtung der grossen Kunstausstellungen und die
Berathung tiber die Verwendung der Ausstellungseinnahme lag
dem Senate gemeinschafilich mit einem von den ordentlichen,
einheimischen Mitgliedern gewihlten Aussehusse ob.
	Ehe nun aber an die weitere Ausfiihrung dieser Plane ge-
gangen wurde, hielt man eine moglichst umfassende Kennt-
nissnahme von dem, was auf dicsem Gebiete andere Orte und
Linder aufzuweisen haben, fiir erforderlich. Hr. Kugler wurde
zu diesem Behuf beauftragt, diejenigen Orte in Deutschland,
Belgien und Frankreich, die sich durch cin besonders reges
Kunstleben auszeichnen, zu besuchen und tiber das daselbst in
Erfahrung Gebrachte zu berichten. Er legte nach seiner Rick-
kehr dem Minister Eichhorn einen ausfthrlichen Bericht vor,
dem zugleich Bemerkungen aber die entsprechenden Verhalt-
nisse in Italien und England, so viel sich davon beschaffen lies-
sen, und weitere Vorschlage uber die Neugestallung der hei-
mischen Verhaltnisse beigefiigt waren. Der das Ausland be-
treffende Theil dieses Berichts ist in Hrn. Kugler’s Brochiire:
» Ueber die Anstalten und Einrichtungen zur Férderung der bil-
denden Kiinste und der Conservation der Kunsldenkmiler in
Frankreich und Belgien, nebst Notizen tber einige Kunst- An-
stalten in Elaliew und England“, Berlin 1846, gedruckt; wir
ké6nnen hier nur auf den Inhalt derselben verweisen.
	In den schliesslichen Vorschlagen dieses Berichts wurde
м. А. auf’s Neue die Wichligkeit der Einrichtung akademi-
scher Ateliers hervorgehoben. , Wenn man in Paris (so
heisst es dort) noch bei der sehr alten Verfassung beharrt und
in der Ecole des beaux arts den jungen Kiinstlern nur sehr
massigen Hilfs-Unterricht ertheilt, so zeigt sich der Erfolg in
dem auffallenden Mangel an Haltung, der den Richtungen der
franzdsischen Kunst beiwohnt und bei anderweitig fordernden
Verhaltnissen doch nur durch das ausserordentliche Genie wahr~
Вай tberwunden wird. Dagegen erfreut sich die Diisseldorfer
Akademie, die mit solcher Einrichtung zuerst aufgetreten, noch
eines fort und fort gesteigerten Besuches, obgleich die Begei-
sterung fir die Werke der dortigen Schule im Publikum so
merklich abgenommen hat; schon das dussere Bedirfniss, dem
bis jetzt in Betreff der Malerei nirgends auf so befriedigende
Weise entgegengekommen wird, treibt die deutschen (und auch
fremde) Kunstschiiler vorzugsweise dorthin. Die Akademieen
von Antwerpen und von Minchen haben dieselbe Einrichtung
als die unumganglich nothwendige anerkannt und streben mit
allen Kraften dahin, sie auf méglichst umfassende Weise in’s
Leben zu fahren. Kleinere Anstalten, wie z. B. das Stadel’sche
Institut zu Frankfurt a. M., befolgen dasselbe Princip“. (Auch
bei der Akademie zu Dresden ist dies der Fall.)
	Bei dem vielbesprochenen und hochst streitigen Wesen der
akademischen Concurrenzen wird es ferner nicht tber-
fliissing sein, hier noch Dasjenige vollstandig folgen zw lassen,
was Hr. Kugler unter den ebengenannten Vorsehlagen iiber die-
sen Punkt vorlest.
	»Es wird zweckmassig und vortheilhaft sein“ — 30 5206 ег —
,denjenigen, der die Schule auf ausgezeichnete Weise absolvirt hat
und von dem wahrhaft bedeutende Leistumgen zu erwarten sind, auf
eine angemessen férdernde Weise in die Stellung des selbstandigen
Kiinstlers hinaberzufihren, Hierzu dient bis jetzt allein das, zumal