kraft des Beschauers tiberlisst; die Form versinkt, so zu sa~
gen, in dem an sich meisterlichen Impasto, und die Grundlage
aller Landschaftsmalerei, das Versténdniss und die Angabe der
festen Bestandtheile unseres Erdkérpers, die sich in der be-
stimmten und sicheren Modellirung der Felsen, der Grinde und
des Erdreichs ausspricht, und uns mit der Ahnung des Be-
standigen unter der wandelbaren adusseren Hiille durchdringt,
eine Eigenschaft, wodurch Nic. Poussin so unerreichbar gross
dasteht, — fehlt hier ganz. Eben so wenig ist auf der ande-
ren Seite in Th. Rousseau’s Landschaften, in der Regel, von
einer Zusammenstellung der in der Natur zerstreuten Elemente,
kurz von ciner Composition, in der jede Einzelheit ihr Recht
behauptet und doch wieder als dienendes Glied sich einfigt und
zur Harmonie des Ganzen beitragt, die Rede. Es sind gliick-
liche Wiirfe, an deren Gelingen die Zufalligkeiten der Palette
mehr Antheil haben, als Studium und Beobachtung, Eingebungen
des Augenblicks, nicht gesichtet, nicht durchdacht, Vorspiele
zu wirklichen Schdpfungen, Bruchstiicke eines Ganzen, -— dis-
jecta membra! Th. R. hat dieses Jahr sieben Nummern, dar-
unter mehrere gréssere Ansichten, dem Walde von Fontaine-
bleau entnommen, ausgestellt.

Paul Huet, friher zu den Hauplern der Schule gerech-
net, ist etwas in Vergessenheit gerathen. Auch er sucht seine
Eingebungen zum Theil in Fontainebleau and der nichsten Nach-
barschaft von Paris, zum Theil in der Provence und am Mit-
telmeer. Seine Manier hat etwas eigenthiimlich Energisches,
in Salvator Rosa’s Weise, artet aber oft in Harte aus.

C. Flers, der Lehrer Cabat’s, sonst so beliebt durch seine
naturgetreren Darstellungen der felten Wiesen der Normandie
und der hiigeligen Ufer der Marne oder der Eure, in dem
eigenthiimlich blaugriinen Ton, den diese Landschaften bei be-
decktem Himmel annehmen, — ist dieses Jahr in eine unleid~
liche, tribe, graue und schmutzige Firbung und in eine so
harte Ausfithrung verfallen, als waren seine Graser und seine
Baume lauter Messingdraht.

Zu den achtungswerthesten und thatigsten Meistern der
jungen Schule der Landschaftsmalereit gehdrt unbedingt E. L.
Frangais, der Anfangs die Umgebungen von Paris ausgebeutet
und diese freundliche, reiche und йррюе Natur mit schlichter
Wahrheit und poetischem Sinn aufgefasst, gelegentlich auch
eine wilde und phantastische Gebirgsgegend mit shakespearischen
Figuren ausgestattet, in der letzten Zeit aber sein Zelt in Rom
und dessen Umgegend aufgeschlagen hat. Von daher, aus den
nie zu erschépfenden, nie genug zu preisenden rémischen Ge-
birgen und der Campagna, hat er dieses Jahr drei Gemalde
und vier Zeichnungen eingesandt, die das lebendige Geftihl und
Verstindniss dieser grossen Natur athmen und sich durch weiche
Ausfihrung und warme Beleuchtung empfehlen.

Dieselben Orte bewohnt seit Jahren (als Zégling der fran-
zosischen Schule in Rom), dieselben Gegenden schildert, meist
in grossen Compositionen, Achille Benouville, Bruder des
Historienmalers Léon B. Es fehlt diesem jungen Kiinsiler nicht
an Sinn fiir Linie, wohl aber, — und dieser Vorwurf lisst sich
der Mehrzahl der Iebenden Kiinstler machen, — an jener Kraft
der Gestaltung, der Potenzirung, die da einzelne Elemente, zu-
sammengetragene Bruchstiicke geistig zu durchdringen und zu
einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen weiss. В. 151
ausserdem kalt im Gefiihl, bald grell, bald fahl in der Farbung,
anspruchsvoll in der Auffassung und auch im Vortrag nicht naiv.

Aehnlicher Tadel trifft E. Buttura, der aus Ariccia treff-
liche Studien mitgebracht hat, und der, zwar voll Geschmack
im Einzelnen, seine grossen Compositionen dermaassen tiber-
ГИЦ und volistopft, dass Auge und Geist sich vergeblich nach
einem Mittel- und Ruhepunkt umsehen.
	Kupferstiche vorkommenden Wasserzeichen, namentlich seiner
Kleinen Blatter, mir freundlichst mittheilen zu wollen. Ой
wird sich dies ohne beigefiigte Zeichnung der Wasserzeichen,
und am kiirzesten nur durch Beziehung auf Breitkopf, auf Jan-
sen (Essai sur Vorigine de la gravure) und ahnliche Hilfsbi-
cher ausfiihren lassen; und ich werde jede zu solchem Zwecke
mir gewahrte Unterstiitzung in der beabsichligten Schrift dank-
bar anerkennen.

Die Herren Kunsthandler aber, welche ein giinstiger Zufall
in den Besitz Diirer’scher Kupferstiche von erster Schdnheit
des Drucks und der Erhaltung mit nicht allzuschmalen Origi-
nalrindern bringt, ersuche ich um Angabe der Nummer nach
Bartsch und des Preises, unter meiner Adresse.

Dresden, 11. Juli 1851. Dr. W. Ackermanm, Prof.
	Pariser Kunstausstellunge von 1850—51.
	(Fortsetzung.)
	Landschaftsmalerei: Th, Rousseau. — P. Huet. — ©. Flers. — A. Benou-

ville. — E. Buttura. — P. Chevandier. — A. Teytaud. — G. Lacroix. —
E. Lapierre. — P. A. Jeanron u. A. — Seemalerei: Th. Gudin u. A. —
	Blumenmalerei und Stillleben: P. A. Chabal. — Elise Wagner u. A. —
Zeichnungen: VY. Vidal п. А.
	Diese letztere Betrachtung Та№тЬ ипз ай етеп Кйпз$Иет,
von dem wir nicht linger zégern diirfen zu sprechen, und der,
wenn wir uns ausschliesslich mit der heurigen Ausstellung be-
schaftigten, an die Spilze der Landschaftsmaler halle gestellt
werden miissen, da ihm — freilich nicht ohne lebhaften und
vielfachen Widerspruch, — von denen, die nun cinmal das
grosse Wort fiihren, der Preis in dieser Kunstgattung zuerkannt
wurde. Es liegt in dieser parteischen und leidenschaftlichen
Eingenommenheit fir Théodore Rousseau, — denn von ihm
ist hier die Rede — wenigstens eben so viel systematischer
Widerrpruchsgeist und verhaltener Groll gegen die Akademie
und die Jury der fritheren Jahre, welcher die Einsendungen
dieses Malers jahrelang beharrlich zurtickwies, als aufrichtige
Bewunderung fiir das nicht zu verkennende Talent dieses be-
gabten Kiinstlers, welchem, beim Lichte betrachtet, seine Freunde
durch unzeitige und tibertriebene Lobspriiche eben so viel ge-
schadet, als seine Gegner dureh diese Aussehliessung, deren
Folge sein jetziger Triumph ist, geniitzt haben.

Wir haben Th. R. zum Theil schon charakterisirt, indem
wir thn mit Diaz zusammenstellten. Was diesen Kitinstler aus-
zeichnet, ist eine gewisse Empfanglichkeit fi das Ausdrucks-
volle, das Bedeutsame der einzelnen Naturformen in ihrer aus-
seren Erscheinung; ein zart gebautes Auge, ein lebhafter Sinn
fir den Reiz und die Poesie der Farbung, meist in gebroche-
nen Toénen; dabei eine grosse Frische der Auffassung und Ri~
stigkeit im Ausfihren. Das Spiel des Lichtes in den bethaulen
Grashalmen; die untergehende Sonne, deren langgedehnte Strahlen
tiber das weiche. Moos hinstreifen; ein glihender Abendhimmel,
der sich in einer Pfitze abmalt, wahrend die Flache der Heide
in gestaltloses Dunkel versinkt; das rauhe Gestriippe eines halb-
gelichteten Waldes; ein wolkiger Himmel, der mit einer unab-
sehbaren, grauen Ebene so zusammenwachst, dass man im
Scherze gefragt hat, ob die Erde wirklich die Erde, und ob
das Bild sich nicht etwa umkehren liesse: dieses sind die Ac~
corde, die Rousseau anstimmt, dieses die Bilder, die er der
Natur entnimmt und denen er eine gewisse feierliche Stimmung
mitzutheilen weiss. Alle diese Motive aber sind fliichtig be-
handelt und viel mehr angedeutet als ausgedriickt. Hier ist
keine scharfe Bezeichnung, keine Durchhbildung und Ausfih-
rung des Einzelnen. Die Farbe ist in einer Weise aufgetra-
gen, die das Meiste dem Spiel des Zufalls und der Hinbildungs-