Durchdrungen von der erhabenen Schénheit und dem schwer~
mithigen ernsten Ausdruck der rémischen Campagna, doch un-
vermégend sich eine eigene Weise zu schaffen, halt P. Che-
vandier sich eng an das Vorbild Gaspar Poussin’s, freilich mit
einer Ausfihrung, deren Hirle gegen die lebensvolle Weich-
heit des rémischen Meisters gewaltig absticht. Seine , Abend-
dammerung in den pontinischen Siimpfen*, mit den schwarzen
Biffeln im Vordergrund, eine sehr grosse durchdachte Compo-
sition, hat diesem Kiinstler, der eine bei Dilettanten hichst sel-
tene Ausdauer und Willenskraft besitzt, eine wohlverdiente Be-

lohnung eingetragen.
	Als Nachahmer dieses Nachahmers tritt A. Lessieux in
einer Landschaft mit Tobias und dem Engel und einigen rémi-
schen Ansichten auf.
	A. Teytaud hat die einsame Stille eines von waldigen
Hohen eingeschlossenen klaren Sees, unterbrochen vom Geplit-
	scher der Nymphen, die die G6ttin der Jagd begleiten, als  
	Motiv eimer kaum weniger als 9 Fuss breiten Landschaft be~
nitzt. Die Feigenbaume, die das Ufer des Sees beschatten,
geben dem Ganzen ein ungewohnliches Anschen. Das Bild ist
mit gewandter Hand ausgefiihrt; Behandlung und Farbung 151
leicht und wahr; nur in den Linien fehlt die strenge Durch-
fiihrung.

Zu den Kinstlern, die den Styl suchen, gehdrt auch С.
Lacroix; allein seine Umrisse sind zu unbestimmt, seine Farbe
ist schmutzig und falsch im Ton.
	Уоп стоззег мегпейкей эта Е. Гар1етгге’” $ ГапазепаНен,
der dieses Jahr die drei Frihlingsmonate in drei getrennten
Bildchen behandelt hat. Besonders lieblich ist der ,Mai*, wo
sich die tausend Bliithen und die zarten Blattchen der Baume
in eigenthtimlicher Weise mit dem blauen Himmel vermahlen.
	Р. А. Jeanron hat unter acht Bildern, deren wir eines
schon erwahnt haben, cine sehr grosse Landschaft, ,, Schafer
weiden ihre Heerden an der Stelle des verlassenen Seehafens
von Ambleteuse* (bei Boulogne) ausgestellt: eine gewissenhaft
durchgefiihrte Composition von grossem Verdienste, deren selt-
sam strenges Ansehen durch die braune Farbung noch erhoht
wurde. —

Unter den Malern aus der Provinz haben sich V. Cour-
duan in Toulon, Cherot in Nantes und Loubon in Marseille
hervorgethan. Von Leizterem ist besonders bemerkenswerth die
,Auswanderung wahrend der Cholerazeit, in Marseille“. Ми
отоззег Wahrheit der Beobachtung und nicht ohne einen leisen
Anflug von satyrischer Laune ist das Getiimmel und die Hast
der Flichtenden ausgedrickt, die die Anhéhe von Notre-Dame-
de la Garde zu erreichen suchen; uniibertrefflich aber ist der
dichte weisse Staub, diese Landplage des siidlichen Frankreichs,
wiedergegeben, der zum Theil die Gruppen der Auswandernden
einhallt, —
	Vieles ware noch uber diesen und jenen Landschafter zu
sagen, doch thut es Noth, dass wir diesen Bericht zu Ende
fihren; wir nennen daher nur im Allgemeinen: Watelet, der
seit 50 Jahren thatig ist; Léon Fleury, Hostein, Lapito,
Jolivard,; Coignard, Anastasi, Lottier; Justin Ou-
vrié, Wild, Joyant und Ziem, die letzleren vier besonders
in Stadteansichlen ausgezeichnet; Dagnan, Pascal, Lanoue,
Cicéri, Labbé, Lambinet, Leroux, Degoffe, Blan-
chard, Ranglet, Hintz, Melbye u.s. w.
	Unter den Seemalern tberragt Th. Gudin noch immer,
trotz dem haufigen Missbrauch den dieser unvergleichliche Kiinst-
ler mit seinem Talente macht, alle seine Nebenbuhler dergestalt,
dass selbst grosse Talente, wic Barry und Mayer, geschweige
denn Tanneur und Garneray neben ihm verschwinden. Mo-
	zin und Lepoitevin aber verfallen immer mehr in unleidliche

Manier.

In Architeklurbildern, durch den Reiz der Beleuchtung
belebt, glinzen Bouton und Dauzats; in Behandlung der
Blumen und der Stillleben (ausser den schon erwahnten): Р.
A. Chabal; Elise Wagner; Hanoteau, Pivoine, Vil-
lain und Bouvier. —

Unter den Zeichnungen, von denen die wichtigsten im Vor-
tibergehen schon erwahnt sind, dirfen wir nicht ungenannt las-
sen: V. Vidal’s reizende und durch den Stich auch ausser-
halb Frankreichs zur Genige bekannte ,Evastéchter“ und ,Jah~
reszeiten“; seine Frauenportraits u.s. w. Ferner: P. Girard’s
Ansicht des Aetna, Aquarell; und A. Bridoux’, des Kupfer-
stechers, ausgezeichnete Copie der segnenden Jungfrau mit dem
Kinde, und dem Stifter von Leonardo da Vinci, im Klostergang

von S. Onofrio zu Rom. (Fortsetzung folgt.)
	Das Portrait oder Bildniss.
	Уоп №. Unger.
(Schluss.)
	Die Aullassung der Portraits als basis der Kunst-
bildung im Allgemeinen.
	Dass das Portrait in Wahrheit eine erspriessliche Basis ab-
giebt, nach welcher die Kunststufe am richtigsten zu bemessen
sei, davon ist leicht eine Ueberzeugung zu gewinnen, wenn man
die Werke der verschiedenen Kunstepochen naher ins Auge
Газ. Erst da, wo in ihr die Consequenzen des Besondern
sichtbar werden, fangt die eigentliche Kunst an, die sich erst
mit der Erkenntniss der dem Besondern zum Grunde liegenden
allzemeinen Idee zum klaren Selbstbewusstsein. entfaltet. Was
von den Anfangen der Kunst im Allgemeinen gilt, gilt nicht
weniger auch von dem Portrait. Es enthalt schon friih, bei
allen Mangeln der weniger ausgebildeten Form, das Hauptele-
ment, worauf es auch hier ankommt: die Auffassung der
Idee, wozu der primare instinctive Kunstiricb schon gelangte,
welcher auf religissem Wege zu dem Wesen der Erscheinung
geleitel wurde.

Jener strenge Ernst, welcher im Anfang der Kunst die
Folge eines tiefen religidsen Gefthls war, das mit Sicherheit
den Kiinstler seinen Pfad wandeln liess, weil es direct zur Of-
fenbarung des Geistes fihrt, ist ein Hauptzug der 4llesten Por-
traits, deren artistischer Sinn sich am deutlichsten kund giebt,
wenn man sieht, wie oft ganze’, wirklich vorhanden gewesene
Gestalten mit individueller Treue den kirchlichen Persénlich-
keiten in einer Weise vindicirt sind, als waren sie zu einem
héhern Dasein entriickt. Das oft so Geisterhafte betender Do-
natoren, die kniend ihre fromme Kirchenspende verehren, ist
sicher einem reinen Kunstsinn ertraglicher, als die tiberaus an-
genehmen und sorgfaltig ausgefiihrten Bildnisse, in welchen die
treue Realistik die Idee der Erscheinung um soe weniger er-
kennen lasst, als die dazu erforderliche innere Sammlung durch
das irrthiimliche Streben nach dussern Beziehungen, wie ,schén-
sinnig* sie auch angedeutet sein mdgen, zersplittert ist.

Man werfe einen Blick auf die unzahligen, oft mit vielem
	Geschick ausgefthrten Bildnisse der Neuzeit, wie wenige einen
	Vergleich mit denen der altern Meister, nicht einmal honern
Ranges, aushalten. Oft ahnlich bis zur frappantesten Illusion,
haben sie, genauer betrachtet, doch nur wenig Kunstwerth ;
denn diese Aehnlichkeit ist doch nur eine Achnlichkeit des
Leibes, da die eigentliche Idee der Individualitat in ihr nicht
als solche, sondern erst in der Bedeutung ihres Verhaltnisses