den, dass die Behandlung und der Vortrag, welche dazu fiihren, geistreich seien; denn dies driickt, in Bezichung auf den Geistesfonds, nur etwas Endliches, Quantitatives aus, was der Eigenschaft des Geistes, wie sie der Meister versteht, wider- spricht. Ein geistreicher Vortrag erstreckt sich nur auf einzelne Stellen der Wahrheit. Deshalb ist er nur bei einer skizzirten Behandlung an seinem Platze. Das Interesse was er erweckt, beruht nur in der stellenweisen Veranlassung einer Vermuthung tieferer Wahrheit, welche die Vollendung besla-~ tigen soll; wozu die Handhabung cines Stylgeseizes erforderlich ist, das selbst das Fragliche der engern Interwallen der Dar~ stellung, die immer nur kategorienweis bewerkstelligt wird, griindlich erledigt. Die Bildnisse vorstellend den General Wrangel und die Sdngerin Sonntag, zwei der besten der Neuzeit von Magnus, tragen alle Vorztige dieses Kiinsllers, dessen Streben noch nicht als abgeschlossen zu betrachten ist, und von dem Bedeuten- deres zu gewartigen steht, wenn er die Erscheinung mit jener Pietat in sich aufnimmt, die zur Erreichung eines héhern Gei- stesfonds unerlasslich ist. Hierzu wire vor Allem ein Ver- zichten auf die verlockenden Mitte] der Iusion erforderlich. Ein ernster Blick auf das Nebensichliche der Werke des van Dyck kann lehren, wie das Materielle als solches zu behandeln sei, wenn in einem Bilde mehr, als eine angenchme Wahrheit erziell werden soll; er kann lehren, wie eine natiirlichere, weichere Begrenzung des Contours den innerhalb desselben liegenden Theilen eine gesteigerte Geltung verschaft, und wie zur Behandlung der Gelenke menschlicher Gliedmassen mehr Erkenntniss, als physische Sehkraft erforderlich ist, vorziiglich bei sanften Formen der Frauengestalt, in denen die ursachli- chen Elemente verheimlicht sind. Von Sohn war auf einer den Berliner Kunstausstellungen ein weibliches Bildniss von ungewdéhulicher Schénheit zu sehen. Eine ebenso ruhige als vollkommene Befriedigung des Kunst- gefiihles dieses edelstrebenden Kiinstlers brachte cinen gewissen Grad jenes intensiven Lebensfonds hervor, der nur den wahren Meisterbildern eigen, und der nur zu steigern ist dureh ein Verzichten auf die modernen Reizmittel, die in diesem Bilde weniger wie sonst bei diesem Ktnstler vorherrschend waren. Die in den Tizianischen Portraits enthaltenen Prin- cipien der modernen Malerei gegentiber. Zu welcher hohen Stufe der Vollendung die Bildnissmaleret zu gelangen vermag und welche Bedeutung in sie gelegt wer- den kann, beWweist Keiner mit der Tiefe, wie der grosse Ti- zian, welcher selbst einem Rubens und van Dyck zum Muster diente. Insofern die Form der Naturerscheinung das Geprige ihres Zweckes enthalt, wodurch der Sinn derselben erst anschaulich wird, nimmt das Portrait, wie schon bemerkt, eine héchst wich- tige Stelle in der Malerei ein, da es haupisdchlich vermittelst desselben méglich wird, ihre bedeutsamen Modificationen naher kennen zu lernen. Daher erscheint es denn auch hier dem Ti- zian vor Allem unstatthaft, ein fremdes, abstractes Element hineinzutragen, Mit der ganzen Grosse seiner Kunst Ще! ег sich davor, weshalb man denn auch vor der Hand in Seinen derartigen Werken nichts Anderes sicht als eine bedeutsam vor- gefiihrte Individualitat, deren tiefer géttlicher Ernst dem Be- schauer ein Interesse abnéthigt, von welchem er sich schwer cine Rechenschaft zu geben vermag. Der Grund davon ist kein anderer, als dass hier die Mittel der Darstellung von ihrem geistigen Inhalte rein consumirt werden, und so das Ursach- liche der Erscheinung in dem Grade verborgen bleibt, wie in der Natur selbst. Nicht das Gewand, welches die hohe amt- Hehe Stellung beurkunden mag, ist es, das dem Beschauer diese Ehrfurcht einflésst, sondern die Totalwirkung eines Kunstwerkes, das, aus Kunst, aller Kunst bar zu sein scheint, um lediglich einer Individualitat zu gentigen, die hier zu einer Bedeutung erhoben wird, welche ihr den Namen Ebenbild Gottes bei- legt. Es ist naturphilosophisch das rein Menschliche in einem besondern Falle, in den bedeutsamsten Ziigen der Erscheinung vorgeftihrt, indem er es nur in die Beziehung zu sich selbst setzt. So erscheinen diese Gestalten wie von einem Selbstbe- wusstsein erfiillt und in solcher Unabhangigkeit von Aussen- dingen ist die Freiheit in reiner Verselbstigung manifestirt. Das ist der grosse Sinn, den Tizian mit vollem Bewusst- sein des Kunstzweckes und den entsprechendsten Mitteln der Ausfiihrung in das Portrait legt. Er beweist durch solche Auf- fassung, wie jede Erscheinung schon an sich alle Be- dingungen bietet, den héchsten Anforderungen der Kunst zu gentigen, die lediglich der Spitze der rei- nen Idee, des Geistigen oder Schinen zulaufen, dic nicht in dusserlichen Beziehungen zu suchen ist. Wie jedes enlsprechend angewandte Mittel in dem Zwecke der Offenbarung des wahrhaft Schénen seine Weihe empfangt, so geht auch der Meister selbst dieser Weihe nicht verlustig. Sein arlistisches Wirken ist cin wahrhaft religidses, erbauliches Handeln; denn die Fixirung des Geistigen ist nur alsdann még- lich, wenn der Geist des Kinstlers sich in dem Geistigen der Erscheinung sammelt und wiederfindet, ein Process, der alles Profane und Abstracte in der bildenden Kunst ausschiliesst. Es wird hieraus erklirlich, wie die scheinbare Steifheit der alteren Gestalten in den Portraits zu beurtheilen sci. Sie ist nichts Anderes als eine stylvolle Gemessenheit der Bewegung, in welcher jede Regung vermieden ist, welche den Beschauer nach andern Bezichungen hinlenken kénnte als den geistigen. Die irdische Pracht und Herrlichkeit, alle charakteristischen Merkmale weltlicher Beziehungen, in der die vorgestellte Person steht, sind nur als Altribute zu behandeln, welche das indivi- duelle Dasein, unbeschadet der geistigen Sammlung derselben, beurkunden. _ Ist den spaiteren Meistern dieser Sinn im Portraitfach nicht immer klar gewesen, so haitten sie doch cin richtiges Gefihl dafiir, indem auch sie sich htiteten, etwas Anderes hineinzu- tragen, was die Aufmerksamkeit von der Vergeistigung der dar- gestellten Persénlichkeit abwendig machen kénnte. (Nachdem nun der Verfasser die moderne Richtung, welche sich mit der historischen Darstellung grosser {ndividualitaten befasst, in kritische Betrachtung zieht, geht er auf kanstgeschichtlichem Wege zur speziellern Erlauterung der Kunstprincipien auf die bedeutendsten Mei- ster im Bildnissfach Gber, von denen er die Nachfolger Tizians, so- dann in der niederlandischen Schule Rubens, van Dyck und Rem- brandt, in der deutschen vornehmlich Direr und Holbein einer nahern Untersuchung und Charakterisirung unterwirft, womit er dieses Ca- pitel schliesst. Indem wir auf den Inhalt dieses Werks, das bald die Presse ver- lassen wird, vorlaufig hiermit gern aufmerksam machen, behalten wir uns eine nahere Besprechung desselben bis auf Weiteres vor.) Bericht iber die Versammlungen des Vereins fir mittel- alterliche Kunst in Berlin. In der Marz-Versammlung hielt der Baurath v. Quast einen Vorirag tiber die kirchlichen Denkmaler zu Regensburg, in welchem er manche bisherige Annahmen als irrig nachwies und viele neue und interessante Bemerkungen mittheilte, welche