die Pflege und Unterstitzung junger ktnstlerischer Talente in
die Hand genommen und so nach allen Seiten, so weit seine
Krafte reichen mochten, geférdert und angeregt.

Seine Mitglieder kommen regelmassig jede Woche einmal
zusammen. Als ein zweckmassiges Belebungsmittel dieser Ver-
sammlungen diirfen die im Laufe des vorigen Winters abgehal-
tenen Vortrage eines Mitgliedes tiber Gegenstinde der bildenden
Kunst des Mittelalters gerechnet werden. An dem Faden der
geschichilichen Entwickelung suchte der Vortragende die ein-
zelnen Perioden der bauenden und bildenden Kunst in Deutsch-
Jand, von ihren frtihesten Erscheinungsformen an bis zu ihrer
héchsten Durchbildung in Uebersichten darzulegen und durch
genauere Beschreibung charakteristischer Denkmaler der Ar-
chitektur, Skulptur und Malerei zu erlautern, wozu sich der~
selbe durch die mit anerkennenswerther Liberalitét gewdhrte
Benulzung der Schatze hiesiger Offentlicher Bibliothek, so wie
durch die Freundlichkeit einzelner Mitglieder in Stand gesetzt
sah, welche Ansichten, Risse, Details und andere Zeichnungen
fir diese Zwecke mitbrachten und dem Verein vorlegten. Diese
Vortrage, sechszehn an der Zahl, welche nebenbei besonders
die sehr vernachlissigte Bekanntschaft mit den mittelalterlichen
Kunstdenkmalern des Inlandes auszubreiten und fir deren Er-
haltung Interesse einzufléssen suchten, wurden am 4. April d. J.
mit einem ausfihrlichen Vortrag tber den Kélner Dom he~
schlossen. Bei der Eréffnung derselben, am 22. November v. J.,
konnte der Vorsitzende die Versammlung zugleich durch eine
Mittheilung tiberraschen, die mit der -freudigsten Theilnahme
aufgenommen- wurde, dass namlich S,H. der Herzog das Pro-
tektorat der Gesellschaft tbernommen hilte. Da diese Aus-
geichnung bis dahin noch keinem der im Lande bestehenden
Vereine zu Theil geworden war, so liess dierer Schritt die
allervortheilhafleste Riickwirkung auf die Interessen des Ver-
eins erwarten, und es darf von da an gewissermaassen cin
neues Stadium seiner Entwickelung gerechnet werden. Denn
abgesehen davon, dass durch diesen Vorgang viele Personen
aus dem Adel und der héheren Beamtenwelt, die bei uns wie
anderswo dem geistigen Leben des Volkes seither ziemlich kalt
gegentiber gestanden hatlen, fiir das Interesse des Vereins ge~
wonnen wurden, so musste auch der Verein in diesem Anlass
seinerseits eine Aufforderung finden, durch eine Gegeniusse-
rung in passender Form den Beweis zu fithren, dass er den
Werth der so huldvoll ihm zugedachten Protektion wohl zu
schatzen wisse.

Es wurde namlich auf den Vorschlag des Vorstands ein
Album angefertigt; simmtliche Mitglieder des Vereins wurden,
unter Bezeichnung des Formats der Blatter, zur Betheiligung
aufgefordert und Termin zur Einsendung bis zum April d. J.
anberaumt, als dem muthmasslichen Zeitpunkt, wo dic Ver-
mahlung des Herzogs statthaben wirde, bei welcher Gelegen-
heit dann die feierliche Uebergabe des Kunstwerks stattfinden
sollte.

Dieses Unternehmen ist vollstandig gelungen. Es_hatten
sich nicht weniger als 50 Kiinstler und Kunstfreunde zusam-
mengefunden, die zusammen 70 Blatter, in den verschiedenar-
tigsten Manieren, geliefert haben. Die meisten derselben sind
in Aquarell oder Bleistifizeichnung ausgefiihrt; aber auch die
Oel- und Guachemalerei, die Federzeichnung, der Kupferstich,
selbst die Dekorationsmanier und die Photographie haben im
Album ihre Vertreter gefunden. Von ausiibenden Kinstlern,
denen dasselbe die werthvollsten Gaben verdankt, haben sich
daran betheiligt: Simmler und Wilttemann in Geisenheim,
Jacobi, de Laspee, v. Bracht, Knaus (dermalen in Dis-
seldorf), Seel, Portmann, Scheuer, Vogel, Voddiggel,

oe!”
	УГ. Lingel, simmilich in Wiesbaden, A. Miller in Rudes-
34 *
	Kunstbericht aus Nassau.
Von №&. Rossel in Wiesbaden.
	Berichterstattungen aus den einzelnen deutschen Landes-
theilen iiber Gegenstande der bildenden Kunst haben wir, 50
oft sie im Kunstblatt erschienen, jedesmal mit hohem Interesse
kennen gelernt; sie haben uns zur Beurtheilung unserer eige-
nen Verhiltnisse immer gar willkommene Vergleichungspunkte
abgegeben; sie haben oft etwas Trdstliches, immer ungemein
viel Anregendes fir uns enthalten. Dass das Interesse fiir
solche Dinge auch anderwarts ein gleiches, dass es tiberall
rege und an den meisten Orten im Wachsen begriffen ist, das
zeigen uns, ausser vielen anderen Zeichen der Zeil, gerade die
Berichte dieser Blatter am vollstandigsten, und so dtirfen wir
	wohl annehmen, dass von dem grosseren Kunstpublikum der-  
	gleichen Nachrichten auch aus unserem Lande, das freilich erst
seit jiingster Zeit seine ersten kleinen Unternehmungen auf die-
sem Gebiete versucht hat, nicht unfreundlich entgegengenommen
werden, Vielleicht wire sogar die Erwartung nicht ungerecht-
fertigt, dass von gleichstrebenden, aber durch grossartigere
Hiilfsmittel gestiitzlen und durch langere Erfahrung geleiteten
Genossen eine durch Rath und That férdernde Mitwirkung uns
um so eher, um so wirksamer geleistet wtirde, je vollstindiger
dieselben durch das deulsche Kunstblatt von demjenigen unter-
richtet sind, was auf kimstlerischem Gebiete bei uns bereits
gewirkt oder angestrebt ist. Da nun ein guter Theil dessen,
was unser Land in diesem Fache leistet, mit dem hiesigen
Kunstverein in Beziehungen steht, indem es als von ihm
entweder hervorgerufen oder augeregt, oder doch gepflegt und
geférdert betrachtet werden darf, so wollen wir, zugleich an-
knipfend an das, was ein ahnlicher Aufsatz: ,Ueber den Zu-
stand der bildenden Kunst im Herzogthum Nassau und die zu
ihrer Pflege gegriindete Gesellschaft von Freunden bildender
Kunst“ in No. 21 und 22 des Jahrgangs 1850 dieser Blatter
gebracht hat, iiber die seitherige weitere Entwickelung dieses
Vereins fiir diesmal einen einleitenden Bericht voraussendcn.
Wenn aus 4usseren Erfolgen ein treffender Rickschluss
auf die gedeihliche Wirksamkeit cines Vereins gezogen werden
darf, so muss es mit dem hiesigen Kunstverein, der bis jetzt
noch den Jangen, aber um so bescheideneren ‘Titel einer ,Ge-
sellschaft von Freunden bildender Kunst im Herzogthum Nassau
zu Wiesbaden“ fihrt, nicht Бе! Безе! sein. Er zahlt ein
Dasein von kaum vier Jahren; eine Unterstiitzung aus 6ffent-
lichen Mitteln, obgleich mehrfach begehrt und langst zugesagt,
auch von der Kammer der Abgeordneten langst und mit selte-
nem Entgegenkommen bewilligt, hat er bis jetzt noch in nichts
erhalten; er ist zur Férderung seiner so héchst mannigfachen
Zwecke lediglich auf die, zu 3 Fl. angesetzten, Jahresbeitrage
seiner Mitglieder angewiesen, deren Zahl sich voriges Jahr um
diese Zeit auf etwa 130 belief — und trotz alle dem hat er
aus und durch sich selbst, zugleich durch mehrere zusammen-
treffende erfreuliche Umstande begiinsligt, nicht bles seinen
Bestand gesichert und befestigt, sondern auch seine Wirksam-
keit bedeutend erhdht und ausgebreitet,. Der Verein hat sich
im Laufe eines Jahres von 130 bis zu 240 Mitgliedern ver-
starkt, was bei den engen Grenzen unseres Landes und der
Neuheit der Sache nicht wenig sagen will, er hat mit auswar-
tigen Vereinen Beziehungen angekniipft oder befeslig!, er darf
sich der cdelmiithigsten Férderung seiner Zwecke namentlich
von Seiten des Mtinchener Kunstvereins rihmen, er hat durch
seine permanente Ausstellung, so wie durch Verloosungen von
Kunstgegenstanden in immer erweiterteren Kreisen des Publikums
Eingang und freundliche Theilnahme zu finden gewusst; er hat