252 auf Antrag des Direktors freien Zutritt im Standischen Iheater. Zeugnisse der Reife werden an dicjenigen ertheilt, welche den vollstindigen Cursus durchgemacht und die Schlusspriifung be- standen haben. Ill. Die Gesangschule des Wiener Conservatoriums hat vor der Concertschule als Vorbereitung noch drei Klassen zur Bildung von Knaben und Madchen, bei denen die Mutation noch nicht erfolgt ist. Die Wiener Opernschule bildet nur den Gesang, giebt aber keine Gelegenheit zu praktischen Bihnen- versuchen. Der Cursus der Orchesterschule ist sechs Jahre, fir jedes Instrument ein Lehrer, der in zwei Abtheilungen (w6- chentlich sechs Lehrstunden) unterrichtet. Alter fiir die Auf- nahme 10 Jahre. In der ersten Abtheilung wird dic technische Behandlung des Instruments, die Theorie der Musik und der Chorgesang gelehrt. In der zweiten tritt Unterricht im Orgel- spiel, in der Harmonielehre bis zum doppelten Contrapunkt, in der Aesthetik, Geschichte der Musik und italienischen Sprache hinzu. Diejenigen, welche sich zu Kapellmeistern ausbilden wollen, erhalten Gelegenheit sich im Orchesterdirigiren zu tiben. Ein Vergleich mit dem Leipziger Conservatorium ergiebt, dass das Wiener wegen seiner vollsténdigen Orchesterschule vor dem Leipziger, welches nur Virtuosen auf der Geige bilde, einen Vorzug habe. Eben so zieht Hr. A. die Prager Gesang- schule vor, weil sie nicht nur weibliche, sondern auch mann- liche Zéoglinge aufnimmt, und denselben Gelegenheit zur prak- tischen Bithnenausbildung giebt. Dagegen habe das Leipziger den Vortheil einer Orgel- und Klavierschule voraus. Die Kirchenmusik in Wien schildert Hr. A. als ganzlich entartet und lediglich dem Sinnenreiz hingegeben. In ahnlichem Verfall befinde sich die Oper, welche alles klassischen Genus- ses baar sei. Hr. A. erwartet deshalb von Wien fiir die deut- sche Musik kein Heil; doch sei der Zustand der Kirchenmusik, so wie der Oper in Prag cin besserer, Wir lassen dem eben Mitgetheilten zunachst einige Bemer~ kungen und Vorschlige folgen, welche in einem, schon im J. 1847 erschienenen Werke enthalten sind. In Hrn. Kriiger’s ,Leben und Wissenschaft der Tonkunst* finden wir unter dem Abschnilt , Musikalische Hochschu- len“ der Einrichtung von Conservatorien sehr das Wort gere- det. Von der Untersuchung der Frage nach dem Bediirfnisse der Kunst, woraus sich das der Lehre von selbst ergiebt, aus- gehend, gelangt der Hr. Verfasser zu diesem Resultat: , Er- kennen wir, dass die Kunst nicht mehr der Gipfel des Geistes- lebens, aber doch ewig eine den edelsten gleichberechtigte Macht bleibt: so ergiebt sich der Wunsch, ihr auch ausserlich die Geltung und hierdurch innerlich die Stérkung zuzufiihren, die ihr gebihrt und nur zu oft von den iibrigen Geistesarbeiten streitig gemacht wird. Darum wiinschen wir hohe Schulen der Tonkunst, auf dass vermittelst ihrer Schiller verbreilet werde, was echt und wahr ist und entgegengearbeitet werde der Ent—- artung, die in einem unproduktiven Zeitalter naliirlich ist“. So halt Hr. K. eine hohe Schule des Fachs fir forderlicher, als die einsame Bildung und wiinscht dazu so lange die Vormund- schaft des Staales, bis der Geist der Gemeinden und des Vol- kes allein bemtiht sein wird um tichtige Organisten und Mu~- sikdirektoren. Der Zweck der héheren Musikschulen ist nach Hrn. K. ein dreifacher: Ausbildung von Lehrern, von tichtigen ausiiben- den Kiinstlern und die Heranziehung des Volkes d.h. der Nichtkiinsiler. Damit lassen sich die leitenden allgemeinen Ge- sichtspunkte auf technische, poetische und wissenschaftliche zu- riickfiihren. Die technische Lehre ist allen Schiilern gemein- b. Theilnahme an den Quartefiproben und Aufftihrungen. c. Besuch der kirchlichen Musiken des Thomanerchors und d. der Vorstellungen der stadlischen Oper. Die obere Verwaltung und Leitung des Instituls besteht aus 5 Direktoren, die ihr Amt unentgelllich verwalten. — Der Unterricht wird yon 13 Lehrern ertheilt. — Ein Inspektor beaufsichtigt und ordnet die ausseren Angelegenheiten. Das Honorar betragt 80 Thir., vierteljahrlich praenumerando zu bezahlen. Ausserdem 3 Thir. Aufnahmegeld und i Thlr. an den Diener. Ueber die hetreffenden musikalischen Verhaltnisse in Oc- sterreich liegt ein ausfihrlicher Bericht von Hrn. Anger- mann vor. Aus demselben geht hervor, dass es nicht die Regierung ist, sondern der bedeutende Sinn fir Musik des Volkes in Béhmen, Mahren, Steyermark und Tyrol, welcher der Musik eine so allgemeine Verbreitung verschafft. Bis jetzt habe die Regierung gar nichts daftir gethan, vielmehr hatten sich nur die katholische Kirche und die Stinde derselhen an- genommen. Letztere haben einen Privatverein gegriindet, fir Ausbildung guter Kapellmeister, Chordirigenten und Organisten. Ausser diesen Anstalten seien Musikconservatorien in Wien und Prag, die aber ebenfalls Privat-Anstalten der Stande seien. Beide Arten von Anstalten stehen mit der Kirche in so enger Verbindung, dass schon, vom sechsten oder siebenten Jahre an, ein Knabe seine musikalische Ausbildung, bei unentgeltlichem Unterricht, durch alle drei hindurchgehend, vollenden kénne. Durch das, was die Kirche fiir ihre Sanger thut, werde jedes auch noch so unbemittelte Talent der Kunst erhalten. Uebrigens werde die Regierung bei der bevorstehenden Reorganisation des Schulwesens den Gesangunterricht in den Volksschulen als regulair, in den Gymnasien als freien Gegen- stand einfiihren. Auch werde der Staat das Wiener Conserva~ torium tibernehmen, bei dem Unvermégen der Stainde, dasselbe aus ihren Mitteln zu halten. Die einzelnen Einrichtungen durchgehend, sprieht Hr. A. I. von dem Verein zur Beférderung und Verbreitung echter Kirchenmusik in Wien. Derselbe hat zum Zweck: 1. Ausbildung solcher Individuen, die sich der Kirchenmusik widmen woilen, 2. die Auffiihrung echter Kirehentonwerke und die Verbreitung derselben durch Druck und Schrift. Gelehrt wird Kirchenmusiklehre, Generalbass, Choral- und Figuralsatz, Spiel der Orgel und Saileninstrumente, Gesang fiir Knaben. Der Cursus ist fir Erwachsene ein Jahr, fiir Knaben drei Jahre. П. Das Conservatorium zu Prag zerfallt in eine Ge- sangschule, eine Concertschule, eine Oper- und Or- chesterschule. Die Gesangschule bildet Sanger und San- gerinnen firs Concert und die Bihne. Die Concertschule ist Vorbereitungsklasse fir die Opernschule und macht einen Kursus von zwei Jahren mit 12 Schilern durch. Lehrgegen- stande sind: Kunstgesang, Harmonielehre und Klavierbegleitung. Der Unterricht ist, wie schon bemerkt, unentgeltlich, jedoch wird bei einem durch Schuld des Zéglings veranlassten friihe- ren Austritt ein Ersatzhonorar gezahlt, welche Maassregel kiinftig in eine Cautionszahlung von 50 Fl. verwandelt werden soll. Fir die Opernschule muss der Zégling wenigstens ein halbes Jahr lang den Unterricht der Concertschule genossen haben. Der Cursus dauert zwei Jahre und bei Nichtbestehen in der Priifung drei Jahre. Die vorhergehende Priifung findet im staindischen Theater statt, um die Kraft der Stimmen messen zu kénnen. Die Kaution betrigt 100 Fl. Unterrichtsgegen- stinde sind: Kunstgesang, Fortsetzung der Harmonielehre, Kla- vierbegleitung. Ausserdem Logik und Psychologie, Mythologie, Aesthetik und Geschichte der Musik, Vortragskunst und Mimik, italienische Sprache, Tanzen und Fechten. Die Zéglinge haben