sprache des Kunstlers an den Beschauer: , Sehet, so wars, so is’s auch jetzt, und was damals ward, wird wicder werden*. — Wir kommen nunmehr zu dem technischen der Ausfiihrung und auch hier finden wir tberall die Herrschaft der Idee, ver- schmahend jedes stérende unntitze Nebensachliche, was aber nélthig war, diese ganz und voll auszusprechen, das ist auch bis zu diesem Grade vorziiglich und mit sicherer Hand ge- macht. ‘Trefflich und charakteristisch wie die Zeichnung der Kopfe ist auch die Farbung, ja wir glauben in den drei mitt- lern, dem Columbus gegeniiberstehenden Figuren zugleich auch die drei Hauptstaaten der damaligen katholischen Christenheit, Spanien, Italien und Frankreich, reprasentirt zu sehen, so ab- sichtlich erscheint uns der nationale Unterschied in diesen K6- pfen festgehalten zu sein. Einfach, aber von trefflicher Wir- kung ist die Haltung in Ton und Beleuchtung der Scene, na- mentlich auch die Abtonung des im Hintergrunde sichtbaren erhdhten, ebenfalls mit Ménchen besetzten Chores. Wir wiin- schen dem Kistler aufrichtig Gliick zu dicsem in der That glanzenden ersten Auftreten. Noch ein historisches Gemalde von Plattner in Rom ist uns als ein Ergebniss ernsten und tichligen Studiums, aber auch nur als solches, da es auf Selbstandigkeit ginzlich ver- zichtet, beachtungswerth erschienen. Es ist ein ganz im Sinne der Jugendarbeilen Rapheel’s oder seines Mcisters Perugino, auch wohl mit einzelnen Riickerinnerungen an die schon ctwas gedrungeneren Formen des Fra Bartolomeo, gedachtes, com- ponirtes und gemaltes Kirehengemalde, ein recht anmuthiges Madonnenbild, umgeben von den vier Kirchenvatern und einem zu den Fiissen des Thrones sitzenden Engelknaben, cine zwar durchaus imilirte, aber mit feiner Nachempfindung und recht viel versprechender Technik vorgetragene Darstellung im Geiste jener Zeit. Ein junger Kiinstler muss eine Zeit lang auf den Schultern alter Meister stehen, ehe er den eignen Flug begin- nen kann, wie dieser ausfallen wird, kann freilich erst die Zukunft lehren, aber gleichgiltig ist es nie, von wo aus er begonnen wird. — Auch eine Hagar mit ihrem verschmachtenden Ismael von Simonson, einem Schiller des Professor Bendemann, ist ein mit vielem Talent gemalles Bild, das nur ein Weniges noch an theatralischer Affektation krankelt, was. um so mehr hervortritt, als der Kiinstler es verschmaht hat, uns das Gedicht der Bibel ganz wiederzugeben, indem er, vielleicht nicht ohne Absicht, den rettenden Himmelsboten weggelassen hat. Die Franzosen malen biblische Geschichte im Gewande der Neuzeit und wir sehen Beduinen als Abraham und Jakob, hier wiederum borgt man das Gewand der Bibel fiir eine rein menschliche tragische Situation, warum? beides scheint uns falsch, wer die Dichtungen der Bibel im Bilde darstellen will, thue es nur immerhin im Geiste dieser Dichtungen, und wer die gefliigelten Boten des Himmels fiir absurd halt im Bilde, nun der male eben nicht biblische Geschichte. (Fortstezung folgt.) Ein noch unbekannter Formschnitt Diirers. Es wird Dirers Verehrern willkommen sein, von einem bisher noch nunbekannten vortrefflichen Blatte dieses Altmeisters еше kurze Anzeige hier zu finden. Dieser Formschnitt befindet sich auf der Riickseite eines Pergamentdrucks meiner Sammlung, dessen vordere Seite den Holzschnitt: Christus am Kreuze, zu den Seiten Maria und Jo- hannes, oben Golt Vater mit dem heil. Geiste, in der Bordire vier Engel mit den Marterinstrumenten und oben links d. J. 1516 enthalt, wie ihn Bartsch Nummer 56 — (Heller 59.) be- freieren Naturell mehr zusagenden selbstandigeren Studium hin und setzte dies neuerdings in den Rheinlanden, ohne sich ge- rade auf Disseldorf zu beschranken, fort; sehr wohl sieht man diesem ersten grésseren Bilde an, von wie vielem Werth es sei, wenn der Laufkorb der ersten Schule nicht zu frih, aber auch nicht spater verlassen wird, als die Fahigkeit, auf eignen Fiissen freistehen zu kénnen, eingetreten ist. Wie im ersten Fall ein Verkimmern nur allzu wahrscheinlich, fast gewiss, so wird in dem leizteren auch dic ungleich schnellere Entwicke- lung die Folge der freieren Bewegung und des ecignen siche- ren Umherblickens und Wahrnehmens des Voraziiglichsten aller Schulen sein. Dass dies hier wirklich der Fall gewesen, wird uns eine nahere Betrachtung des Bildes zeigen. Viele Historienmaler der neueren und neuesten Zeit zeich- nen sich dureh eine vollstindige Gleichgiiltigkeit gegen den Geist der Weltgeschichle in ihren Darstellungen aus; sie wahlen irgend einen historischen Vorgang, bei dem sich allerhand malerische Situationen, Stoffe, Farbeneffekte u. s. w. anbringen lassen, nur um eben dieser willen. Dic Gliederpuppe, das Mo- dell und der Zufall, nebst etwas leidlichem Geschick der Hand gentigen, ein Bild zu vollenden, das sie dann mit viel Selbst- gefalligkeit ein historisches nennen. Yon der Nothwendig- Кей ciner eignen warmen Begcisterung fiir cine historische Thatsache, von Liebe und Hass, der in der Brust des Kiinst- lers selbst fiir seinen Helden und gegen dessen Gegner thatig ist und ihm die Hand fihrt, fihlen sie nichts, und so kommt es denn, dass auch wir vor solchen Bildern nichts mitzuféhlen vermégen. Anders ist es bei diesem Bilde Rélings. Unver- kennbar ist hier die Absicht nicht, blos den Columbus als interessante PersGnlichkeit, nebst einigen Ménchen und Cardi- nalen, mit htibschen charakteristischen Képfen, reichen Stoffen und Gewindern, malerisch beleuchtet zusammenzustellen, nein, man fihlt den Hifer des Kiinstlers, den grossen Reformator, den Sieg der Wissenschaft tiber Fanatismus und Unverstand, recht eindringlich uns vorzuftihren; man fihlt es, wie er als selbst warm gewordener Milstreiler fiir jede grosse und erha- bene Wahrheit dem Volk ein Beispicl der Geschichte hinzu- stellen bemiiht gewesen. Da steht er, der grosse unbezwing- liche Held der neubegriindeten Wissenschaft, gegentiber dem glihendsten Fanatismus, der, in der Gestalt eines spanischen Monchs in Dominikanerkleidung, mit einem seinen Gegner durch- bohrenden Blick, auf die thm entgegengehaltene heilige Schrift die Hand legend, den Ketzer zu vernichten denkt, gegeniiber ferner der bornirten Beschranktheit in der Gestalt eines Car- dinals, gegentiber einem dritten, zwar edleren, nichtsdestowe- niger den Griinden der Vernunft halsstarrig widerstrebenden Hiiter des kirchlichen Glaubens. In diesen vier, die Mittelgruppe bildenden Figuren allein schon ist die Idee des Ganzen aus- gesprochen und seizt sich nur in mannigfachen Variationen des Hauptthemas in den weiteren sie umgebenden Gruppen fort; jede Figur ist der Reprasentant irgend einer psychologischen Wirkung des Vorganges und scharf und bedeutend gezeichnet. Dort der Aerger der aus dem Schlafe geriittelten Gewohnheit, dort der wegwerfende Hochmuth noch jugendlich unreifer Ge- lehrsamkeit, dummglotzender Stupiditat, die nicht einmal zu wissen scheint, wovon eigentlich die Rede, dort ein redlicher ernster Wille an der Grenze seines beschrankten Gesichtskrei- ses angelangt u.s.w. Riihrend ist das aufrichtige Mitleid der noch ganz jugendlichen Ménche rechts, die in ihrer kindlichen Einfalt den Mann beklagen, der sich, erleuchteten Vatern der Kirche gegeniiber, so weit habe уегитеп kénnen; mit einem Wort, das Bild ist vollstandig, ein wahres historisches Gemalde des damaligen Zustandes, ein warnendes fiir die Jetztzeit, ein poetisch prophezeihendes fiir die Zukunft, eine Ilebendige An-