mutteribus claris waren im XY. Jahrh. besonders an den Hofen und bei den Vornehmen die beliebtesten Geschichtbiicher, daher sich davon viele Prachthandschriften mit Miniaturen geschmiickt, noch bis jelzt erhalten haben, die in verschiedenen Bibliotheken zerstreut sind. Yon ersterem Buch in der franzésischen Ueber- setzung des Laurent de Premierfait besitzt die :pariser National- bibliotheck allein zwélf solcher Handschriften, die alle, bis auf eine fir Franz 1 als Kronprinz veriertigte, aus jenem Jahrhun- dert herstammen, Fast in alle europdische Hauplsprachen iiher- selzt, namentlich ins Englische von J. Lydgate und ins Deut- sche von G, Ziegler, wurde es bald nach Erfindung der Typo- graphic und spaler im XVI. Jahrhundert in vielen Ausgaben gedruckt, in welchen hiufig an die Stelle der Miniaturen Holz- schnitte traten. Die altesten mit letzleren versehenen Ausgaben, 2. В. Гуоп. Huss und Schabeler. 1483, Paris. Verard. 1494, Lon- don. Rich. Pynson. 1494. alle in Folio, haben nur einen Holz- schnitt zu jedem der neun Biicher des Werks, ohne wie es scheint in der Wahl der Gegenstande von einander abzuweichen, welche vielleicht schon von den Miniatur-Handschriften her, stehend geworden war. Mcist sind sie von den historischen Beispielen hergenommen, die der Verfasser erzadhlt, wie der Siindenfall der ersten Eltern (lib. 1. cap. 1), M. Mantius Capi- tolinus in die Tiber gestirzt (lib. 4. c. 1.), die Grausamkeit der Carthaginenser gegen Regulus (lib. 5. c. 3), die Demiithigung Kaiser Valerians durch den Perserkénig Sapor (lib. 8. o. 3), die Hinrichtung der Kénigin Brunehild (ib. 9. c. 1) ues. w. Da er aber gern an die Beispiele Betrachtungen ankniipft, besonders liber die Launen des Glicks und die Ursachen des Ungliicks, so kommen auch allegorische Vorstellungen vor, wie die zu der Fabel von Fortuna und der Armuth, welche er (lib. 3. c. 4) dem Andalo de Nigro, seinem astronomischen Lehrer in Neapel, nacherzahlt und die (lib. 6. c. 1) geschilderte Vision, wo ihm Foriuna mit vielen Armen und Handen erscheint. Von den Holzschnitten in Pynsons Ausgabe hat Dibdin zur Probe drei Faksimilés gegeben, namlich von den zulelzt erwahnten beiden Vorslellungen in Bibl. Spenc. TV. 420 und 421. und von der au lib. 1, welche in zwei Abtheilungen, links den Verfasser am Schreibpult, rechls den Stindenfall zeigt, in seinen (Ames) Ty- pograph. Antiquities. 1. p. XI. Mit diesen Holzschnitten sind nun mehrere sehr seltene Kupferstiche eines unbekannten altflandrischen oder brabanti- schen Stechers, alle von einerlei Foliogrésse (hoch 7 Zoll bis 7% Z., breit etwas tiber 6 Z.), verwandt, von welchen Bartsch nur drei Blalter gekannt hat, welche er in Vol. X, unter den anonymen Kupferstichen des XV. Jahrhunderts, beschreibt aber ohne ihren Zusammenhang zu ahnen, namlich: a. (Abtheil. B. No. 72) ein Autor, welcher die Geschichte der ersten Eltern schretbt. Dieser silzt links schreibend ап seinem Pult, Adam und Eva sltehen vor ihm. Hinten sieht man, unter einem durch eine Saule getheilten Portal, ihre Austreibung aus dem Paradies und ihren Aufenthalt in der Vorhélle. — Der Autor ist kein andrer als Bokkaz und der Gegenstand derseibe, wie in dem ersten Holzschnitt zu seinem Buch bei Pynson. Der Stich ist oben rund, wie die tibrigen (ausser d) und hoher als diese (nach Barisch hoch 10 Z. 9 L. mit beigesetztem Frag- zeichen), welches aber auch bei dem Holzschnitt der Fall ist. b. (Abtheil. C. No. 1) Gregor VII, der auf Heinrichs IV Riicken zu Pferd steigt, — eine irrige Auslegung, die ihrem Ur- heber schon um deswillen hiilte bedenklich vorkommen miissen, weil der angebliche Pabst einen gekriénten Hut tragt, gepanzert ist und einen Kummandostab in der Hand hat. Wir sehen nam- lich hier nichts anders vor uns, als die oben erwiahnte De- iniitthigung des rémischen Kaiser Valerian, der von dem Perser- kénig Sapor besiegt und zum Gefangenen gemacht, diesem nun Einige Aufklarungen and Berichtigungen tiber den Inhalt alter Kupferstiche und Holzschnitte. Von Зобхиа. Mehrere Vorstellungen in allen Kupferstichen und Holz- schnitten sind selbst in dem trefflichen Peintre Graveur von A. Bartsch, aus Unbekanntschaft mit dem urspriinglichen Zweck dieser Blatter oder mit der Quelle, aus welcher der Stoff ge- schépft ist, entweder unrichtig ausgelegt oder ihre wahre Be- deutung im Ganzen oder Einzelnen nicht verstanden worden. Den Besitzern derselben und denen, welchen sie nicht blos als Denkmale der Kunst, sondern auch wegen ihres Zusammen- hanges mit der Literatur und dem Kulturzustande ihrer Zeit werth sind, werden daher nachfolgende Erlaulerungen nich! unwilikommen sein. 1. Die Sohne, welche nach der Leiche thres Vaters schiessen. Der Gegenstand ist von alten Meistern haufig behandelt worden, so von M. Zagel oder Zasinger, wahrscheinlich der Goldschmied und Briefdrucker Malthius Zayssinger in Miinchen um 1500 (v. Aretin Beilr. I. 70.), in dem Blatte No. 4 dieses Stechers bei Bartsch, welcher solches falschlich fiir den Mar- tertod des S. Sebastian halt, der, an cinen Baum gebunden, mit Pfeilen erschossen wird. Den Irrthuin hat schon Ottley er- kannt und dass eine andre Legende zum Grunde liegt, die er aber nicht wieder aufzufinden wusste. Ferner ist dieselbe Vor- stellung gestochen von dem Meister mit dem Monogramm 47 bei Bartsch (Vol. IX. p. 44.), den Dumesnil (Peintre Graveur franc. Vol. VI. Paris 1842) fiir den Maler Claude Corneille zu Lyon halt. Sein Blatt hat bei Diimesnil No. 23 und bei Bartsch am angefihrten Ort No. 11, es fiihrt die Unterschrift: Trium fratrum prophana hystoria qui patrem suum exhumari curarunt. Auch von Virgilius Solis (Bartsch No. 84.) u. a. kommt es vor. Die Geschichte wird in Gesta Romanorum Cap. 45. (Grisse’s Uebers. p. 73) erzahlt und zwar so, dass die vier Séhne cines Konigs nach dessen Tode tiber die Oberherrschaft in Streit ge- rathen, den zu schlichten sie, auf den Rath eines alten Kriegers, nach der Leiche des Vaters mit Pfeilen schiessen und dem, der ihn am besten trifft, das Reich tiberlassen wollen. Als die Reihe an den jiingsten, den einzigen ehelichen Sohn komnt, weigert sich dieser zu schiessen, weil sich sein kindliches Ge- ГВ dagegen empdort, die Leiche des Vaters zu verletzen, wes- halb ihn Firsten und Volk auf den Thron setzen und die Bri- der verjagen. Die hier mit der Nutzanwendung, dass nur die Guten das Himmelreich erwerben, vorgetragene Legende ist auch in den franzdsischen Fabliaux des Mittelalters unter dem Titel: le Jugement de Salemon (Le Grand. II. p. 167. Méon. I. p- 440. Versuch einer Geschichte und Charakteristik der franz. National -Literatur. Wismar. 1834, 8. Bd. I. S, 316) enthalten, wo die beiden Sohne des Firsten von Saissone, eines Vasallen Konig Salomo’s, von diesem auf dieselbe Art versucht und ge- priift, der lieber auf die Herrschaft verzichtende, als die vater- liche Leiche verunehrende Sohn aber fiir den Achten erkannt und zum Nachfolger gemacht wird. Offenbar hat Salomo’s be- riihmtes Urtel in dem Streit zweier Miitter, deren jede ein Kind fiir das ihrige ansprach (I. Kén. Cap. 3), Anlass gegeben, ihm in diesem Fall eine ahnliche Entscheidung beizulegen. Dieselbe Fabel hat noch 1613 Martin Rinckhart in seinem Eisleberischen Christlichen Ritter zu einem Drama verarbeitet. 2. Der Glickswechsel und Fall der Fiirsten und Grossen. Des Boccatius Biicher de casibus virorum illustrium und de