Einrichtung: I. Die Bedingungen der Aufnahme sind bei Jing-
lingen das vollendete 16., bei Madchen das vollendete 14. Jahr.
Ferner kérperliche Wohlgestalt und normale Sprachorgane. Aus-
nahmen hiervon nur bei einem ganz ausgezeichneten Talente.
Sodann hinreichende Schulbildung und wohlgepriifte Anlagen
zum Schauspielerstande. Da diese Prtifung schwicrig ist, so
mtisste die Schule sich vorbehalten, nach jedem Semester die
Zoglinge entfernen zu diirfen, die sich im Verlaufe der Slu-
dien als talentlos erwiesen haben. Bei der Priifung legt Hr. D.
Gewicht auf die Frage nach dem Nachahmungsvermégen. Sitt-
liches Verhalten versteht sich von selber. —

Ganz ebenso Hr. Rétscher, nur dass er fiir die aufzuneh-
menden Elevinnen das vollendete 15. Jahr seizt. (Hr. v. Kist-
ner, der hiermit uibereinstimmt, setzt dagegen wieder das né-
thige Alter der mannlichen Zéglinge auf 17.) Auch er halt es
fir schwierig, selbst bei allem glinzenden Schein die Existenz
eines wirklichen Talents diviniren zu kénmen. Es misse das
ganze Wesen des Menschen eine gewisse Birgschaft fir seine
ideale Richtung geben. Vorziiglich auf die Wirkungen seiner
edlen Persénlichkeit gewiesen, diirfen in Physiognomie, Ton und
Ausdruck keine gemeinen Elemente sein. In Betreff der Kennt~
nisse fordert Hr. R. ebenfalls nur diejenigen, welche die Grund-
lage jeder allgemeinen Bildung sind. Das Maass der formellen
Bildung sei hier das Wesenlliche, eine gewisse Freiheit im
mtindlichen und schriftlichen Ausdruck in der Behandlung sol-
cher Fragen, welche in dem Kreise der Auffassung des Auf-
zunehmenden liegen. Fir die Elevinnen halt Hr. R. einen mit
Nuizen besuchten Unterricht in den Gegenstinden, welche die
éffentlichen Téchterschulen Ichren, far ausrcichend.

Vergleichen wir nun das, was beide Herren tiber den Un-
terricht sagen. Nach dem oben hingestellten Schema ist Fol-
gendes der Inhalt des Abschnilttes a. bei Hrn. Devrient.

П. Der Unterricht, bei dem, so weit es zulissig, die Ge-
schlechter getrennt gehalten werden, soll in zwei Klassen er-
theilt werden, von denen die erste blossen Vorbereitungsstudien
gewidmet sein soll, in der zweiten aber schon praktische Uebun-
gen auf der Bithne des Instituts stattfinden.

‘Die Unterrichtsgegenstande sollen folgende sein:

1. Redekunst. Regulirung der Aussprache u. s. w. Stu-
fengang von den einfachsten Erzdhlungen auf zum Versdrama.

2. Musik. Die kinftigen Opersanger erhalten Unterricht
im Gesange und im Klavierspiel, die Schauspieleleven aber nur
Gesangunterricht,

3. Geberdensprache. Hierher gehéren die Uebungen
des Reitens und militarischen Exercitiums, das Fech~
ten, Turnen und Tanzen. Aus dem Unterrichte des Tanz-
lehrers gehen die Zéglinge in die héhere Klasse tber und be~
ginnen auf der Uebungsbiihne der Schule complicirtere, plasti-:
sche Aufgaben auszufiihren. Einzelne passende Scenen aus
vorhandenen Dramen werden eingeiibt; es wird schon auf
Uebereinstimmung hingeleitet.

4. Sprachkenntniss. Der Multersprache muss der Schau-
spieler nicht blos vollkommen michtig sein, sondern er soll
auch méglichste Gewandtheit in Behandlung und geschickte
Handhabung derselben lernen. Hr. D. wiinscht daher schrift-
liche Arbeiten und Uebungen mdglichst verbannt zu sehen und
dringt auf miindliche und unmittelbare Leistung (vgl. dariiber
weiter unten Hr. Gutzkow S. 300). Erklarung und Uebung des
Versbaues sollen diesen Lehrkursus beschliessen. Von frem-
den Sprachen, die nur bis zu einer allgemeinen Kenntniss
des Charakters, der Aussprache und des eigenthiimlichen Ac-
cents gelehrt werden sollen, empfiehlt Hr. D. die franzdsische,
italienische und englische.

5. Literatur- und Theatergeschichte. Diesen Un-
	in Bertin nicht vor einem traurigen Ende bewahren. In
Braunschweig sei die Schule zur unsiltlichen Gelegenheits-
macherei geworden und musste polizeilich geschlossen werden.
In Hamburg aber findet er die Einseiligkeit des Dirigenten
zu beklagen, dessen mehr abgerichtele als gebildete Schauspieler
er mit Spieluhren vergleicht, die, cinmal abgelaufen, unbrauch-
	bar seien. — Ganz abgesehen von jeder Priifung dieser letzten -
	beiden Urtheile, die ausserhalb unseres Zweckes liegt, so diirften
sie auf alle Faille beachtenswerthe Fingerzeige enthalten. Rein-
hold, der Gegner des polternden Freihart, macht darauf auf-
merksam, wie wenig bei einem solchen Institute Privatspeku-
lation am Orte sei.

Die Frage, welchen Bildungsweg denn jetzt — bei dem
Mangel der Schule — junge Talente cinschlagen, beantwortet
Hr. D. durch eine ausftihrliche Schilderung der Bemithungen
und der Verfahrungsart, welche angewandt zu werden pflegen,
wenn Jemand unter den jetzigen Umstinden sich dem Schau-
spielerfache widmet. Hr. D. nimmt hier die gliicklichsten zu-
sammentreffenden Umsténde an und kommt dennoch zu einem
Resultat, welches laut fir die Nothwendigkeit der Schule spricht,
abgesehen von seiner tiberzeugenden Schlussreflexion, dass
sich vor den Schaubiihnen Deutschlands fast jeden Abend min-
destens vierzig tausend Menschen versammeln, um die Eindriicke
der Darstellung zu empfangen, da es dann gewiss nicht gleich~
gliltig sein kénne, von welcher Art diese Eindriicke sind.

Von ausfiihrlichen Planen ftir die Einrichtung einer Thea-
terschule liegen zwei vor. Schon im Jahre 1840 veréffentlichte
Hr. Devrient, wie er in der Vorrede sagt, auf Veranlassung
des Hrn. Alex. v. Humboldt seine Schrift tiber Theaterschule.
Die andere wurde auf Veranlassung des Kinigs im Jahre 1845
von Hrn. Rétscher ausgearbeitet und findet sich in seinen
Jahrbiichern fiir dramalische Kunst abgedruckt.

Hrn. Devrient’s Schrift zerfallt in zwei grosse Abschnitte.
Der erste handelt von der Nothwendigkeit der Schule, der
zweite von der Einrichtung derselben.

Letzterer zerfalli wieder in 2 Abtheilungen. Und zwar ist
die Rede:

a. von der Anordnung des Unterrichts, welcher bestehen
soll in: 1. Redekunst. 2. Musik (Gesangunterricht, Klavierun-
terricht, Gesangunterricht bei den Schauspielern). 38. Geber-
densprache. 4. Sprachkenntniss. 5. Literatur- und Theaterge~
schichte. 6. Geschichte. 7. Darstellungskunst.

b. von der Okonomischen Einrichtung. I. Die Raume. II. Ва-
cher, Musikalien u. s. w. III. Direktor. IV. Lehrer. V. Ge-
schaftsftihrer u. s. w.

Hrn, Rétscher’ s Darstellung enthalt folgende 12 Abschnitte.
I, Bediirfniss einer Theaterschule. II. Die Aufgabe der Schule.
Ill. Bedingungen zur Aufnahme in die Theaterschule. IV. Aus-
fihrliche Entwickelung der durch den Zweck der Theater-
schule bedingten nothwendigen Gegenstinde des Unterrichts und
die Stufenfolge derselben. V. Der Besuch der 6ffentlichen Bihne
von Seiten der Eleven. VI. Dauer des Lehrkursus und Ver-
theilung des Stoffes. VII. Die ausseren Bedingungen der Auf-
nahme der Eleven. VIII. Trennung der Geschlechter im Un-
terricht. IX. Disciplin des Instituts. X. Zeit der Aufnahme fiir
die neuen Mitglieder und der Anfang der Kurse. XI. Aeussere
Erfordernisse der Theaterschule. Die Raume. XII. Das Leh-
rer - Personal.

Wir haben nun oben schon angegeben, was beide Herren
ber die Nothwendigkcit und die Aufgabe der Schule
beigebracht haben und gefunden, dass darin die grésste Ueber-
cinstimmung herrscht.

Dasselbe findet statt in Betreff der Bedingungen zur Auf-
nahme. Hr, Devrient sagt dariiber zu Anfang des Kapitels von der