terricht wtinscht Hr. 9. durch Proben der Dichtungen, anre-
gende Beschreibungen und Abbildungen so lebendig, wie még-
lich, gemacht zu sehen. Charakteristik hervorragender Schau-
spieler solle nicht fehlen diirfen.

6. Geschichte. Auch hier will Hr. D. nicht eigentlich
politische Geschichte, nicht die chronologische Uehersicht der
Weltbegebenheiten, die der Zégling mehr oder weniger schon
milbringen soll; sondern es soll vielmehr Culturgeschichte ge-
boten werden, ebenfalls, wo méglich, durch Abbildungen un~
tersliitzt. Erdffnet soll dieser Cursus werden durch einen Ab-
riss der Mythen aller Vélker, ebensowohl weil dem Schauspieler
mythologische Beziehungen genau verstandlich sein missen, als
auch weil fiir ihn die Urpoesie der Volker die beste Einleilung
zu ihrer Geschichte ist.

Es darf die Bemerkung nicht tiberselien werden, dass Hr.
D. den gesammten wissenschaftlichen Unterricht nicht in Vor-
lesungen, sondern so viel als méglich in dialogischer Form
mitgetheilt wissen will.

7. Darstellungskunst. Hier gilt es nun Rollen einzu-
studiren, einzelne Scenen und ganze Sticke auf der Uebungs-
biihne ани йгеп. Auch hier wird mit dem Einfachen, dem
im taglichen Leben Naheliegenden begonnen. Anleitung zu klei-
nen Stiicken aus dem Stegreife, von Zeit zu Zeit kleine Ver-
suche auf der éffentlichen Bihne, die zuerst mehr noch Iedig-
lich das dussere Auftreten im Auge haben. Analysen einzelner
Rollen, sind dann die weiteren Stufen der Ausbildung. Hr. D.
warnt bei dieser Gelegenheit davor, die Zoglinge nur nach ih-
rer Neigung zu beschaftigen, weil die Vorliebe fiir irgend ein
Fach nur zu oft im Widerspruch steht mit dem natirlichen Be-
rufe dazu. Auch rath Hr, D. dann und wann einen Austausch
der Schiiler unter den Lehrern, die nur deren acht auf einmal
beschaftigen sollen, an, damit sich seine ktinstlerische Indivi-
dualitat den ihm Zugewiesenen nicht zu merklich aufprige. Die
nicht beschaftigten Schtiler den Uebungen als Zuschauer bei--
wohnen zu lassen, halt Hr. D. fiir vortheilhaft.

Hiermit hatten wir nun den Abschnitt 1V. von Hrn. R. zu-
sammenzuhalten.

Einleitend entwickelt derselbe, wie es darauf ankomme,
den Stoff, dessen sich die Schauspielkunst zur Verwirklichung
ihrer Zwecke (vgl. oben bei Hrn. Devr. No. 3) bedient — die
menschliche Gestalt und den Ton — zu veredeln und be-
herrschen zu lernen. Daraus ergaben sich die zu lehrenden
Disciplinen. Und zwar den Kérper anlangend, so soll er durch
Tanz, Fechten und gymnastische Uebungen gebildet
werden (in dem Vorwort sagt Hr. R., dass sein Plan einen ein-
zigen Zusatz von Hrn. L. Tieck erfahren habe, den namiich,
dass die mannlichen Eleven einen achtwéchentlichen Cursus im
Exerciren durchmachen sollten). Weiteren praktischen Uebungen
will Hr. R. einen Cursus in der Kunstmythologie vorausgehen
lassen, der eine zusammenhangende Entwickelung des ganzen
Kreises griechischer Plastik gabe und zwar in alleiniger Be-
zichung zu der sinnlichen Gestaltung, zu welchem Unterricht
Abbildungen und Gypsabgiisse, so wie Besuch des Museums,
-als wesentliche Hiilfsmittel genannt werden. Naturgemiss ver-
kniipfe sich mit diesen Uebungen die Kunst der Gewandung.

Zweilens, was den Ton betrifft, so fordert Hr. R. ein Zu-
riickgehen des Unterrichts bis zu den Elementen und giebt dann
die Stufenfolge an, welche von der Bildung des artikulir-
ten Tons an durch die Modulation desselben’ und das Ge-
selz des Athemnehmens bis zum Vortrag der ungebun-
denen Rede zu durchiaufen ist. Nach diesem folgt, als zweiter
Theil des Unterrichis zu der kimstlerischen Bildung des Vor-
trags, der Vortrag der Poesie, wo als erginzender Theil dic
Metrik hinzulritt. — Dieser Cursus des propddeutischen Un-
	terrichts wird das erste Jahr ausfiilen, Tanzstunden soll es
wochentlich zwei geben, der Kunstmythologie sollen drei, der
Bildung des Tons u.s. w. wéchentlich sechs Stunden gewid-
met sein.

Nach diesem wesentlich vorbereitenden Cursus folgt der
azweite, welcher den eigentlich dramatischen Vortrag zum Ge-
genstande hat (vgl. oben bei Hrn. D, No. 7). Der Unterricht
beginnt mit dem Lesen von Dramen in Prosa (Schroder, Iif-
land u. s. w.). Recitation einzelner, abgeschlossener Scenen.
Dann folgt das Lesen ganzer Dramen. Hierzu werden wichent-
lich wenigstens sechs Slunden in Anspruch genommen. Als
erginzender Theil gehért diesem Cursus die geschichtliche Ent-
wickelung der dramatischen Kunst an (vgl. ob, b. Hrn. D. No. 5)
durch Zeichnungen etc. unterstiitzt, worauf ebenfalls wéchent-
lich sechs Stunden zu verwenden sind,

Damit schliesst Hr. R. den Cursus der nothwendigen und
unentbehrlichen Vorstudien ab. Er verkennt nicht, wie wichtig
und wiinschenswerth dem Darsteller eine Kenntniss des inneren
Baues seiner Multersprache, ihrer Literatur, der Geschichte,
ferner: fremder Sprachen, namenllich der franzésischen und
englischen sei, allein einmal kénnen die Gegenstande, die nur
zur Erweiterung seiner allgemeinen Bildung dienen, keine noth-
wendige Stelle im Plane des Instituts finden, so viel sie aber
getrieben werden, sollen sie Gegensland des Privatstudiums
sein, wozu sich die Gelegenheit im ersten Cursus bietet, wo
es dann auch namentlich in Bezug auf Literatur- und Kulturge-
schichte einer Anleitung und Kontrolle unterworfen werden soll.

Der dritte Cursus endlich gehért der eigentlichen Praxis
der dramatischen Darstellung an. — Auch hier ein allmihliger
Uebergang von der einfachsten Darstellung einzelner Scenen in
Prosa bis zu der Auffiihrung ganzer Werke. Der Einzelne wird
zur Durchfiihrung eines Charakters angeleitet, damit ein leben-
diges, organisches Ganze zu Stande komme. Die vielseitige
Austibung der Kunst verlangt, dass den Eleven selbst ihrem
Naturell widerstrebende Aufgaben zuertheill werden, Die Dar-
stellung soll in der Regel ohne Costiim geschehen, damit der
Einzelne versuchen miisse, was er ohne alle sinnliche Beihilfe,
ohne die Unterstiitzung der Illusion, nur durch die Kraft der
Phantasie vermag.

Diesen Unterrichtsweisen haben wir noch die des Herrn
Gutzkow hinzuzufiigen. Legt, wie wir oben gesehen haben,
Hr. Devrient ein grosses Gewicht auf die freie und unmittel-
bare Leistung, so geht Hr. G. noch weiter, indem er den Kern
des Unterrichts in der Improvisation findet. Sein schon erwahntes
Gesprach tiber Theaterschule wird von zwei Schauspielern gefihrt,
von denen Freihart den fast tberall verbreiteten alten Komé-
diantengroll gegen Theaterschulen hegt, der jingere, Reinhold,
aber mit Freude der Hervorrufung derselben entgegensicht,
nicht laugnet, dass jeder strebende Schauspieler, um nachzu-
holen, was er im ersten Anlauf zur Kunst versiumte, gern aus
eignem Antrieb sich um die Vervollkommnung in den Fachern
bemiht, die in den eben durchlaufenen Plainen als die Lehr-
gegensténde bezeichnet sind. Die Nothwendigkeit derselben,
selbst der elementarsten, belegt er durch das Beispiel eines
Collegen, der als Laertes nicht ecinmal habe stehen und die
Reisephilosophie des Polonius anhéren kénnen. Die Bedin-
gungen, unter denen, so zu sagen, Freihart fir die Schule ge-~
wonnen wird, sind folgende:

Der erste Grundsatz ist, dass die Theaterschule auf dic
Anfinge der Schauspielkunst, auf die Improvisation zuriick-
gehe. Was ist die grosse Kunst des Mimen? fragt F.-— Her-
auszutreten, sich an die Lampen zu stellen und zu sagen: Ich!
Ob das nun Hamlet, Richard Ill. oder Commissionsrath Frosch
ist, er muss sagen: Ich! da bin ich! Seine Rolle muss er

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