Reisender, wenn ich nicht irre, Leopold von Buch, hat vielleicht
in einer gewissen Beziehung Recht, wenn er die Gegend bei
Christiania mit der von Neapel vergleicht. Nattirlicherweise
muss dabei viel von der grossartigen Natur der wunderherr-
lichen Parthenope subtrahirt, und dann auch dic siidlichen De-
tails auf die bekannten Hyperboraischen reducirt werden, wenn
der Vergleich nur einigermassen, selbst vor einer lebheften
Phantasie, bestehen soll. Aber abgesehen hiervon, darf man
gewiss ohne Uebertreibung behaupten, dass der milde Charakter
des Christiania- Thales, sein vielfaltig gruppirtes Terrain (schon
in geologischer Hinsicht so ausserst merkwiirdig) und die vielen
malerischen Situationen, die es darbietet, diesen Theil unseres
Landes zu einem der schénsten Punkte des ganzen Nordens
macht. Will man indessen jenen Vergleich mit Neapel festhalten,
so muss ,,Ladegaardsé* jedenfalls Christianias Posilippo sein —
eine solche Achnlichkeit in Form und Lage zeigt diese schéne,
im Christiania-,,Fjord* hervorspringende, mit Villen, Bauerhéfen
und einer reichen Vegetation gleichsam tibersiete Halbinsel,
welche beinahe ein naturliches Bollwerk fiir die Rhede der
Hauptstadt bildet und die vor Anker liegenden Schiffe vor dem
heftigeren Wellenschlage des @usseren, grésseren ,Fjords*
schiitat. Ein Arm des Christianiafjords — der sogenannte
»Frognerkiel* — macht diesen Ort zu einer Halbinsel, und eben
	‘dieser Arm bietet auf seinen beiden Ufern die schoénsten und
	am meisten bebauten Punkle der ganzen Gegend dar. Hier hat
die Haute-volée von Christiania ihre Landhauser, deren Garten
und sonstige Anlagen sich bis an den hellen Wasserspiegel des
Fjords hinabzichen, wahrend sich die hiibschen weissen Hauser
oben auf den Héhen, zwischen den griinen Laubbéumen, male-
risch gruppiren. Nur in der tiefsten Perspective dieses heitern
Bildes thirmt sich ein dunkler, tannenbewachsener Bergriicken,
wie ein Memento fiir den fremden Reisenden, empor, dass er
sich durch die Gaukeleien seiner Phantasie doch nicht um einige
Breitegrade mehr naeh Stiden hintraumen lassen soll; — es ist
der ernste, strenge Geist des hohen Nordens, der in dieser ihm
mehr adaquaten Form das ihn bestriliene Recht wieder geltend
zu machen sucht. — Auf der Inselseite des eben beschriebenen
Fjordarms hebt sich ein felsenartiges Terrain, das ringsumher
mit dunklem Nadelholz bewachsen ist, und in steiler Senkung
sich nach dem Wasser zu abdacht. Dieser Punkt, von dem aus
man eine panoramalische Aussicht iber die weit gedehnte Insel,
die Einfahrt in den Hafen, tber die ferne Hauptstadt und fast
die ganze reiche Gegend geniesst, ist die vom Konig Oscar
selbst gewahlte Stelle, wo er die Villa aufzufiihren beschloss.
Man sagt, dass die Kéniginn Josephine diesen Ort von allen
Besitzungen des Kénigs auf der Insel am meisten liebt, und so
wurde denn im Friihjahr 1848 der Grundstein gelegt, nachdem
der Konig und der Kronprinz zugleich mit dem Architekten
Nebelong die Grenzen des Bauplatzes bestimmt hatten.

Die zur eigentlichen Villa gehérenden Baulichkeiten, welche
das oberste Plateau der bereits genannten Felsenhéhe einnehmen,
sind durchweg in einer Art englisch-gothischen Styls, mit
flachgedriiekten Spitzbégen, als Kinfassungen der Fenster und
Portale, ausgefiihrt; natiirlich Alles mit ktinstlerischer Freiheit
behandelt und den Forderungen entsprechend, welchen ein Bau-
werk, das fiir unsere Zeit bestimmt ist, geniigen muss. Sie
bestehen erstens aus einem Hauptgebaude von drei Stockwerken,
deren Rez de chaussée das Vestibule bildet, welches sein Licht
durch eine Fenster -Rosette, von mehrfarbigem Glas, erhalt und
im Uebrigen schén und dem Ganzen entsprechend ausgestaltet
ist. Ausserdem befindet sich in demselben Stockwerke der
Salton, eins der Prachtgemicher des Gebiudes. Ausser einem
aus Holzmosaik gebildeten Fussboden und einer Panelirung von
ausgeschniltenem Eichenholz an den Wanden, sind als Hauptzierde
	mechanisch wissen, aber spielen muss er sie, als ob er Sie
eben selbst erst erfande, eben selbst erst crlebte. Also soll
das schauspielerische Handwerkszeug gelehrt werden. Lachen,
weinen, Leidenschaften, stotlern, betrunken sein, Pedant, edel,
gross sein, kurz Alles, wodurch die Herzen der Menschheit
erobert werden. Immerhin mégen die jungen Leute auch die
oben erwihnten Dinge treiben, aber Hauptsache bleibe die prak-
tischen Uebungen. Shakespeare, Schiller und Géthe sind fir
diese Zéglinge nicht da. Es wird fast nur improvisirt.

Ausfihrlicher wird nun entwickelt, wie zuerst einfach eine
Geschichle erzahlt und wiedererzaihlt, dann aber so einfach in
Scene geselzt wird und sich zuleizt als ein schon existirendes
alles Lustspiel von Holberg, Stephani u. s. w. ausweiset. Nun
sind auf einmal Worte zu den Charakteren da, die die Zég-
linge schon inne haben.

Der wesentliche Unterschicd zwischen Hrn. D.’s und Hrn.
G.’s Ansicht wiirde demnach der sein: Was Hrn. D. eine will-
kommene Hiilfe ist, die Leichtigkeit sich auszudriicken und mit-
zutheilen, das bildet bei Hrn. G. die Grundlage; was dagegen
bei Hrn. D. die elementaren Grundlagen sind, die vollkommene
Gewalt tiber den Korper etc., das ist bei Hrn. G. willkommene
oder vielmehr sich von selbst verstehende Hilfe. —- Hrn. 6.73
Freihart erklart sich schliesslich fiir die Schule und figt der
Hauptbedingung — Princip der Improvisation — noch dic zu,
dass man es auf fiinf Jahre damit versucht, dass man die Lei-
tung des Unterrichts in die Hande guler Schauspieler und sol-
cher Dichter und Aesthetiker giebt, die, wie z. B. Tieck, so
zi sagen latente Schauspieler sind.

Absch. V. Auch Hr. R. lasst den Besuch der 6ffentlichen
Biihne zu, will ihn aber sparsam ausgewahlt und mit Umsicht ge-
leitet wissen. Eine in alle Einzelheiten eingehende Kritik, eine
eindringende Besprechung aller bet der Darstellung zu beriick~
sichtigenden Momente solcher Werke, mit denen die Zéglinge
schon vertraut sind, soll den Besuch des 6ffentlichen Theaters
fiir die Bildung fruchtbar machen.

Absch. VI. Die Dauer des Lehrcursus war anfangs von Hrn.
R. in der oben (unter IV.) schon mitgetheilten Vertheilung auf
	ire! Jahre angesetzt. (Fortsetzung folgt.)
	Die Kénigliche Villa ,,Oscars-Hal,“ bei Christiania.

(Mitgetheilt aus Christiania.)
	Da das ,Deutsche Kunstblatt* mitunter einige Notizen, be-
treffend die Kunstverhaltnisse Scandinaviens — hauptsdchlich
Danemarks und Schwedens —, mitgetheilt hat, so wird nachste-
hender Bericht tber ein Unternehmen, das vielleicht in mehr
als einer Beziehung fir die in der Entwickelung begriffene
junge Norwegische Kunst epochemachend werden dirfte,
vielleicht den Lesern Ihres geschatzten Blattes, die sich fir die
Kunst ttberhaupt, so wie fair ihre weitere Verbreitung selbst
nach einem so entfernten Lande, wie Norwegen, interessiren,
nicht ganz unwillkommen sein. Ich gebe somit einen kurzen
Bericht tiber das Lustschlésschen, welches unser Kénig aus
eigenen Milteln auf der sogenannten ,Ladegaardsé* hier, in der
Nahe von Norwegens Hauptstadt, auffihren 1855, und das in
diesem Sommer zweifelsohne vollendet sein wird. Zuvor aber
ein paar Worte tiber die Lage der Baulichkeit, weil dieses mit
der Wahl des Styls derselben in genauer Verbindung steht.

Der Ort schon, den der Kénig, wenn er sich in Christiania
aufhalt, sich zu seiner Villeggiatur ausgesucht hat, ist besonders
gecignet, die Bewunderung derer zu erwecken, welche ihn zum
ersten Male, bei einer Wanderung durch Christianias reizende
Umgegend, in Augenschein nehmen. Irgend ein deutscher