Inhalt der meisten Blatter beider Reihen zu schliessen, dass auch die wenigen Blatter der einen, die in der andern fehlen, in beiden vollstandig vorhanden waren, anderntheils werden wir davon, dass noch andre Blatter dazu gehéren, durch eines noch mehr itberzeugt, welches sich in der Sammlung des hiesigen Museums und in meiner eignen befindet und dem Bartsch, wegen seiner Seltenheit, ganz unbekannt geblieben ist. In R. Weigels Kunstkatalogen VI. No. 7363 wird es son- derbarerweise so angegeben: »Daniel beschamt die Traumdeuter aus Babylon vor dem »Kénige Nebukadnezar (oder richliger die Vorstellung aus dem »apokryphischen Buche vom Bel zu Babel). Rechts der silzende »Kénig, in der rechten Hand einen langen Stab, links halt ein »Knieendes Weib die linke Hand in den Rachen eines ehernen »Lowen. Hoch 15 Z. 2 L., breit 10 Z. 9 L.* Diese Auslegung passt aber auf die Vorstellung nicht. Der angebliche Konig, der keine Krone, sondern eine Kappe und daraber einen Hut auf dem Kopf, in der einen Hand den Stab und in der andern eine Rolle hat, ist nichts weiter als ein Richter, welcher der Frau, in einem Rechtshandel zwischen ihr und einem hinter ihr stchenden stattlichen Mann, einen Eid ab- nimmt, den sie mit der Rechten und den aufgerichteten awei Mittelfingern schwort, wahrend sie die Linke in das Maul einer Léwenfigur steckt, dic neben dem Richter vor einer grossen Saule liegt. Dies ist die Figur, von der die Mirabiia urbis Romae, der alle Wegweiser fiir die Jubilaumspilger in Rom, sagt: » Zu vnser lieben frauen Scala greca do staet noch der stein der den leuten die finger abbis so sie ynrecht gesworen hetten. »Der stein heist auff welsch Ja bocea de ta veritade den stein hat Virgilius gemacht. Der selb stein verloes sein krafft von ,ainer bésen frauen. Die betroch den selben stein*. Grade dieser Betrug ist der Gegenstand des obigen Blattes und die Geschichte desselben, nach dem fast in allen Sprachen vorhandenen alten Volksbuche von dem Zauberer Virgilius, im wesentlichen folgende. Ein lombardischer Ritter hat seine Frau im Verdacht mit einem Knecht, der sein Fuhrmann ist. Die Frau erbietet sich ihre Unschuld bei der bocca di verita in Rom zu erharten. Sie fahren dahin und die Frau lasst den Fuhrmann sich in Narrenkleidung stecken und sich so unkenntlich gemacht, beim Schwur unter die Zuschauer mischen. Nun schwort sie, sie habe mit dem Fuhrmann nicht mehr zu thun gehabt, als mit jenem Narren dort, zieht, da der Schwur wahr ist, ihre Hand unversehrt aus dem Lowenmaul und tiberzeugt dadurch ihren Mann von ihrer Unschuld. Virgil aber aus Aerger, dass sie nicht nur jenen betrogen, sondern auch seinen Prifstein der Wahrheit zum Liigner gemacht hat, zerstért dies von ihm ег- richtete Werk. Der Narr in der Narrenkappe, einen Kolben und eine halbe Wurst (Hanswurst) in den Handen, ist unter den vielen Zuschauern, welche auf unserm Blatt die Haupltper- sonen umgeben, die hervorstehendste. Somit ist alles in dem- selben geniigend aufgeklart und es kann kein Zweifel mehr dar- iiber obwalten, dass es zu den Holzschnitten des Lukas von Leyden iiber die Weiberlist, und namentlich zu der Folge a. gehdrt, mit deren ibrigen Blattern es in Charakter, Zeichnung, Schnitt und Grésse véllig tibereinstimmt. Alle Vorstellungen der beiden Folgen a. und b. sind aus der biblischen Geschichte hergenommen, bis auf die vorstehende und a. No. 16, welche sich beide um Ueberlistungen Virgils durch die Weiber drehen. Ihn hatte die Sage, aus der nachher das vorgedachte Volksbuch entstand, schon im frihesten Mittel- aller zu einem gewaltigen Zauberer gemacht und ihm viele Wunderwerke angedichtet. In a. No. 16 hangt er in einem Korbe unter dem Fenster einer Frau, um die er gebulit und die ihm boshafterweise das Versprechen gegeben hat, ihn Nachts in bei Gelegenheit des vorangeftihrten anonymen Kupferstichs No. 26 (№. Nachr. I. 8. 344. No. 289.), sogar héhnisch damit abgefer- ligt, dass es besser sei, bei dem, was die Kinder schon aus ihrer Fibel wissen, stehen zu bleiben und dass die alten Stecher schwerlich etwas von dem arabischen Vezier gewusst oder ge- hort haben mégten. Bartsch liisst sich auf Namen nicht ein und nennt das Blatt, wie in unsrer Ueberschrift. Nach dem voran- gefiihrten deutschen Gedicht hat sich der junge Alexander, dem Aristoteles zur Erziehung tibergeben, in ein schénes Hoffraulein seiner Mutter verliebt, welches den Philosophen, der ihn davon abzuhalten sucht, durch ihre Reize verfiihrt, sich von ihr auf- zaumen und durch den Garten reiten zu lassen, wahrend die K6nigin heimlich von oben zusieht und den Weisen durch Be- kanntmachung und Verhéhnung néthigt, nach einer Insel zu ent- weichen, wo cr ein grosses Buch tuber die Listen der Weiber schreibt. 4. Weiberlist und Bethérung der Manner. Die Holzschnilte nach Zeichnungen des Lukas von Ley- den sind bekanntlich eben so trefflich wie seine Kupferstiche, fast noch seltener als diese und alle sehr meisterlich geschnitten, Es befinden sich darunter zwei Reihen, beide in den meisten Blattern von einerlei Inhalt, aber doch von verschiedener Kom- posilion und Zeichnung, eine grésscre a., deren grésste Hohe 15 Z. 5 L, und Breite 10 Z. 10 L. und eine kleinere b., deren Hohe 9 Z. und Breite 6 Z. 5 L. Letzlere kommt zuweilen in einer Einfassung (passe-par-tout) vor, die oben einen Fries init zwei fantastischen Schlangen (welche in einer Ausgabe schuppig sind, in der andern nicht), an den Sciten zwei Saulen und unten eine Tafel mit eingedrucklem hollindischen Bibeltext hat, wodurch die Blalier eine Hohe von 13 Z. und Bréite von 82. 7L. erhalten. Zu a. gehéren nach den Nummern bei Bartsch: №. 1. Der Stndenfall der ersten Eltern durch Eva her- ресет. No. 6. Delila, die dem schiafenden Simson durch Abschnei- den der Haare seine Starke benimmlt. No. 8. Salomon durch seine Kebsweiber zur Anbetung der Abgotter verleitet. No. 10. Die Kénigin von Saba besucht Salomon, um ihn mit Rathseln zu versuchen. No. 12. Die Tochter des Herodes verleitet ihn, den Befehl zur Enthauptung Johannes des Taufers zu geben und lasst sei- nen Kopf bringen. No. 16. Virgil im Korbe. Die zweite kleinere Reihe b. besteht aus folgenden Num- теги: No. 2. Der No.1 in a. enlsprechend. No. 5. Der No. 6 in a. entsprechend. No. 7. Jael nimmt den Sissera bei sich auf und schlagt ihm, als er schlaft, einen Nagel durch den Kopf. No. 9. Der No. 8 in a. entsprechend. No. 11. Jesabel verspricht ihrem Gemal, dem Kénig Ahab, ihm Naboths Weinberg zu verschaffen. No. 13. Der No. 12 in a. entsprechend. Dass beide Reihen lediglich Beispiele von der List oder Verfithrungskunst der Weiber, cinem der beliebtesten Themas der damaligen Dichter und Kunstler, geben und bei gleicher Art und Grésse der Bliter in jeder, urspriinglich dazu bestimmt waren, zwei in sich zusammenhangende Folgen solcher Beispicle zu bilden, ist cinleuchtend, aber nicht von Bartsch, sondern spiter erst von Ottley erkannt worden. Ich fiige hinzu, dass der Blatter in beiden Folgen wahrscheinlich mehr sind, als dic vorangegebenen. Denn einestheils ist schon aus dem gleichen