von dem Zauber seiner unvergleichlichen Behandlung ces Mar- mors noch erhéht. Nicht nur ist Pradicr als Kiinstler, wie man dies von Thorwaldsen gesagt hat, ganz Heide, sondern es ge- lingt ihm auch in vollem Maasse nur die Darstellung der weib- lichen Schénheit in der tppigen Entfaltung ihrer sinnlichen Erscheinung. Dabei besitzt er ein lebhaftes Stylgefiihl; seine Verhaltnisse sind vollkommen, seine Formen schlank und edel, seine Gewander einfach und wahr, seine Linien stets von har- monischer Schénheit. Der Ausdruck seiner Figuren, wo er Ausdruck sucht, ist deutlich und entschieden; was er anstrebt, erreicht er immer; nur darf man ihn seiner Sphare nicht ent- riicken, darf nicht die kraftige Durchbildung einer mannlichen Gestalt, viel weniger das Pathetische, das Ergreifende oder Tief- empfundene eines Vorwurfs aus der heiligen Geschichte, noch tiberhaupt das Seelenvolle, die Vergeisligung, die das Christen- thum in die moderne Weltanschauung und Kunst gebracht hat, verlangen; da thm nun einmal der Kérper nicht als Hille und Symbol eines Héheren, sondern die Form in ihrer Volikom- menheit und in ihrem Rythmus als Selbstzweck erscheint. Kaum jemals hat Pradier aus eigner Wahl mannliche Formen darge~ stellt; und wahrend er dfter interessante und gelungene Ver- suche im etrurischen oder im archaischen Styl der griechischen Skulptur gemacht hat, geht ihm der Sinn fir den unendlichen Reiz und die schlichte Anmuth der Plastik des Mittelalters, die in Florenz besonders so reiche Blithen getrieben, — man darf diesen Schluss wohl aus seinen vorliegenden Werken ziehen, — ganzlich ab. — Von der Thatigkeit dieses Kinstlers kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkt, dass er in den letzten Jahren, ausser den angefiihrten und einer Menge anderer Arbeiten, die zw6Jf Viktorien zum Grabmale Napoleons in dem Dome der Invaliden gefertigt und vollendet hat. Diese 12 Siegesgétlinnen oder vielmehr gefliigelten weiblichen Ge- nien, tber den Hingang des Kaisers trauernd, sind in doppelter Lebensgrésse, sammtlich unter einander verschieden, grossartig im Charakter, wiirdig in der Haltung, von schmerzlich klagen- dem Ausdrucke. ) In ungeschwachter Kraft zeigt sich, eine glickliche Aus- nahme von dem oben Gesagten, unter den dlteren Meistern А. L. Barye, seit 20 Jahren beriihmt, und wohl kann man sagen popular durch seine uniiberirefflichen Gebilde aus der Thier- welt, unter denen der grosse bronzene Léwe, der eine Schlange erlegt hat, eine Zierde des Tuileriengartens, obenan steht. Aus dieser beschrankteren Sphare, dic ihm so lange Zeit als aus- schliessliches Gebiet angewiesen schien, heraustretend, hat die- ser treffliche Kiinstler auch alsobald ein héchstes erreicht. Sei- ner Gruppe eines ,,Centauren von einem Lapithen bekampft“, halblebensgross in Gyps ausgefiihrt, kommt wohl kaum ein an- deres Bildwerk dieser Ausstellung gleich. Der Lapithe hat sich auf den Riicken des Pferdmannes geschwungen und bedroht ihn mit einem knotigen Baumast, den er in der aufgehobenen Rechten halt. Unvergleichlich ist der Schwung in der Bewegung des weit zuriick sich beugenden Lapithen; meisterlich die Zeich- nung, dic Modellirung und die Durchbildung des Einzelnen; das Ganze voll Leben und Kraft, und in den Linien von allen Seiten gleich vollkommen abgerundet. Der tielen Einsicht in 1) In einer Correspondenz aus Paris, im Februar, die sich in No. 13 des ,, deutschen Kunstblattes* von diesem Jahre befindet, ist, bei Gelegen- heit des ,,Christus am Kreuze* von H. de Triqueti, welchem der Bericht- erstatter das gebiihrende Lob ertheilt, auch von diesen Viktorien die Rede; durch ein bedauerliches Versehen ist aber der Name des Kinstlers in Pradin verstiimmelt worden. Der erwahnte Aufsatz, dessen Verf. das, was er be- schreibt, nicht aus eigener Anschauung kennt, enthalt noch ausserdem meh- rere ungenaue Angaben, deren Berichtigung wohl am passendsten bis zur Vollendung des ganzen riesigen Unternehmens verschoben wird, welcher man auf das kommende Fréhjahr mit Zuversicht entgegensieht. witrfe zu den tibrigen, ein ungemein geringes ist. Nicht ohne Belang, und allerdings in Anschlag хи bringen, sind die Be- stellungen des Ministers des Innern, in dessen Bereich die Ver- waltung der schénen Kinste einschligt, und deren Zahl nahe an 40 betragt. Unter diesen Bestellungen finden sich beson- ders viele Biisten, meist von Kiinstlern; die hauptsdchlichsten sind die von: Andrea Mantegna, Benvenuto Cellini, Jean Gou- jou, Nic. Poussin, Claude Lorrain, Velasquez, Chardin, Carlo Vanioo, H. Fragonard, Greuze, Gretry, Granet, M2 Mirbel; Quatremére de Quincy, Champollion; Denis Papin. Mit dieser von oben sich kundgebenden Hinneigung zum Portrait geht denn auch die wechsende Vorliebe der Einzelnen fiir soleche Dar- stellungen Hand in Hand, wie die unglaubliche Zahl von Por- trats, Basten und Statuetten in Marmor, Bronze und Gyps, auf der diesjihrigen Ausstellung, beweist; so dass wir also wohl am natiirlichsten die erwahnte, ungewéhnliche Ergiebigkeit an Bildwerken einerseits der loblichen Pietat fiir grosse Todte, an- dererseits der immehr mehr tberhandnehmenden Pritvateitelkeit gzuzuschreiben haben, welche sich nicht mehr begniigt, die eigenen geistreichen Ziige verganglichen Farben anzuvertrauen, sondern dieselben in Stein gehauen oder in Erz gegossen, der spdtesten Nachwelt, zusammen mit dem klangvollen Namen, zu uberliefern sich bewogen fihlt. Viel Kunst und Miihe ist ver- schwendet an solche undankbare Gegenstiénde, an Formen ohne Ebenmaass, an Ziige ohne Adel, an grosse Manner, deren Ruf nie iiber ihr Stadtviertel hinausgedrungen. Kiinstler wie die beiden Dantan, Ramus, De Bay, Foyatier, Cordier, Ottin, Elshoecht, Préault u. A., von Pradier und Cle- singer nicht zu sprechen, wissen mit grossem Geschick solche, so wie ihrer wirdigere Aufgaben zu lésen. Dieselbe Bemerkung, die wir bei den Werken der Malerei gemacht, lasst sich, nach dem schon Angedeuteten, auch auf die der Bildhauerei ausdehnen, dass namlich auf dem Salon von 1850-—51 die alteren, berithmten Meister sich entweder ganz zuriickgezogen und das Feld der riistigeren Jugend gerdumt, oder aber, wofern sie aufgetreten, dieses theils in unbedeuten- den Werken gethan, theils aber sich nicht auf der Héhe ihrer friiheren Leistungen erhalten haben. Unermiidet thatig, von nie rastender Einbildungskraft, ktinst- lerische Ideen im Fluge erfassend und in deren Verwirklichung gewandt und riistig, der Horace Vernet der Bildhauerei, — er- scheint J. Pradier, der seit einer Reihe von Jahren auf kei- ner Ausstellung gefehlt, auch diesesmal wieder mit finf Num- mern: zwei Portraitbiisten; einer Bronzestatue der Medea und einer Statuette, Pandora, aus demselben Stoffe (die beiden letz- teren fiir die Kénigin von England bestimmt); endlich dem wich~ tigsten dieser fiinf Werke, der Marmorstatue einer Atalanta, ihre Sandalen anbindend. Einen Kranz von Sternenblumen im Haare, tiber dem linken Arm das Unter-Gewand hangend, steht die leichtfiissige Schéne gebtickt, die Sandale am linken Fuss befestigend. Zu ihren Fiissen liegen Spangen und Ohrringe, und vor ihr die goldenen Aepfel des Hippomenos. Zart in der Form, anmuthig in der Bewegung, erreicht jedoch diese Statue weder an Grésse, noch an Bedeutung und hervorragendem Werth seine friiheren Werke: ,,den Friihling“, aus parischem Marmor, (1849); ,,Nyssia“, aus pentelischem Marmor, und ,, Sappho“ (1848); die Musen der ,,leichten Bichtung“ (1846) und ,,Phryne“ (1845). In diesen beiden letztern Darstellungen besonders hat Pradier den Gipfelpunkt seines Talentes erreicht: denn die Muse der leichten, der heiteren, der spielenden Poe- sie ist auch die Géllin, welcher dieser Kinstler seine gliick- lichsten Eingebungen verdankt, und die thespische Hetare gab ihm den erwiinschtesten Vorwand, all den verfiihrerischen Reiz der weiblichen Formen unverschleiert dem Auge vorzufiihren,