difikationen. Selbst das {tir diese Gebiude sonst so charakte- rislische Ornament von Drachen~- Verschlingungen und sonstigen allerlei seltsamen Geriemseln rings um die Portale, welches Ешюе als eine unmittelbare Aeusserung des nationellen Formensinnes ansehen, diirfte eher vielleicht als nordisch wie als norwegisch sich herausstellen. Wenigstens zeigen sich bei anderen nordischen V6lkern, selbst in einer friheren Pe- riode, als der, wo unsere Geschichte irgend etwas klar wird, mehrere Beispiele eines ahnlichen ornamentistischen Verfahrens, 2, В. ш einigen angelsdchsischen Miniaturen aus dem 9. Jahr- hunderl.1) — Ein Skulpturwerk oder Gemalde aus dlterer Zeit, das einen Anspruch auf den Namen eines Kunstwerks machen und eine selbstandige Uebung der Kunst verdienen kénnte, kommt, in so weit meine Kunde reicht, auch nicht vor. Dass wahrend der 400jahrigen Abhingigkeits-Periode des Landes, wo Nor- wegen nur einen Theil der danischen Monarchie ausmachtle, noch weniger von norwegischer Kunst die Rede sein konnte, wird Jedem einleuchten, der die Verhaltnisse unseres Landes in jenem ganzen, dem taurigsten Zeitraume der norwegischen Geschichie kennt. Selbst die Kunst in Danemark datirt sich eigentlich erst aus dem vorigen Jahrhundert, als die Akademie der Kiinsle zu Kopenhagen vom Kénig Friedrich V. gegrindet wurde. Aber ungeachtet die Norweger, wie bekannt, mit den Danen fast auf jedem geistigen Gebicte gliicklich wetteiferten, so hat doch Niemand unserer Nation in der bildenden Kunst seine Krafie versucht, wenigstens Niemand es darin zu elwas Besonderem gebracht, bis unser Landsmann, der jelzige Pro- fessor in Dresden, J. Chr. Dah], in Danemarks Hauptstadt wie ein vom Himmel plozlich herabfallendes Meteor mit seiner ori- ginellen, frischen, kraftigen Naturauffassung auftrat und — in seinem Jangen ehrenvollen Kinstlerleben hinreichend bethatigte, dass, wo die Gaben der Natur, im Verein mit einem selbstan- digen Geiste und kraftigen Willen in so reichem Maasse, wie hier bei ihm, vorhanden sind, auch kein bequemes Einschlagen betretener, bereits gebahnter Wege denkbar ist. — Ks ist der Zweck dieser aphoristischen Darstellung nicht, ein vollstindiges Lebensbild dieses genialen Kiinstlers zu geben, und ich bemerke daher nur, dass. die landschaftliche Kunst, bei Dahl’s Ankunft in Kopenhagen, daselbst eine, nach den jetzigen Ansichten, niedrige Stufe cinnahm. Das unmittelbare Studium der Natur, auf welcher Basis allein die Landschafts- Darstellung zu vollkommen kinstlerischer Wahrheit und Be- schaulichkeit gehoben werden kann, war damals dort noch etwas Unbekanntes. Viel mehr gefiel man sich in einem hohlen Idealismus, dessen fast alle Realitét entbehrende Produktionen nichtsdestoweniger auf dem Kenner -Markte ihren Cours hatten, als gliickliche Versuche, die gemeine Natur zu verschénern. Mit andern Worten, die landschaftliche Kunst nahm damals den bekannten Staridpunkt der Zopfperiode ein, da die Nattirlichkeit der Darstellung von einem willktrlichen Schematismus abge- lést war, der den Namen der Idealilat trug. Mit einer solchen Richtung konnte sich Dahl’s unbefangenes Natur~Talent nun durchaus nicht vertragen, und bald gewannen seine auf ein ireues Studium der Natur unmiltelbar gegriindeten Darstellungen allgemeine Aufnerksamkeit, so wenig dieselben nattirlich den Akademikern ex professo gefallen mochten. Dahl ist somit Naturalist in der eigentlichsten Bedeutung des Wortes und alle seine Leistungen zeugen davon, dass sein Streben darauf ausgeht, die Natur im Ganzen so wiederzugeben, wie er sie sicht, ohne den Ansichten der spateren Periode in Bezug auf cine freicre Composition zu huldigen. Viele wer- den es vielleicht als gar zu einseitig betrachten, dass er bei 1) S. Kugler’s Kunstgeschicnte. AL # Norwegische Kiinstler. Meine vorige Mittheilung tiber die Villa ,,Oscars-Hal “ oder eine Gesammt-Uebersicht der verschiedenen kiinstlerischen Unternehmungen Konig Oscar’s auf ,,Ladegaardséen“ bei Chri- stiania wird jetzt wahrscheinlich den verehrlichen Lesern des ,deulschen Kuntblattes“ bekannt sein. Um so nalirlicher wird man es demnach finden, wenn ich jetzt zugleich, und zwar in unmittelbarer Verbindung damit, der kiinstlerischen Krafte er- wiahne, durch deren Mitwirkung der gesammte Apparat der in- neren Verzierung besagten Gebéiudes zu Stande gebracht wor- den; tiberhaupt wenn ich jetzt oder spaiter einen kurzen Ueber- blick tber die gegenwiirligen Zustinde der bildenden Kiinste Norwegens zu geben versuchen werde. Kennt man ja doch die Blithe oder die Frucht nicht, ohne den Baum und die Wurzel — und jene kiinstlerische Wirksamkeit unsers Kénigs ist nur der erste hoffnungsvolle Keim an dem noch jungen Sprosslinge norwegischer Kunst. In der Hoffaung, dass diese Ansicht erkannt werden dirfte, werde ich in nachfolgenden und andern Mittheilungen die wesentlichsten Grundziige unserer kinstlerischen Verhaltnisse dem kunslsinnigen deutschen Pu- blikum zur niheren Anschauung bringen. Nicht auf wissen- schafiliche Stringenz, ja nicht einmal auf strenge Vollstandig- keit der Darstellung darf hiernach bei meinen Mittheilungen gerechnet werden. Was fiir Vollkommenheiten die gelehrte Ausbildung Norwegens auch besitzen mége — eine Anwendung der Wissenschaft auf die Kunst, eine auf gelehrten Forschungen basirte, methodische Kritik ist dort bis jelzt noch nicht ins Le- ben gerufen. Wir weiden uusere Augen und unsern Sinn noch ganz harmlos und unbefangen an die erfreulichen Erscheinungen unserer blutjungen Kunst, und werden froh sein, so lange die- ses goldene Zeilaller im Bereiche des Schénen uns ungetribt verbleiben kann, So bedarf denn auch der Berichterstatter einer Selbst-Apologie und, um geneigte Nachsicht bittend, der Hu- manitét der Redaktion, so wie der Leser vertrauend, geht er getrosten Muthes ans Werk, mit der Bemerkung, dass das et~ was gewallsame ,,in medias res“-Hineinverselzen der vorigen Mittheilung jelazt ganz nattirlich den polarischen Gegensatz einer Darstellung ,,ab ovo von selbst hervorrufen miissle. Der erste Anfang norwegischer Kunst fallt ungefahr mit dem Eintritte der Nation in ihre jetzige Selbstandigkeits—Periode zusammen. Von einer eigentlich nationalen Kunst, in der stren~ geren Bedéutung dieses Wortes, war, so viel ich weiss, nie- mals, selbst nicht wahrend der Glanzperiode unseres Landes vor der Vereinigung (richtiger: Verschmelzung, oder ein toltales Aufgehen in die danische Monarchie) mit Danemark, die Rede. Freilich findet man im Lande noch einige Ueberreste des mit- telalterlichen Kunsttreibens in einigen unserer alten Stein- und Holzkirchen — so z. B. in den Domen zu Drontheim und Sta- vanger, so wie den héchst merkwiirdigen sogenannten ,,Stave-- kirker“ in den mehr abgelegenen Gebirgsgegenden Norwe- wegens, Aber eben so wie diese Gebaiude, jedenfalls die Kir- chen von Stein, durch fremde Kistler und Handwerker, haupt- sichlich durch englische, aufgefihrt sind, so tragen sie auch nur das Geprage einer von auswartigen Einfliissen beherrschten fremden Kunst, welche in dieser Weise ins Land hineingefiihrt wurde. Und mégen auch unsere uralten ,,Stavekirker“ zum grossen Theil durch einheimische Krafte hergestellt sein, so weisen jedoch ihre Hauplformen, tiberhaupt die ganze Anord- nung, immer auf fremde — byzantinische und romanische — Vorbilder hin. Sie sind eigentlich also nur Nachahmungen in Holz der damalig herrschenden Baustyle der Steinkirchen, nattirlich mit dea durch das verdnderte Material bedinglen Mo-