menen zu selbstandigeren Darstellungsformen. In den Werken, die dem Sebaldusgrabe vorausgehen, folgt er dem zeititblichen Style, wie dieser besonders bei Adam Kraft ausgebildet war. In der Zeit des Sebaldusgrabes, das er ,mit seinen Sdhnen“ arbeitete, macht sich die grosse Umwandlung der kiinstlerischen Richtung geltend, in welcher dem mehr modernen Bewusstsein durch Elemente, die das alleinheimische und noch in der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Vischer’schen Giesshiitte giiltige Element wieder aufnehmen und darin den angemessensten Boden ftir das classische Anforderniss der Zeit gewinnen, zu geniigen gestrebt wird. ). In den spateren Werken endlich erblicken wir einen vollstandig entwickelten Adel des Styles, welcher in so merkwirdiger Weise auf der Verbindung freier Classicitat und ungebrochener heimischer Gefthlsweise beruht. Wie sehr ich indess Peter Vischer’s kiinstlerische Selb- slindigkeit zu vertreten geneist bin, so verkenne ich dabei doch keinesweges die handwerkliche Seite seines Betriebes. Es liegt auf der Hand, dass seine, schon von den Vorfahren her bestehende und gesuchte Giesshiitte sich zundchst als solche erhalten musste, dass Falle genug eintreten konnten, wo man doch Anforderungen von mehr handwerklicher Natur an ihn stellte, dass man ihm Entwiirfe, Modelle u. dergl. brachte und dann — nicht von ihm persénlich, dem erfindenden Kiinstler, — sondern von dem Meister der Giesshiilte die Herstellung der- selben in Metall forderte. Wie leicht denkbar z. B. ist es, dass ihm far Bildnissdarstellungen auswartiger, entfernt wohnender Personen (etwa fiir deren Denkmal) das Bildniss, in der Zeich- nung oder im ausgefihrten Modell, geliefert und ihm allen- falls nur tiberlassen wurde, das erfordérliche dekoralive Arran- gement beschaffen zu lassen! Mochle nun durch ihn selbst oder durch die Gehilfen in seiner Hiitte des Eigenen zur vollendeten Einrichlung des Werkes weniger oder mehr hinzugefigt sein, so entstanden in solcher Weise wohl Werke, die es sich nicht ziemte mit dem Namen oder dem Monogramm des Meisters der Hutte zu versehen; und so in der That denke ich mir den Ur- sprung jener Werke, die man sonst wohl der Vischer’schen Werkstatt zuschreibt. Von dem Grahdenkmal des Bischofes Georg II. im Bamberger Dome, das die Relieffigur des geistlichen Herrn enthalt, wissen wir urkundlich, dass dasselbe durch P. Vischer geliefert wurde, indem ihm um die Zeit von 1505 — 1506 die Zahlung zu Theil ward; aber eben so urkundlich wissen wir, dass die Zeichnung dazu von dem Bamberger Maler Wolfgang Katzheimer herrthrte. (Vergl. Heller, Beschrei- bung der bischoflichen Grabdenkmaler in der Domkirche zu_ Bamberg, 8. 32.) Und der Meister hat es nicht fiir thun- lich gehalten, seinen Namen oder sein Zeichen darauf anzu- bringen * ). In abnlicher Weise nun ist meiner Ansicht nach das be- sprochene Rémhilder Denkmal entstanden. Ein Produkt der Vischer’schen Giesshiitte ist es héchst wahrscheinlich; dafir spricht der schon angedeutete Umstand, dass es schwer sein dirfte, zu jener Zeit eine andre technische Werkstatt nachzu- weisen, in der dasselbe zu beschaffen gewesen wire; darauf deuten ebenso die stylistischen Anklange hin, die, in den unlergeordneten Theilen des Denkmales, an die Einzelheiten des Sebaldusgrabes, mit dessen Beginn jenes gleichzeitig ist, wahrzunehmen sind. Ich glaube aber nicht, dass Peter Vischer das Modell zu dem Haupttheile des Denkmales, zu den Bild- nissgestalten des fiirstlichen Paares, selbst gefertigt hatte; ware dies der Fall gewesen, so wirde er, zumal bei einer so vor- ziiglich gediegenen Arbeit, gewiss seinen Namen nicht ver- schwiegen, wiirde auch das Uebrige ohne Zweifel mehr in Einklang damit gesetzt. haben; abgesehen davon, dass gerade in den Hauptgestalten eine Verwandtschaft mit den stylistischen Elementen des Sebaldusgrabes nicht bemerklich ist, was bei der Gleichzeiligkeit der Arbeilen nicht wohl hatte ausbleiben kén- nen, und dass die convenlionelle Behandlung der -beiden Thiere zu den Fiissen der Hauptfiguren, die ihnen doch einen etwas wunderlichen Charakter giebt, der ganzen Richtung P. Vi- scher’s nicht sunderlich entspricht. Ebenso kann ich darin aber auch keine Arbeit von V. Stoss erkennen; es hat, soweit mir dessen Werke bekannt sind, zu wenig therzeugende Anklange an die stylistischen Eigenthimlichkeilen auch dieses Meisters, die sich doch, besonders in seiner Gewandung, durchaus nicht verlaugnen; und auch von VY. Stoss, der mit dem Giesser an demselben Orte lebte, kann gewiss nicht vorausgesetzt werden, dass er das Modell nicht ganz gegeben, oder dass er Hinzu- figungen, die nicht zum Vortheil desselben diencn, gestattet halle, Ich muss im Gegentheil annehmen, dass das Modell zu den beiden Bildnissgestalten von einem auswirtigen Bildner ge- fertigt und dem P. Vischer, als Vorstand seiner Hiitte, zur Be- schafflung des ganzen Denkmales geliefert worden sei. Wer jener fremde Meister gewesen, wage ich vor der Hand nicht zu bestimmen. Ich habe zuerst an den Wiirzburger Tilman Riemenschneider gedacht, in dessen Leistungen sich wohl einige entsprechende Elemente finden; aber auch er hat sich, meines Wissens, nicht zu einer solchen Freiheit und Reinheit entwickelt, wie an diesen Gestalten ersichtlich ist. Wir kennen also einstweilen den urspriinglichen Meister nicht. Dem Kunst- werthe des Werkes geschieht hiermit indess wahrlich kein Abbruch; finden wir doch in Deutschland aus jener ей зо. manch ein namenloses Bildwerk, das des héchsten Preises werth ist! kennen wir doch auch nicht einmal den Meister jener hdéchst vollendeten betenden Modonnenstatue, die gegenwartig in der Nurnberger Kunstschule bewahrt wird und im Gypsabguss, in der vorlrefflichen kleinen Kopie von Afinger, bei allen Kunsi- freunden verbreitet ist! — Das Modell des Hauptsliickes also wurde meiner Ansicht nach dem P. Vischer geliefert, und man mag es nicht fiir angemessen erachtet liaben, ihm dabei die Bedingung zu stellen, dass er das Uebrige mit eigner Hand hinzufiige. So setae ich voraus, dass dies von untergeordnelen Kriften seiner Werkstatt geschehen is! und dass yon den letz- teren — ausser dem gesammien archiiekionischen und dekora- liven Arrangement — namentlich auch die Modelle zu jenen scher auf ziemlich derbe Weise sein Belremden dariiber ausspricht, dass man ihm die fertig gegossene Arbeit seit Jahr und Tag auf dem Ialse lasse und sie weder abhole noch ihm Geld schicke, und in dem yon irgend einer personlich kinstlerischen Theilnahme fiir das Werk gar nichts durchklingt, Auch bei dem grossen Denkmal des Kurfirsten Johann Cicero jn der Domkirche zu Berlin ist ein Verhaliniss der Art anzunehmen. Hiertiber be- halte ich mir den naheren Nachweis vor. 1) Vergl. dartiber meinen Aufsatz im Museum, Blatter ftir bildende Kunst, 4837, No 5. — Heideloff hat in seiner Ornamentik des Mittelalters cinen alteren, dem V. Stoss zugeschriebenen Riss zum Schaldusgrabe beigebracht. Dieser beweist aber far P. Vischers Abhangigkeit von ihm gar nichts, da das ausgefiihrte Sebaldusgrab des letzteren eben ein ganz andres Werk ist. 2) Aehnlich erscheint auch das Verhiltniss bei Beschaffung der Bronze- tafel, welche sich im Dom zu Schwerin, an der Riickwand des Altares, befindet und das Epitaphium der im J. 1524-verstorbenen Herzogin Helene bildet, ubrigens aber nur Wappen und Inschrift nebst architektonischer und dekorativer Umgebung enthalt. Lisch hat dieser Arbeit im dritten Jahr- gang der ,Jahrbticher des Vereins fiir meklenburgische Geschichte und Alter- thumskunde™, Schwerin 1538, 8.159, erwadhnt und durch Beibringung cines Briefes von Peter Vischer vom J. 1529 ziemlich ausser Zweifel gestellt, dass sie von diesem geliefert wurde. Aber cr selbst bemerkt, dass tratz der Vollkommenheit des Gusses die Modellirang in manchen Theilen minder edel sei als sonst bei P. Vischer s Werken und das auch Kistler, die das Werk besichtigt, die strenge Reinheit scines Styles nicht tberall darin wie- der gefunden hatten. Dem entspricht zugleich die ganze Fassung jenes, an den Herzog Heinrich von Mekjenburg gerichteten Briefes, in welchem P. Vi-