hen, obgleich sie ihren besonderen Ansichten und Richtungen
nach ganz verschieden waren, Fearnley hatte den grossen
Vorzug vor Dahl, dass er bei seinem ersten Betrelen der Kunst-
bahn eine auf gesunden Principien basirte, bereits zur vollkom-
menen Entwickelung gelangte Kunst vorfand. Gleich Jenem
brauchte er daher nicht einen Kampf gegen das Bestehende
zu beginnen, sondern konnte sich ihm anschliessen und auf
solcher soliden Grundlage das schéne Gebaude seines Kunst-
strebens weiter auffiihren. — Fearnley kam etwas spat.zur Kunst,
da er friher ftir verschiedene andere Lebensstellungen bestimmt
war. Durch einen hochherzigen Génner!) wurde er in den
Stand gesetzt, im Auslande den Unterricht zu finden, den ihm
die Heimat damals nicht geben konnte, und so sehen wir ihn
in Stockholm und Kopenhagen rastlos vorwarts streben und
bald grosse Hoffnungen fiir die Zukunft erwecken. Wesentlich
aber gehért er doch der Miinchener Schule an und die Folgen
hiervon sind kennbar genug. Seine Landschaften sind nicht
nur einzelne Bruchstiicke der Natur, sondern machen in der
Regel ein in sich abgeschlossenes Ganzes aus, und in der Li-
nienfiihrung und den compositionellen Elementen der Landschaft
steht er durchaus auf dem Boden seiner Zeit. Seine Farbe ist
mild, aber wahr und harmonisch, von Effekthascherei durch-
weg keine Spur; die Behandlung, trotz ihrer Elegang, ег-
schopfend und griindlich. Seine Darstellungsweise, nicht so
derb und energisch wie Dahl’s, есле sich auch nicht so gut
wie dessen seine, den Ernst der nordischen Natur potenzirt
wiederzugeben; aber sie steht doch meistens im genauesten
Einklange mit dem Gegenstande, und selbst wo er eine gross-
atlige Naturscenerie im Geiste Dahl’s behandelt (Wasserfalle in
wilden Gebirgsgegenden), wird die eigenthiimliche Wildheit sol-
cher Gegenstande Vielen vielleicht geniessbarer durch das lau-
ternde Medium seines Pinsels. — Von diesem talenivollen Kiinst-
ler, der im J. 1842 in Minchen, leider viel zu friih, vom Va-
terlande und Jedem beweint, der seinen biederen und achten
Kiinstler-Charakter naher kannte, aus dem Leben fortgerufen
wurde, finden sich schéne Erzeugnisse seines Talents und Stre-
bens an mehreren Orten; so z. B. in Miinchen (in der Leuch-
tenbergischen Galerie u. a.); in der Nationalgalerie in Christia-
nia ein grossartiges Bild von bedeutenden Dimensionen, der
» Labro-Fos* (Wasserfall) bei Kongsberg, so wie bei mehreren
Privatbesitzern; ferner in Danemark, Schweden, Holland ete.
Sein letztes, vielleicht schénstes Werk befindet sich in Ham-
‘burg im Privatbesitze.

Lange Zeit hindurch — wie gesagt — waren Dahl und
Fearnley unsere einzigen Kistler, wenigstens die ecinzigen,
welche eimen hervorragenden Namen trugen. Beide waren zu-
gleich Landschaftsmaler, welches Kunstfach, beilaufig bemerkt,
dasjenige ist, das von unseren jetzigen Ktnstlern zumeist, um
nicht zu sagen ausschliesslich, cultivirt wird. Es ist beinahe,
als ob die eigenthiimliche Beschaffenheit des Landes selbst sic
darauf hinwiese; denn wo die Natur so imposant, so tberwal-
tigend ist, wie bei uns, dass der Mensch im Vergleich mit ihr
fast zu einer blossen Staffage hinabgedrickt wird, da ist es
ganz nalirlich, das jene die Aufmerksamkeit machtiger fes-
seln, den Geist mehr ansprechen muss, als das Menschenleben
im seinen verhaltnissmassig kleineren Zustanden. — Es verging
also ein laingerer Zeitraum, in dem der Genius Norwegens
	1) Mehrere unserer Kistler haben das Glick gehabt, dergleichen ge-
rade in dem Augenblicke zu finden, wo sie des Beistandes am meisten be-
durften, und ich sehe keinen Grond, weshalb ich die Namen der beiden
Ehrenmanner verschweigen sollte, welche einen so entschiedenen Einfluss
auf Dahl’s jund Fearnley’s Leben ausgetht; bei Jenem ndmlich war es der
Oberlehrer Sagen in Bergen, bei Diesem der Grosshandler Andresen in

Christiania.
	gleichsam mit der Erweckung neuer Ktinstlergeister einhalten
zu wollen schien, vielleicht damit die Nation das Kitinstlerpaar,
welches sie besass, um so besser verstehen und schatzen ler-
nen konnte, chne gendthigt zu sein, ihre Bewunderung und
ihre Liebe zwischen Mehreren zu theilen. In den Jahren 1832
und 1833 fiagen indessen A. Tidemand und J. Frich an, die
Kunst auf der Kopenhagener Akademie zu studiren. Besondere
Verhiltnisse, welche der Oeffentlichkeit nicht angehéren, ver-
bieten mir, eine eigene Ansicht tiber das Talent des Ersteren
und den Werth seiner Werke auszusprechen; ich beschranke
mich daher auf das, was als eine Thatsache angesehen wer-
den darf,

In Adolph Tidemand besitzen wir bis jetzt noch un-
seren einzigen Figurenmaler und namentlich den Darsteller un-
seres Volkslebens. Nachdem er seine elementare Bildung auf
der Akademie zu Kopenhagen erhalten hatte, verliess er die-
selbe im Jahre 1837 und ging nach Dusseldorf, welcher Schule
er eigentlich verdankt, was er spiter geworden. Anfanglich
schien es, als ob er sich ausschliesslich der Historienmalerei
widmen wolle, indem er im Frihjahr 1841 daselbst ein gros
seres Bild — ,Guslav Wasa, zu den in der Kirche zu Mora
versammelten Bauern Dalarnes redend “ — ausstellte, das eines
allgemeinen Beifalls sich erfreute und als ein viel versprechen-
des, bedeutenderes Erstlingswerk des jungen Kiunstlers von dem
westphalisch-rheinischen Kunstvereine angekauft wurde, bei
dessen Verloosung es spater in den Besitz eines Privatinannes
in Dorpat iiberging. Ein Aufenthalt, erst in Minchen und Rom
und dann in Norwegen, muss indessen den Kiinstler auf an-
dere Gedanken in Bezug auf die eigentliche Beschaffenheit des
ihm innewohnenden Talentes gebracht haben; denn von dieser
Zeit an sehen wir ihn fast ausschliesslich damit beschafligt, die
cigenthimlichen Zustaénde seines Volkes in einer Reihe von
Gemalden darzustellen, tiber welche die éffentliche Meinung
schon langst ihr Urtheil gefallt hat. Besonders beliebt sind
unter andern seine kleinen Kabinetsstiicke, mit verschiedenar-
tigen gemiithlichen Episoden aus dem hauslichen Leben der nor-
wegischen Landbewohner. Oefter wahlt er aber doch zum Stoff
bedeutendere Gegenstinde, die eine grossartigere Auffassung
bedingen, und welche dann in Dimensionen ausgefithrt sind, die
sich denen des historischen Bildes annahern. Von seinen Ar-
beiten kénnen hauptsichlich folgende genannt werden: Ein Ka-
binetstiick, ,die Haus-Andacht*, in der National-Galerie in
Christiania befindlich; ein den Dimensionen nach ahnliches ,,der
erste Unterricht“, dem Hrn. Baron von der Leyen in Crefeld
gehorig; ,,die Marchenerziblerin* (doppelte Beleuchtung, des
Feuerheerds und des Lampenlichts, beide zur schénsten Ge-
sammlwirkung verschmolzen), im Besitze der Kénigin von Nor-
wegen und Schweden; ,,Katechisation eines Ktsters auf dem
Lande in Norwegen“ (griésseres Bild mit der interessanten Lo-
kalitét des Innern der alten Starenkirche in Hitterdal in Telle-
marken ), Eigenthum des Kénigs; mehrere in Gemeinschaft mit
Gude ausgefihrten Bilder, die besonders Glick gemacht und
worin die beiden Kinstler cine solche Einheit der Behandlung
beobachtet haben, dass man glauben méchte, diese Bilder ha-
ben nur einem einzigen Kiinstler ihre Entstehung zu verdanken.
Unter diesen dirfen besonders genannt werden: ,,die Braut-
fahrt* (wie die tibrigen im norwegischen Motiv); ,Sommer~
abend auf dem Binnensee* (nach dem Haag verkauft), ein héchst
reizendes und poetisch gefasstes und mit vielem Farbensinne
behandeltes Bild von grosser Dimension; ,die Nacht auf dem
Fjord* —- doppelte Wirkung des Mondlichts und des Feuers
in einem Fischerkahn — welches Bild, von beiden Kiinstlern
	1) Vel. hieriber Kugler s Kunstgeschichte.
до *