der Farben eine Warme und Zartheit an den geeigneten Stellen, die wir dieser Malart gar nicht zugetraut hatten, wenn uns nicht die schon bei dem Babelthurm gezeigten Erfolge auf noch grossere vorbereitet haben wiirden. Herausgetreten in die langdauernde Existenz, wie es nun dasteht, wollen wir die im vorigen Jahrgange von uns erdrterte Frage, in wie fern dieses Bild ein in sich abgeschlossenes Hi- storisches sei, nicht wieder aufnehmen. Dort bereits haben wir die Schépfungsart des Kiinstlers zu charakterisiren und ihre Wurzeln und Quellen aufzudecken versucht. Wir haben ge- funden, dass Kaulbach mythisch-historisch zu Werke geht und den ganzen Cyklus, der ihm zur Darstellung oblag, in diesem Geiste komponirt hat. Aber gleichwohl hilt er Mythe und Sym- bolik auf der einen und Geschichte auf der andern Seite streng von einander gesondert, nicht bloss értlich, sondern auch in der directen Aussern Bezichung aufcinander. Drei Gruppen erscheinen als nicht unmittelbar dem real-historischen Momente angehoérig, als unwirkliche Erscheinungen, oder mit der Rea- litat des Vorgangs usserlich nicht zusammenhangend: Die Pro- pheten als Verkiindiger mit den sieben Engeln als Vollstrecker des gétllichen Strafgerichts, der ewige Jude mit den schlangen- bewaffneten drei Dimonen und die abziehenden Christen mit den drei schiitzenden Engeln. Diese Gruppen sind zur dusser- sten Rechlen und Linken des Bildes und oben angebracht und stehen durchaus nicht in dusserer Beziehung zu dem Zersté- rungswerk, das sie cinschliessen und begrenzen. Sie sind wie ein Rahmen herumgelegt, wie ein Prolog und Epilog zu dem Drama, die uns Andeutungen geben tiber die Ursache und die zwiefache Wirkung des grausenhafien Ereignisses. Auf dem Bilde achlet Niemand auf sie, Niemand sieht sie, weder der siegprangende Kaiser noch seine mord- und zerstérungslustigen Schaaren und seine Tubabliser, welche mit Alles iiberténendem Schalle das Weligericht verktinden, das sie spater ebenfalls er-_ reichen und fallen wird — die Biinden! weder sieht sie der Oberpriester, der mit den Seinen freiwillig den Urtheilspruch erfillt, weder die hungernden und verzweifelnden Weiber, noch die drohenden trotzigen Manner, noch Simon und Johannes von Gischala, die blutgetrankten Anfiihrer der Juden, an den Stufen des feuergerdétheten Tempels. Aber drinnen im Herzen brennt oder lindert es was diese Gruppen besagen, und auf dem Antlilz ail’ dieser Manner und Weiber steht die Schuld ge- schrieben und ihre Geisse!, das Verhdngniss und seine Erfil- lung, wie der Maler es fir den Beschauer in den Gruppen an- gedeutet hat: Oben das Gericht und seine Vollstreckung, unten das Resultat fir die Verstockten sowie fir die Goltgehorsamen. Die cyklische Einreihung des Bildes ist seinem halb sym- holischen Charakter giinstig. Treten schon die himmlischen Ge- stalten durch ihre lichtere Farbung aus der realen Umgebung hervor, was freilich bei den der Zukunft angehdrigen, gleichfalls nicht unmittelbar in die Handlung verwobenen irdischen nicht moglich war, so lassen sich doch auch diese Gruppen, eben weil, wie wir schon friher einmal gesagt haben, die ganzen Winde gleichsam eine einzige fortlaufende Darstellung bilden, die der cinzelnen Rahmen spottet oder vielmehr durch diese erginzt und noch mehr in einandergeschmolzen wird, wieder- um als cinzelne Bilder in dem Bildermeer recht gut fiir sich betrachten. Wenigstens scheint uns dies eben Angefihrle den Standpunkt cinzuschliessen, von welchem aus diese Composi- tionen und insbesondere das eben besprochene Bild betrachtet sein wollen. Und welche Fiille von herrlichen Einzelnheiten bielet es wieder. Welche Gestalten! Welch ein Regenbogen- farbenzusammenklang herrscht in der Gruppe der sieben Engel, die da ausgiessen sollen auf die Erde die sieben Schalen des Zornes Gotles. Wie ist dem Maler der rémische Imperator ge- tungen, der auf seinem weissen Rosse nicht wie ein wuth- schnaubender Bezwinger sondern wie die stille unabwendbare Nothwendigkcit des Verhangnisses ruhig daher reitet, ein le- bendiger Ausdruck der Worte, die ihm Josephus in den Mund legt: ,Gott hat uns Krieg fiihren helfen. Gott ist es, der die Juden aus diesen Vesten gezogen hat; denn was wirden Men- schenhande und menschliche Werkzeuge wider solche Thiirme vermocht haben?* — Welch’ ein entsetzliches Bild bietet die Tochter Eleazars dar, die, in der Mitte zwischen hungernden Weibern, das einzige, das ihr geblieben, ihren Saugling zu schlachten im Begriff ist. Diese schreckliche Scene hat der Maler weise in das halb verschleierte Dunkel des Mittelgrundes gelegt, wahrend im Vordergrunde neben seinen Urnen voll Gold und Kostbarkeiten ein weissbirtiger Alter kauert, dessen Scele an dem Mammon hingt, cin Theilhaber an der grossen Schuld, ein diisterer Reprasentant des verwahrlos’ten und dem Unter- gange geweihten Geschlechis, das so fruchtbar war an Freveln. Im Mittelpunkt des Bildes aber steht der Altar, den nun die Romer mit Adler bepflanzen, wo bis dahin dem Héchsten ge- opfert war und neben ihm der Hohepriester mit den Seinen, eine hoch tragische Gruppe. Friher, , wenn er aus dem Vor- hang hervorging* — wie Jesus Sirach sagt — „50 leuchtete er, wie der Morgenstern durch die Wolken, wie der volle Mond; wenn er den schédnen Jangen Rock anlegte, und den ganzen Schmuck anzog, und zum heiligen Altar trat, so zierete er das ganze Heiligthum umher* — jetzt steht er da, ein zweiter Lao- koon, der die Fehle seines Volkes wusste und es warnte, aber zu ihm steht und mit ihm untergehn will, wenn auch das Schicksal dazu seine eigne Hand gebraucht. Zum Jetztenmale ziickt er das lange Opfermesser, diesmal ist er selber das schén geschmiickte Opfer und um ihn herum licgen schon, die ihn einst umstanden haben, wie die Cedern auf dem Libanon und ihn umringt halten, wie Palmenzweige. In ihm klart sich die ganze Verstocklheit und der Gréiuel und das Verbrechen, die moralische Trostlosigkeit des Zustandes, worin das Volk ver- sunken war, in ihm klart es sich ab zum tragischen Pathos, in ihm ist tragische Schuld, was bei den Andern niedere Lei- denschaften und gemeines Laster ist, in seinem freiwilligen Tod liegt die Stihne, in den davonziehenden Christen die Verséhnung dieses ernsten, herzerschiitternden Drama’s. (Fortsetzung folgt.) Zur Kunde der Diirer’schen Holzschnitte. Wenn der Hr. Prof. Ackermann den von ihm in No. 36 dieses Blattes beschriebenen Holzschnitt, den ,h. Willibald* von A. Diirer, fiir ein bisher unbekanntes Blatt dieses Meisters halt, so hat derselbe tibersehen, dass ich diesen Holzschnitt bereits im Jahre 1845, im Stuttgarter Kunstblatt No. 55, als eine Dii- rer’sche Arbeit beschrieben und dabei bemerkt habe, dass sich derselbe auf der Riickseite der Kreuzigung vom Jahre 1516, Bartsch No. 56, abgedruckt finde und zugleich mit dem Wap- pen des Bischofs Gabricl von Eyb, Bartsch ap. No. 47, fir das von Hélzel in Nirnberg 1517 gedruckte Eichstedter Mis- sale geferligt worden sci. Eine friihere unbestimmte Notiz iber die Existenz des Holzschnilles, den h. Willibald darstellend, befindet sich bereits unter No. 2032 des Catalogs von Heller, welcher das Blatt jedoch aus eigner Anschauung nicht kannte. Bei dieser Gelegenheit will ich noch hinaufiigen, dass sich auf dem unteren Rande eines der bedruckten Blatter in dem er- wahnten Missale, ein noch nicht beschriebener Christuskopf mit der Dornenkrone befindet, welcher jenem grossen Christuskopf, Bartsch ap. No. 26, ganz abnlich ist und wohl ebenfalls von Durer geferligt sein wird.