heiligen Geschichte ist in den Hintergrund getreten; die altere
Kunst hat sich daran erschépft, sie hat in ihren dahin gehérigen
Leistungen eine Héhe erreicht, zu der sich die unsrige nicht mehr
emporzuschwingen vermag, selbst wenn sie sich dem Katholi-
cismus in die Arme wirft; denn es fehlt ihr die bewusstlose
von dem ganzen Zeilalter getragene Glaubenskraft und Warme
des Religionsgefiihls. Dagegen hat die weltliche Geschichte
und Nalionalpoesie dem Maler} und erfindenden Zeichner cin
eben so fruchtbares als grossartiges Feld eréffnet, welches ihm
die schénsten Lorbeern verspricht. Hier wo er Gestallen und
Individuen aus einer bestimmten Vergangenheit ins Leben 2u-
riickzurufen und uns vorzufiihren hat, wie sie in Physiognomie,
Tracht und Handlung und in den Umgebungen ihrer Zeit aufge-
treten sind, haufen sich die Anspriiche an den Kiinsiler, je
fester der historische Boden ist, auf den er sich gewagt hat.
Hier bedarf es anderer Studien, die ther den Kreis seiner ge-
wohnlichen und der akademischen Lehre hinaus liegen. Um
seine Personen so zu charakterisiren und in Scene zu setzen,
dass das stumme Bild, ohne Hilfe von Sprache oder Schrift,
iiber Ort, Zeit und Gegenstand der Darstellung keinen Zweifel
lasst, muss er auch dem zeitgemassen Kostum sein volles Recht
geben. Die alten Meister haben sich zwar wenig um dasselbe
bekiimmert; in den Miniaturen der Handschriften erscheinen die
Personen der Vorzeit in der Regel in den Kleidungen der da-
maligen Gegenwart und die grossen Maler des XV. und XVI.
Jahrhunderts haben oft absichtlich die auffallendsten Anachro-
nismen begangen. Aber bei ihnen wurde das Geschichiliche
tberhaupt mehr der malerischen Wirkung, oder allegorischen,
moralischen und andern Zwecken untergeordnet; die Freiheiten,
welche sie sich herausnehmen durften, finden vor den Argus-
augen der heutigen Kritik keine Gnade mehr; die Naivetaét der
Vorfahren, die daran keinen Anstoss nahm, ist dahin; die Kon-
traste der Zeiten und ihrer Trachten sind immer greller ge-
worden. Das Material, dessen der Historienmaler in dieser
Hinsicht bedarf, ist zunachst in den seit Erfindung der Druck-
kunst erschienenen zahllosen Kupferstichen und Druckbildern
vorhanden, aber wer sich ihrer in specieller Beziehung auf
Zeitgeschichte und Topographie, Portrait, Kostum, Sitten, df-
fentliches und hausliches Leben bedienen will, ist, mitten in
diesem Reichthum, tibel daran, denn die Bilder sind in den
Verzeichnissen wie in den Sammlungen nur nach den Schulen
und Meistern, nicht nach den Gegenstanden geordnet und es
fehlt tiberall an einem Leitfaden, um fiir jeden Gegenstand das
Echteste und Musterhafteste herausazufinden. Der sicherste Fith-
rer, namenwich fir das Kostum des Mittelalters, sind jedoch,
ausser den wenigen Ueberbleibseln damaliger Kleidungs-,
Schmuck- und Waffenstiicke selbst, solche gleichzeitige Ori-
ginaldenkmale der Plastik, Malerei und zeichnenden Kunst,
welche dasselbe am urspriinglichsten und volislandigsten zur
Anschauung bringen; aber diese sind je weiter zuriick, je sel-
tener, sie sind nur einmal vorhanden, an den verschiedensten
Orten zerstreut und viele sind noch unentdeckt oder unbekannt
geblieben. So schwierig und weilldufig es nun auch ist, eine
chronologiscl historische Galerie solcher Denkmale, von dem
Gesichtspunkt des Kostums ausgehend, in treuen Abbildungen
zusammenzubringen, so sind doch nur Trachtenwerke dieser
Art im Slande, dem heutigen Bedirfniss des Archdologen und
Kinstlers Geniige zu leisten und zugleich eine Quelle und Bei-
spielsammlung fiir eine noch zu erwartende Geschichte des Ko-
slums abzugeben. Von denen, die das Ausland geliefert hat,
ist das vorztiglichste Camille Bonard’s Costumes des XIII, XIV
et XV siécles. Paris. 1828—36. 2 Vol. gr. 4. mit 200 Kupfer-
tafeln, in einer schwarzen und einer farbigen Ausgabe von
zweierlei Abstufune. Das Werk hat einen mehr _ italienischen
	Knorr ), welchem man als Nirnbergischen Kunsthandler
doch wohl nahere Kenntniss Ditrer’scher Werke zutrauen kann,
erwihnt in dem von ihm herausgegebenen Verzeichnisse des Dii-
rerwerks, nach einer dlteren geschriebenen Nachricht, mehrerer
Blatter, welche auch vor Direr’sche Verrichtungen
angenommen werden“, worunter das von mir im Kunst-
blatt No. 47, vom Jahre 1834, zuerst beschriebene Wappen des
Ritters Florian von Waldauff, Heller No. 2151. Ich habe
seitdem entdeckt, dass dieses Wappen mit der Inschrift: Er b-
liche wappen herr Florian Waldauff, welches auf die
Riickseite des damals noch ohne Direr’s Monogramm verse-
henen Holzschnitts, die fiinf kaiserlichen Wappenschilde, Bartsch
No. 158, abgedruckt ist, urspriinglich fiir das mit vielen Holz-
schnilten in Diirer’s Weise versechene Buch: Das puch der
himlischen Offenbarung der h, Brigitte etc. Nirnberg,
Koberger. 1502. Fol. bestimmt war. Es erschienen mehrere
Auflagen dieses Werkes, unter anderen lateinische, in den Jah-
ren 1500, 1517 und 1521. Letztere hat ausserdem, die zur
Verzierung mehrerer Werke damaliger Zeit gebrauchte Titel-
einfassung mit der Taufe Johannis, Bartsch ap. No. 30. Eine
Copie oder wahrscheinlicher ein Abklatsch dieses Holzschnittes
befindet sich in: Meerobti opera, Coloniae apud Euch. Cervi-
cornum, 1521, fol.

Die Reihe der von Knorr angefiihrlen und dem Durer zu-
geschriebenen Wappen, welche in die Verzeichnisse von Hei-
necken, Lepel, Heller etc. ohne Weiteres ibernommen
wurden, mégen wohl grésstentheils nicht von Direr herrith-
ren; indessen bleibt es fiir Freunde Direr’scher Holzschnitte
von Interesse, diesen Blattern nachzuforschen, welche wahr-
scheinlich fiir Verlagswerke von Koberger, Hélzel, Pey-
pus u. A. in Nurnberg und von Weyssenburger in Lands-
hut, geschnitten und verwendet wurden. Als Fingerzeig fir
Forscher mége hier bemerkt werden, dass das von Knorr unter
No. 45 angefihrte Wappen des Bischofs von Vienne, Johann
von Revelles, vom Jahre 1524, Heller No, 2143, sich wahr-
scheinlich in dem Werke: Praeclara Ferdin. Cortesii de nova
maris oceani Hispania narratio, Carolo rom. imperatori trans-
missa per P. Saguorgranum. Norimb. Peypus, 1524, fol. befin-
den wird, indem Panzer anfiihrt, dass dieses Werk dem genannten
Bischof zugeeignet und mit dessen Wappen in Holzschnitt ge-
schmiickt sei. Das von Knorr unter No. 66 angefiihrte Rothen-
han’sche Wappen mit einem geharnischten Mann, nicht wie
Heinecken sagt: ,,worinnen ein geharnischter Mann“,
wird wohl das von Heller, im Kunstblatte No.12 vom J. 1847
beschriebene, jedoch nicht von Direr, in Holzschnittmanier, in
Kupfer geschnitlene Wappen sein, welches vor einigen Jahren
in dem Archiv der Freiherrn v. Rothenhan zu Rentweinsdorf
in Franken aufgefunden und abgedruckt wurde. ©. Beeker.
	Zur deutschen Kunstgeshichte.
	г. Hefner s Lrachten des christlichen Mittelalters nach
gleichzeitigen Kunstdenkmalen. Manheim, jetzt Frank-
Jurt a M. Gross 4. in 70 (noch nicht vollstindig er-
sehienenen) Lieferungen.

Von Sotzmann.

(Fortsetzung.)
	Was fiir die Biihne genug gewesen ware, konnte jedoch
fiir die Historienmalerei nicht ausreichen. Diese, die edelste
ihrer Schwestern, hat eine neue Bahn beschritten, welche eine
	genauere Kostumkenntniss nothig macht. Die idealere Welt der
	1) G. W. Knorr, allgemeine Kiinstlerhistorie etc. Niirnberg, 1759. 4,