Aeitung fiir bildende Kunst und Baukunst, Organ der deutSchen Kunstvereine. Unter Mitwirkung von uglier in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase in Berlin — Schulz in Dresden — FGrster in Miinchen — Hitelberger v. Edelberg in Wien redigirt von Dr. F. Eegers in Berlin. Sonnabend, den 1. November. Der Goldrahmen als Gemaldeeinfassung. Die Niederlander des 17. Jahrhnnderts, welche mit so tie- fem naturphilosophischem Sinne die Erscheinungen selbst der niederen Realilat darzustellen wussten und allem dusserlichen Prunke abhold das Héchste erzielten, vermieden grésstentheils noch die glinzende Goldeinfassung fir ihre Gemilde. Das schwarze Hichenholz fiir die grossen und das polirte Ebenholz fir die kleinen Sticke schien ihnen zweckmassiger. Das Gold wurde dusserst sparsam verwendet; namentlich war dies bei der Schule Rembrandt’s der Fall, wo dasselbe mit dem braun- lichen und tiefen Grundton allzu schroff kontrastirt hatte. Ueber- haupt war es dem damaligen ernsten und dem Hoéheren zuge- kehrten Zeitgeschmack stets mehr um das Bleibende, Gediegene zu thun, als um das Scheinbare und Glanzende, was sich auch sonst bei der Bauart der Hauser, deren innerer Ausschmiickung, den Kleidertrachten a. s. w. tberall bewdhrt findet. Erst im 18. Jahrhundert, als man anfing, in den Kiinsten von der Natur abzuweichen, als man statt der Wahrheit und Schénhcit einem falschen Ideal nachjagte, kam auch der Gold~ rahmen allgemeiner zur Geltung. Der eigentliche Geist, der Odem Gottes, war aus den Bildern entwichen und man ersetzte unwillktirlich die innere Gehalilosigkeit durch glanzende Aeus- serlichkeiten, durch helle illudirende Farbenpracht und reiche Goldeinfassung: die Kunst tberhaupt war zum Luxusarlikel herabgesunken. Man konnte und wollle sich vielleicht nicht mehr liebevoll in die Schépfungen der grossen Genien versen- ken, was immer schon eine gewisse Geistesverwandtschalt vor- aussetzt, und fing nun dafitr an, dieselben geringzuschalzen und nach und nach 2u beseitigen. Es war damals, als namentlich in den Niederlanden die késllichsten Gemalde auf die Béden gebracht und die Sale der Reichen mit ahgeschmackten bibli- schen und landschafilichen Darstellungen tapetenarlig dekorirt wurden, wobei man das Gold nicht sparte. Wiewohl man nun gemeiniglich meint, in unserem Zeit- alter, wo die Kiinste einen so grossen Aufschwung genommen, besonders in der Malerei die Geistlosigkeit des vorigen Jahr- hunderts iberwunden zu haben, so diirfte dies doch nicht so ganz der Fall sein. Der Umstand, dass der Goldrahmen gegenwirtig mehr als je an der Tagesordnung ist, kann mit zum Beweise dienen, dass wir immerhin noch theilweise in jener Epoche der Scheinbarkeil* begriifen si 3 en Sind. i rei cae rare So lange man die Malerei als Luxusartikel behandelt, um die Prunkgemacher damit zu schmti- cken, so lange man in dieser Kunst hauptsachlich die Illusion bezweckt, welche blenden und berauschen soll, statt zu beru- higen und zu veredeln, die mehr den Sinnen als dem Geiste dienstbar ist, wird man der gleissenden Goldeinfassung nicht wohl entbehren kénnen. Dass in dieser Beziehung die Kunstausstellungen mehr scha- den als niitzen, liegt auf der Hand. Gerade hier sucht sich die Geistlosigkeit und Miltelmassigkeit mit den glanzendsten Flittern zu behangen, um die verborgenere, nirgends vorlaute Schénheit zu tibertéuben und zuriickzudrangen, Besonders ist dies beim Portraitfach bemerkbar, wo heutigen Tages verhilt- nissmassig am wenigsten geleislet wird und wo gerade die ordsste Pratension grassirt: hier besonders machen die Ver- golder glanzende Geschafle und fast immer hat der Goldrahmen mehr gekostet als das Gemdlde werth ist. Die Malerei macht als , Kunst“ iiberdies in unserer Epoche wenig Gliick, wenn sie es nicht versteht, irgend eine andere ana- loge Kunst und Wissenschaft zugleich zu betreiben, um als Natur- und Geschichisforscherin, als Trégerin von Zeittendenzen oder gar als Spassmacherin aufzutreten, und wie denn auch die ein- sichligeren Kiinstler gezwungen sind, mit den Wdlfen zu heu- len, so miissen sie gleichfalls ihre Geistesprodukte fir den »Markt* mdéglichst reizend und glinzend herausputzen. Wie den um das Wohl ihrer Toéchier besorgten Miittern die Putz~ macherrechnungen, so ‘sind die Vergolderrechnungen diesen Kiinstlern nachtraglich sehr unbequem. Wenn sich nun auch von oben herah kein Verbot gegen den heuliges Tages ganz ungebihrlich grassirenden Rahmen- luxus erwarten lasst, wie im Mittelalter eins gegen den unsin- nigen Kleiderluxus erfolgte, so liesse sich hierin von den Aus- steNungsdirektionen doch Manches thun, sowohl im Interesse der Kunst, als der Kiinstler und des Publikums. Man sollte strenge darauf bestehen, dass die von Kiinstlern cingesandten Bilder mit einer méglichst schmalen und einfachen EHinfassung versehen waren, oder auch den unvergoldeten Rothrahmen an- empfehlen und erlauben, und beim Ankaufe fiir die Verloosungen den Rahmen nicht bericksichtigen. Es kénnte ja immerhin dem »glicklichen Gewinner“ anheimgestellt bleiben, seinem Bilde einen moglichst reichen Rahmen zu geben. Die Kunstvyereine wiirden auf diese Weise bedeutende Summen ) an Transport- 1) Vielleicht waren die resp. Kunstvereine dann auch eher im Stande, ДА